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Kapitel 7

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Am nächsten Vormittag nahm Dirk Anka mit zur Villa hinaus.

Dort packte sie kräftig mit an, als noch einige zerlegte Möbel auf den Dachboden geschafft und dort deponiert werden sollten. Damit war der Rest des Vormittags perfekt ausgefüllt.

Am späten Nachmittag begann sie gemeinsam mit Steffi, in einem der Zimmer die Tapete von den Wänden zu kratzen. Die Räume waren drei Meter hoch. Immer wieder ging es Leiter rauf, Leiter runter...

Als es langsam dunkel wurde, wunderte Anka sich, wie schnell doch die Zeit vergangen war.

„Für heute haben wir genug getan.“ Dirk lehnte in der Tür. Er schien ihr eine Weile zugesehen zu haben. Langsam kletterte sie die Leiter hinunter und griff sich in das schmerzende Genick.

Als er das sah, meinte er: „Komm mal her“, und winkte sie zu sich. Brav ging Anka zu ihm hin und ließ sich von ihm leicht den Nacken massieren.

„Wenn du dich schon für uns abrackerst, dann sollst du auch den Service des Hauses auskosten dürfen.“ Er lächelte und bemerkte, wie sehr sie seine Massage genoss und sich dabei etwas entspannte. Sie stöhnte wohlig auf und kicherte, als sie Dirks verdutzten Blick sah. Sofort hielt er in der Massage inne und stotterte scheinbar verlegen: „Okay, ähm...das...wird...wohl...reichen.“ Doch dann gab er ihr einen frechen Klaps auf den Po und lachte lausbubenhaft.

„Danke“, meinte sie daraufhin mit honigsüßem Blick. Sie ließ den Spachtel fallen und streckte sich noch einmal.

Dirk trat hinaus in den Flur und rief hinauf: „Kalle, machst du oben überall das Licht aus?“

„Jaaa!“ kam es aus einem der Zimmer im Obergeschoss zurück.

Nach einer Weile kam Kalle die Treppe heruntergepoltert.

Steffi ließ ihren Spachtel nun auch fallen. „Ich schwinge mich jetzt auf mein Rad und fahre heim.“

Alex kam aus dem Keller. „Kalle, nimmst du mich mit?“

„Ich bin mit dem Fahrrad da. Wolltest du auf dem Gepäckträger mitfahren?“

„Wir nehmen dich mit“, bot Dirk sofort an.

Sie verließen das Haus und fuhren in Richtung Stadt.

Am Ortseingang fuhren die zwei Radler in die eine und das Auto in die andere Richtung.

Nach dem kleinen Umweg zu Alex kamen auch Dirk und Anka zu Hause an. Sie duschten beide noch, natürlich nacheinander, und verkrochen sich anschließend in Dirks Zimmer.

Anka war fix und alle, so fühlte man sich also nach einem harten arbeitsreichen Tag. Sie sah von ihrem Bett aus zu dem anderen Bett, das unter dem Fenster stand. Und Dirk sah zu ihr.

Amüsiert lachten sie sich an.

„Müde gespielt“, meinte Dirk leise.

„Jo“, erwiderte Anka grinsend.

„Das hast du echt nicht besser gewusst, was?“ kniff er ein Auge zusammen.

Sie ließ sich mit dem Gesicht ins Kissen fallen.

Dirk lachte.

Anka richtete sich halb wieder auf. „Wer arbeitet, sündigt nicht, oder wie heißt das?“

Dirk kratzte sich am Kopf. „Ich glaube eher, wer schläft…“

Er ließ den Kopf auf die verschränkten Arme sinken. Leise hörte sie ein ernstes: „Danke, Baby.“

„Keine Ursache“, winkte sie lässig ab. „War lustig heute.“

„Ist es bei uns immer.“

Das konnte sie sich lebhaft vorstellen - jetzt, wo sie ein paar seiner Freunde kannte.

„Hast du eigentlich keine Freundin“, fragte Anka nach einer Weile leise.

„Im Augenblick nicht.“

„Und warum nicht?“

„Vielleicht bin ich ja wählerisch geworden und warte erst mal auf die Richtige.“

„In der Uni laufen doch so viele hübsche Mädchen herum, da ist keine für dich dabei?“ fragte Anka ungläubig.

„Nö“, kam es kurz und entschlossen.

„Bist du andersrum?“ Anka unterdrückte ein Grinsen, denn dass er schwul war, konnte sie sich bei ihm einfach nicht vorstellen. Dafür flirtete er viel zu gern mit Mädchen herum.

