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Kleiner Albert

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Watson und Rayner publizierten 1920 die Konditionierungsversuche mit dem kleinen Albert. Aus heutiger Sicht eine ethisch inakzeptable Studie. Albert war ein neun Monate alter normal entwickelter Junge, der bei der Konfrontation mit einer Ratte, einem Hasen, einem Hund, einem Affen, Wolle und Masken mit und ohne Haaren keinerlei Angstreaktionen zeigte. Hingegen zeigte er Furcht und begann zu weinen, wenn hinter ihm mit einem Hammer auf eine Eisenstange geschlagen wurde.

Watson und Rayner stellten folgende Fragen auf: Kann eine Angstkonditionierung auf Tiere wie z. B. eine weiße Ratte hergestellt werden, indem gleichzeitig zur visuellen Darbietung der Ratte auf eine Eisenstange geschlagen wird? Wird es nach dieser Konditionierung zu einer Generalisierung der Ängste auf andere Objekte kommen? Welche Effekte hat die Zeit? Falls nach einer gewissen Zeit die emotionalen Reaktionen nicht abflachen, welche Methoden gibt es zur Beseitigung? Bezüglich ethischer Bedenken beschrieben die Autoren, dass sie zunächst gezögert hätten, die Konditionierung durchzuführen, dann aber zur Überzeugung gelangt seien, dass es sowieso irgendwann zu solchen Ereignissen kommen würde, wenn das Kind das behütete Umfeld verlasse.

Die ersten Konditionierungen fanden mit einer Ratte statt. Als Albert die Ratte berührte, wurde hinter ihm mit einem Hammer auf eine Eisenstange geschlagen. Beim zweiten Durchgang begann Albert zu wimmern und zögerte, die Ratte zu berühren. In der Folge fanden mehrere Konditionierungsdurchgänge statt, in denen die Ratte gleichzeitig mit dem lauten Ton präsentiert wurde. Daraufhin begann Albert bei der alleinigen Präsentation der Ratte zu weinen und krabbelte weg. Es wurde dann untersucht, ob sich die Angst generalisiert hatte. Bei der Präsentation eines Hasen und Pelzes lehnte er sich weg, wimmerte und brach in Tränen aus. Mit Holzblöcken spielte er nach wie vor gerne. Einige Tage später fixierte Albert die Ratte mit den Augen und zog sich zurück, weinte jedoch nicht. Damit war es den Autoren leider noch nicht genug und es wurden weitere Konditionierungsversuche durchgeführt, dieses Mal in einen anderen Raum. Bei der Konfrontation mit der Ratte, dem Hasen und dem Hund zeigte Albert leichte Angstreaktionen und versuchte, seine Hände so weit weg wie möglich von den Tieren zu halten. Erneut wurde dann bei der Präsentation der Tiere auf eine Eisenstange geschlagen. Dies führte bei Albert wiederum zu einem Rückzugsverhalten.

Danach wird beschrieben, dass im Anschluss an diese (letzte) Sitzung die Mutter mit Albert weggezogen sei, so dass keine Rekonditionierung durchgeführt werden konnte. Weshalb die Mutter wegzog und was aus Albert wurde, ist bis heute nicht bekannt.

Im Zusammenhang mit dieser Studie können, neben den ethischen Aspekten hinsichtlich der Durchführung der Studie und der Nicht-Beseitigung der willkürlich erzeugten Angst, weitere Probleme festgehalten werden: Es fehlte eine Operationalisierung der Variable »Furcht« und eine klare Quantifizierung des Verhaltens von Albert. So wird im Studienprotokoll von »verzieht das Gesicht«, »wimmert« und »fällt vorn über« berichtet. Zudem werden gegen Ende des Experiments die Reaktionen von Albert immer unklarer beschrieben. Des Weiteren wurde der Versuchsplan immer wieder neu angepasst. Beispielsweise wurden weitere Konditionierungsversuche durchgeführt, als die Reaktionen von Albert schwächer wurden.

Ein entscheidender Unterschied zu anderen Therapieverfahren ist, dass historisch in der Verhaltenstherapie nicht konzeptionell zwischen dem Vorgehen mit Kindern und Erwachsenen getrennt wurde. Bei Kindern und bei Erwachsenen wurden lerntheoretische Konzepte gleichermaßen angewendet. Es ging also in der Verhaltenstherapie mehrheitlich um die Methoden, die bei Kindern und Erwachsenen den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgen. Dies steht im Gegensatz zur Psychoanalyse wo, in der z. B. Anna Freud und Melanie Klein spezifische Behandlungsmethoden für Kinder entwickelten.

Die konkrete Umsetzung der Methoden in der Verhaltenstherapie ist jedoch an die Altersgruppe angepasst: z. B. können bei Jugendlichen und Erwachsenen operante Methoden zur Selbstverstärkung (z. B. »Wenn ich mich dem angstauslösenden Reiz aussetze und diese Angst aushalte, belohne ich mich danach mit einem Stück Kuchen und Kaffee«) eingeübt werden, wohingegen bei einem Kind ein Token-Programm gemeinsam mit den Eltern erstellt wird (z. B. die Regel, dass das Kind, wenn es sich morgens selber anzieht, hierfür einen Punkt bekommt). Diese Anpassung impliziert auch, dass jeweils die entwicklungspsychologische Perspektive zu berücksichtigen ist. Als weitere Besonderheit ist sicherlich die Berücksichtigung des Therapiesettings aufzuführen.

Borg-Laufs beschreibt auf der Homepage der DGVT (www.dgvt.de), dass das Psychotherapeutengesetz 1999 den entscheidenden Schritt zur Trennung zwischen Kinder- und Erwachsenentherapie markiert. Allerdings stellen Meyer und Kollegen 1991 in ihrem Gutachten zum Psychotherapeutengesetzes fest, dass diese Trennung in der Verhaltenstherapie keine Tradition hat, und es auch inhaltlich keinen Sinn macht, zwischen Kinder- und Erwachsenentherapie zu unterscheiden.

Verhaltenstherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

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