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Kapitel 2

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Am nächsten Morgen wurde Anka von allein wach. Sie öffnete die Augen und bemerkte, dass Dirk gerade im Begriff war aufzustehen. Er blinzelte zu ihr hinüber und wünschte ihr einen wunderschönen Morgen.

Wie beifällig warf sie einen Blick zur Uhr. Sie erschrak. Halb Neun! „Warum hat mich keiner geweckt? Die Schule hat schon lange angefangen.“

„Sie kommen heute auch mal ohne dich aus. Du musst dich doch schließlich von der vergangenen Nacht erholen, oder?“ zwinkerte er ihr zu.

„Ich glaube, du hast Recht. Und warum stehst du jetzt erst auf?“

„Weil ich gleich meine erste und letzte Vorlesung für heute habe“, erklärte er und suchte seine Sachen zusammen. „Bleib ruhig noch liegen, ich gebe dir Bescheid, wenn das Bad wieder frei ist, okay?“

Anka ließ sich zurückfallen und kuschelte sich also noch einmal in die Kissen. Doch je munterer sie wurde, um so mehr brachte sich der vergangene Abend in Erinnerung.

Als Dirk ein paar Minuten später kurz den Kopf ins Zimmer steckte und grünes Licht gab, lag sie schniefend im Bett. Er kam zu ihr ans Bett und sank auf die Bettkante.

„Komm mal her“, zog er sie sanft in seinen Arm.

„Sorry“, flüsterte sie erstickt.

„Hey, ich kann dich verstehen, Mäuschen.“ Behutsam strich er über ihren Rücken. „Du packst das schon. Ich bin da, okay?“

Langsam nickte sie. „Danke.“ Sie löste sich von ihm, schnäuzte sich die Nase und stand schließlich auf.

Im Esszimmer stellte Anka später fest, dass sie nun alle vollzählig waren. Sie waren eine Person mehr als gestern. Klein Lisa saß auch am Frühstückstisch. Sie war Dirks kleine Schwester, die natürlich gestern schon geschlafen und von dem ganzen Trubel nichts mitbekommen hatte.

Sie war es auch, die jetzt aufsprang und zu Anka hinstolperte, um sie stürmisch zu begrüßen.

Als alle gefrühstückt hatten, verabschiedete Dirk sich zum Studieren.

Ingrid Heller beschäftigte ihre kleine Tochter ein bisschen, und die anderen Vier beschlossen, sich das Unheil vor Ort und bei Tageslicht anzuschauen.

Dirks Vater hatte sich kurzfristig einen Tag frei genommen, um Martin und seiner Familie zur Seite zu stehen.

Vielleicht konnte doch noch einiges aus dem Haus geschafft werden, was man im Dunkeln nicht mehr hatte ausfindig machen können. Nicht alle Räume waren völlig ausgebrannt. Nach einem kurzen Telefonat mit der zuständigen Stelle bei der Kripo hatten sie die Erlaubnis, in den Überresten nach Unversehrtem zu suchen. Das Haus war trotz der Explosion zum Glück nicht einsturzgefährdet.

Martin und Heinz arbeiteten sich vorsichtig ins Wohnzimmer vor. Sämtliche Möbel waren durch den Brand komplett zerstört, Teppiche gab es keine mehr, nur noch verbrannte Stofffetzen und jede Menge Asche.

Martin hatte gleich am Morgen bei der Versicherung angerufen und den Brand gemeldet. Für den Nachmittag hatte sich ein Sachverständiger angesagt, um das Dilemma zu begutachten und sich mit ihnen über die Regulierung zu unterhalten.

Anka stand vor dem Haus und warf einen Blick nach oben - dorthin, wo ihr Zimmer einmal war. Die Wände standen noch, aber es sah sogar von Ankas Blickpunkt entsetzlich da oben aus. Ihr Vater schaute nun vorsichtig dort aus dem Fenster und schüttelte resignierend den Kopf.

„Meine ganzen Klamotten, meine Bücher, meine CD’s, meine Fotos...“, stöhnte sie leise.

Ihre Mutter trat zu ihr und legte einen Arm um sie. „Ich weiß, das tut weh, aber es ist nicht mehr zu ändern. Wir kleiden uns komplett neu ein und dann hast du halt neue Lieblingsklamotten. Und deine Musik kriegst du auch schon wieder irgendwie zusammen.“

Sie sahen sich an. Anka schluckte. „Ihr braucht ja auch alles neu.“

Frau Weiß nickte wehmütig.

„Weiß Holger eigentlich schon Bescheid?“ fragte Anka jetzt. Holger war ihr um vier Jahre älterer Bruder, der seit zwei Jahren in München studierte.

„Ich habe ihn heute Morgen angerufen und alles erzählt. Er wollte sofort zu uns kommen, aber ich habe ihn beruhigt und gesagt, dass wir zwar für eine Weile keinen eigenen Wohnraum haben, aber dass wir bei Hellers gut aufgehoben sind. Er kommt am Wochenende her und will bei einem Freund übernachten.“

Martin kam nach einer Weile aus dem Haus. „Das Feuer hat ganze Arbeit geleistet. Nichts ist übrig geblieben, nichts, was man noch irgendwie verwerten könnte.“

Heinz, der ebenfalls das Haus wieder verlassen hatte, pflichtete seinem Freund bei.

Schließlich fuhren sie zusammen zurück zum Haus der Familie Heller. Anka wurde sofort von Lisa in Beschlag genommen und lange Zeit nicht mehr fortgelassen.