„Jungs machen mich nicht an. Warum deine Fragerei, hast du Bedenken, dass ich aus der Übung komme?“

„Ja, vielleicht“, antwortete sie frech. Weiter sagte sie: „Ich könnte mir gar nicht vorstellen, keinen Freund an meiner Seite zu haben. Das geht vielleicht mal ein paar Wochen, aber sonst würde mir echt was fehlen. Ich brauche immer jemanden, an den ich mich anlehnen, mit dem ich rumknuddeln, auf den ich mich verlassen und den ich hin und wieder ein bisschen ärgern kann. Der mir sagt, dass er mich liebt und das auch tut.“

„Das dürfte kein Problem sein, bei so einem süßen Persönchen wie dir.“

Das ging runter wie Öl.

„Danke, du Räuber“, erwiderte sie honigsüß.

„Ich verlasse mich lieber auf mich allein.“ Ernst sah er dabei aus.

„Lehrt dich das die Erfahrung, oder warum klingst du so bitter?“ Sie beugte sich vor und sah ihn besorgt an. „Warst du mal unglücklich verliebt, wurdest du hintergangen...?“

„Beides.“ Er schien zu überlegen, ob er es ihr erzählen sollte. Als sie ihm aufmunternd zunickte, entschied er sich dafür: „Sie hieß Diana. Wir lernten uns in einem Café kennen und trafen uns dann öfter dort. Einmal sahen wir uns in der Disco wieder.“ Er machte eine kurze Pause. „Naja, und nach einer heißen Disconacht landeten wir bei ihr im Bett. Ich sollte eigentlich nur auf einen Kaffee mit zu ihr raufkommen. Ihre Eltern waren nicht da, und da war die Stimmung Herr der Dinge. So fing alles an. Nur, dass ich mich, als sie schlief, mitten in der Nacht heimlich davonschlich. Ich wollte sehen, ob ich ihr mehr bedeutete, als ein One-Night-Stand. Am nächsten Morgen rief sie mich ganz verstört an. ‚Wo bist du?’ Also fuhr ich abends wieder zu ihr hin. Die erste Zeit war richtig wild. Diana war ein Mädchen, das gerne mit scharfen Klamotten provozierte, ob in der Disco, in der Schule, auf der Straße oder zu Hause. Die ersten zwei Monate waren eine schöne Zeit. Dann fiel mir auf, dass sie sich allmählich veränderte. In der Disco flirtete sie auf Teufel komm raus mit anderen herum. Ich bin eigentlich sehr tolerant, aber dann knutschte sie vor meinen Augen mit anderen Kerlen. Sie wollte testen, wie weit sie bei mir gehen konnte, sie liebte Eifersuchtsszenen, und was noch viel schlimmer war – offene Beziehungen.

Leider steh ich nicht auf so einen Scheiß. Ich stellte sie vor die Wahl, entweder ich oder die anderen.

Sie riss das Ruder noch einmal herum und meinte, ich sei ihr doch wichtiger als alles andere auf der Welt. Die Beziehung war fürs erste gekittet. Aber ein paar Tage später erwischte ich sie spätabends im Hausflur eines Bekannten, von dem ich gerade kam. Was ich da geboten bekam, hat mir gereicht. Ich habe sie dafür regelrecht gehasst. Nach ein paar Wochen legte sich auch das. Ich suchte mir ein Abenteuer nach dem anderen, alles nur kurz und ohne Bedeutung für mich. Irgendwann sah ich ein, dass das auch nicht der richtige Weg war. Ich tat anderen Mädchen weh, weil Diana mich so verletzt hatte.“

„Wie alt warst du bei Diana?“

„Siebzehn. Das war vor knapp zwei Jahren.“

„Und inzwischen?“ Neugierig lag sie auf der Lauer.

„Ich war noch mal drei Monate mit einem Mädel zusammen, aber diese Angelegenheit war für mich erledigt, als sie sich entschloss, ein Stipendium für ein Jahr Amerika anzunehmen. Für mich machte es keinen Sinn, ein Jahr lang auf Iris zu warten. Wer tut das schon, wenn er erst Achtzehn ist.“

„Ich“, piepste Anka leise. „Wenn es mein Traummann wäre, würde ich auf ihn warten.“

„Ich war ihr Traummann, sagte sie jedenfalls immer. Iris wollte sich auch nicht damit abfinden, dass nun alles aus sein sollte. Ich machte noch direkt am Flughafen Schluss. Aber sie schrieb mir im Folgenden noch mindestens zehn Briefe, auf die sie natürlich keine Antwort erhielt.“

„Da warst du echt rigoros, was? Sie kommt doch sicher bald wieder, oder? Meinst du nicht, dass dann vielleicht alles von vorn beginnen könnte?“

„Im August ist sie wieder da. Aber ich hoffe, dass sie begriffen hat, dass es vorbei ist. Die Beziehung wieder aufnehmen, ist wie mehrmals aufgewärmtes Essen, das irgendwann fade schmeckt.“

„Naja, ist ja deine Sache, wenn du das so siehst.“

„So, jetzt bist du dran. Wann warst du zum ersten Mal richtig verliebt?“

„Mit Vierzehn in meinen Mathe-Lehrer...“ Als er die Augen verdrehte, lachte sie. „Nein, so war’s nicht. Meine erste Liebe war eine Art Schicksalsbegegnung. Ich war in der Volkshochschule bei einem Französisch-Kurs. Als der Unterricht an diesem Abend vorbei war, wollte ich mit meinem Fahrrad nach Hause fahren.