Also spielte sie mit der Kleinen. Sie bekam eine Puppe nach der anderen in die Hand gedrückt und erhielt vorgeschrieben, was sie zu sagen und zu tun hatte.

Sie schmunzelte darüber und befolgte brav Lisas Anordnungen. Mit ihren fünf Jahren war sie schon recht aufgeweckt und verstand es, die anderen, und vor allem die Erwachsenen, in ihre Spiele mit einzubeziehen.

Eines Tages würde Anka auch so ein süßes Mädchen haben, da war sie sich ganz sicher.

Sie dachte an Guido, mit dem sie seit einigen Wochen zusammen war. Sie hatten sich in Ankas Lieblingsdisco kennen gelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, zumindest bei Anka. Aber dass auch Guido sich rasch in sie verliebt hatte, konnte wohl niemand bezweifeln.

Er war dem Aussehen nach ein typischer Traummann, hatte ein süßes Gesicht, war auf seinem gesamten sportlichen Körper herrlich braungebrannt. Nur über seinen Charakter ärgerte Anka sich manchmal. Er war sehr von sich eingenommen und hatte eigentlich immer Recht – zumindest wenn es nach ihm ging. Aber wenn er dann wiederum so lieb und zärtlich zu ihr war, vergaß Anka ihren Ärger sehr rasch.

Dann bewies er, dass er auch Vorzüge hatte.

Umwerfende Vorzüge.

Ein kleines schimpfendes Stimmchen holte sie aus ihren Gedanken. Lisa machte auf sich aufmerksam.

Anka beschloss, ihren Freund abends zu besuchen und widmete sich vorerst der Kleinen wieder.

* * *

Nachmittags rief Ankas Freundin Gitta im Hause Heller an, um sich nach deren Befinden zu erkundigen.

Anka hatte mittags dort angerufen und für Gitta die Nachricht mit dem Brand und ihrer neuen Bleibe, inklusive Telefonnummer, hinterlassen. Von dem Brand wusste Gitta bereits aus der Schule. Nachdem Ankas Mutter morgens in der Schule angerufen und Anka entschuldigt hatte, hatte es sich in der Schule herumgesprochen wie ein wahrhaftiges Lauffeuer.

„Habe ich viel versäumt?“ fragte Anka.

„Nööö, du weißt doch, in zwei Wochen ist eh Schluss. Da wird doch jetzt nicht mehr viel gemacht. Ich habe übrigens ein paar Sachen für dich mitgeschrieben, damit du nicht so viel nachholen musst.“

„Super. Hast du Zeit?“

„Ja. Willst du vorbeikommen? Komm ruhig.“

Also verblieben sie so, dass Anka ihrer Freundin gleich einen Besuch abstattete. Sie durfte Ingrids Fahrrad nehmen, da es ein ziemliches Stück Weg bis zu Gitta war.

Unterwegs kaufte sie noch rasch neues Schreibzeug, damit sie für die Schule am nächsten Vormittag gewappnet war.

Auch ein paar Kleidungsstücke wie T-Shirts, zwei Hosen, Kurzes, Langes, Unterwäsche usw. - alles, was sie dringend benötigte, nahm sie auf dem Weg zu ihrer Freundin noch mit.

Dann radelte sie weiter zu Gitta.

Die Mädchen unterhielten sich über den Brand und über die Schule.

Anka warf einen Blick auf die heute in der Schule durchgenommenen Dinge und wechselte bald wieder das Thema. Sie kam auf Gittas Freund zu sprechen.

Und das – wie überhaupt das Thema Jungs - war Nachmittag füllend.

Anka aß bei ihrer Freundin noch Abendbrot und fuhr von dort aus später weiter zu Guido.

Er hatte im Regionalradiosender gehört, was geschehen war, aber nicht gleich gewusst, wo genau. Das hatte er heute in der Firma erfahren. Nun umarmte er sein Mädchen erst einmal innig. Dann wollte auch er Einzelheiten wissen. Als alles berichtet war, gingen sie zum angenehmeren Teil des Abends über.

* * *

Wieder zu Hause angekommen, erfuhr Anka, dass man nach und nach zur Tagesordnung zurückfand. Ihre Eltern nahmen sich noch zwei, drei Tage frei, weil sie gleich morgen und in den nächsten Tagen verstärkt nach einer neuen Wohnung Ausschau halten wollten.

Je eher sie eine neue Bleibe hatten, um so eher wurde die befreundete Familie wieder entlastet. Auch wenn diese das Ganze nicht so eng sah.

Anka zog sich in Dirks Zimmer zurück, weil sie vom Tag geschafft war und schlafen gehen wollte.

Dirk selbst war noch nicht zu Hause. Wo er war, wusste sie nicht. Jedenfalls blieb er bis spät in der Nacht weg.

Morgen wollte sie ihn fragen, wo er gesteckt hatte. Vielleicht konnte er sich nicht von seiner Freundin trennen.

Am nächsten Tag nach der Schule wollte Anka erst mal in die Stadt gehen und sich noch ein paar weitere Kleidungsstücke kaufen. Die Mutter hatte ihr an diesem Abend ein paar Scheine in die Hand gedrückt, worüber sie sich natürlich gefreut hatte.

Sie war zu müde, um sich noch weitere Gedanken über irgendwas zu machen, und schlief schon bald ein.

Feuer und Flamme

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