Aber ich stellte fest, dass mir einer die Kette kaputtgemacht hatte, damit ich den Heimweg zu Fuß antreten musste.

Ich war am Fluchen, da kam Marco aus dem Haus. Ich war seit der ersten Stunde in dem Kurs schon ziemlich in ihn verknallt. Als er sah, was los war, bot er mir an, mich nach Hause zu begleiten. Ich wusste, wer meine Kette kaputtgemacht hatte - es war einer aus er der Klasse über mir gewesen, der mit mir gehen wollte. Aber ich mochte ihn nicht, was ich ihm auch direkt ins Gesicht sagte, als er mit seinen plumpen Anmachen echt das Nerven anfing. So, dann auf dem Nachhauseweg erzählte ich Marco davon. Ich regte mich darüber auf, warum ein Mensch nur so anmaßend und Besitz ergreifend sein konnte. Marco versprach, mich von nun an immer nach dem Kurs heimzubegleiten. Ich habe ihn irgendwann mal zum Essen eingeladen, weil wir uns so super verstanden und ich mich bei ihm bedanken wollte. Wir gingen in eine Pizzeria und genehmigten uns zusammen eine riesengroße Pizza. An diesem Abend küssten wir uns endlich zum ersten Mal. Ich war so happy, das glaubst du gar nicht.“

„Wart ihr lange zusammen?“

„Über ein Jahr. Aber dann habe ich eine Dummheit gemacht. Ich verknallte mich in einen Kumpel von Marco und machte Schluss, um mit dem anderen zu gehen. Ich habe viel zu spät erkannt, dass ich mit Marco viel besser gefahren wäre. Mein Stolz hat es nicht zugelassen, zu ihm hinzugehen und ihn um Verzeihung zu bitten. Außerdem hatte auch er inzwischen eine neue Freundin. Ich stand kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag. Auf meiner Party habe ich den nächsten kennen gelernt, mit dem ich für ein paar Wochen zusammen war. Auch die Beziehungen danach dauerten nicht mehr als sechs, sieben Wochen. Bis ich jetzt Anfang Mai Guido kennen lernte.“

„Und wie hast du ihn kennen gelernt?“

„Ich war mit meiner Freundin Gitta im Fever. Ich sah den Typen und verliebte mich sofort unsterblich in ihn. Er sah umwerfend gut aus, so ein bisschen südländisch. Er erblickte mich, verlor keine Zeit, kam auf mich zu, forderte mich zum Tanzen auf und trennte sich nicht mehr von mir. Seit dem sind wir ein Paar.“

„Bist du glücklich mit ihm?“

„Ja, irgendwie schon. Er las mir von Anfang an jeden Wunsch von den Augen ab. Nur in letzter Zeit ist er manchmal ein bisschen mürrisch. Er hat wohl auf der Arbeit einige Probleme. Aber ich sehe das nicht so eng. Probleme hat ja jeder mal.“

„Ist er doll eifersüchtig?“

Sie lächelte vor sich hin. „Ich glaube schon, denn er ist sehr von sich eingenommen. Was er einmal hat, das will er auch besitzen. So geht es ihm wohl auch mit mir. Ich habe ihm allerdings auch noch nie Anlass zur Eifersucht gegeben.“

„Ist er der Mann, den du mal heiraten willst?“ wagte Dirk sich einen Schritt vor.

„Ich weiß nicht. Wir sind erst seit knapp zwei Monaten zusammen. Es ist noch zu früh, über solche Dinge jetzt schon zu entscheiden.“

„Anka?“ - „Ja.“ - „Wenn du mal mit irgendwas nicht klarkommst, dann komm ruhig zu mir.“

„Danke. Ich bin auch jederzeit für dich da, wenn was ist.“ Sie merkte, dass er plötzlich anfing zu grinsen. Da griff sie nach seinen Plüschtieren und bewarf ihn damit.

Er jammerte nur und beschwor sie, damit aufzuhören. Aber sie tat es nicht. Da robbte er zu ihr hin und griff nach ihren Armen, um sie festzuhalten. „Lass meine Plüschtiere aus dem Spiel, die armen Dinger haben dir nichts getan“, flehte er.

Aufgrund seines festen, jedoch schmerzfreien Griffes hörte sie abrupt mit dem Werfen auf. Sie hielt allerdings noch einen Plüschteddy in den Händen, streichelte ihn andächtig und flüsterte plötzlich gedankenverloren: „So einen hatte ich auch mal. Leider ist er mit verbrannt.“

Sie auf einmal so traurig zu sehen, tat ihm in der Seele weh. Er beschloss, etwas zu unternehmen.

Feuer und Flamme

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