Читать книгу Verhaltenstherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen - Tina In-Albon - Страница 19
Verhinderung von Reizüberflutung
ОглавлениеDer Therapieraum wird ansprechend gestaltet, aber nicht extrem bunt und mit offen herumstehenden oder ausgestellten Spielsachen, damit das Kind sich auf die neuen Reize im Zusammenhang mit Therapie oder Therapeutin konzentrieren kann und nicht überfordert ist.
Nicht alle situativen Stimuli sind gleichermaßen als CS geeignet. Es scheint eine biologische Prädisposition auf bestimmte Reize zu geben, im Sinne einer Preparedness (Seligman, 1970). Auf diese Reize lässt sich besonders leicht eine stabile konditionierte Reaktion entwickeln. Somit tritt die klassische Konditionierung bei manchen Reizen weitaus häufiger auf (z. B. Angst vor Spinnen, Höhe, Hunden) im Vergleich zu anderen Ängsten (z. B. Angst vor Steckdosen, Motorsägen, Autos). Gewisse Stimuli sind für bestimmte Spezies auch prägnanter und werden selektiv stärker wahrgenommen (Prepotency). Hierbei handelt es sich um Reize, die entwicklungsgeschichtlich gefährlicher waren als andere Reize. Sie sind löschungsresistenter und brauchen weniger Lerndurchgänge bei der Konditionierung.
Bei der klassischen Konditionierung spielen weitere Faktoren eine bedeutende Rolle:
• Erwerb einer Assoziation der Stimulusbedingung und des Kontextes: Wird eine Lernerfahrung z. B. in einem Labor gemacht, stellt das Labor einen erworbenen konditionierten Reiz dar. Das kann dazu führen, dass die Angstreaktion dann nicht mehr im Labor gezeigt wird, außerhalb des Labors aber schon.
• Konditionierte Reaktionen können auch durch mentale Prozesse erworben werden, ohne dass ein realer CS und/oder ein US zum Lernzeitpunkt vorhanden sein müssen. So können Kinder Angst vor Schlangen und Monstern haben, allein durch die Imagination von negativen Konsequenzen beim Auftreten der angstauslösenden Stimuli.
• Auch die Vermittlung von Informationen, z. B. im Rahmen von Psychoedukation oder bei kognitiver Umstrukturierung kann zu einer Abnahme einer konditionierten Reaktion führen.
• Die Vorhersehbarkeit des US beeinflusst die Erwartung, ob der US auftritt und zu einer emotionalen Gegenregulierung führen kann. Die Person kann entscheiden, wie stark sie auf einen US reagiert oder nicht. Andersrum kann die CR auch verstärkt werden, wenn die Erwartung besteht, dass die US stärker ausfällt.
• Weitere Faktoren wie genetische und hormonelle Einflüsse sowie Beobachtungslernen spielen eine Rolle.
Beim Assoziationslernen spielen auch Löschung (Extinktion) und Spontanerholung eine wichtige Rolle. In einer Löschungsphase wird der CS (z. B. eine Glocke in dem Experiment von Pawlow) ohne die Kopplung mit dem UCS (Futter) dargeboten. Nach einigen dieser Darbietungen ist eine Abnahme in der konditionierten Reaktion zu erkennen. Folglich kann unerwünschtes Verhalten unterbunden werden, wenn die Verstärkung für dieses Verhalten ausgeschaltet wird. Bei erneuter Darbietung des CS nach einer Pause, tritt die zuvor gelöschte Reaktion wieder auf, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß. Dies wird als Spontanerholung bezeichnet.
Verhalten und Reaktionen, die vermeintlich durch Extinktionslernen gelöscht werden, können allerdings wieder auftreten. Die ursprüngliche Lernerfahrung bleibt im Gehirn gespeichert, d. h. es findet ein Umlernen bzw. Neulernen (»Renewal «) statt. Man geht davon aus, dass während der Extinktion eine neue, inhibitorische Lernspur gebildet wird, die die alte Lernspur hemmt. Nach erfolgreicher Extinktion bestehen zwei Lernspuren, die miteinander konkurrieren, wobei die neue, inhibitorische Lernspur fragiler ist als die vorherige Lernspur. Hierbei wird deutlich, dass Lernerfahrungen kontextabhängig sind und neue Lernerfahrungen auf neue Kontexte übertragen werden müssen. Daher kann eine Expositionsbehandlung an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Arten von Reizen helfen, die ursprüngliche Reaktion eher zu verlernen, als wenn man sich auf einen Kontext beschränkt. Es kann auch zu einem Wiedereinsetzen der Reaktion (»Reinstatement «) kommen, wenn nach vollständiger Extinktion zunächst der ungepaarte unkonditionierte Stimulus präsentiert wird und danach der ungepaarte konditionierte Stimulus. Die Person zeigt dann eine konditionierte Reaktion auf den vorab konditionierten Stimulus.
Bei der Gegenkonditionierung wird eine problematische Reiz-Reaktions-Verbindung durch eine weitere Konditionierung mit anderen, unvereinbaren Reizen wieder verlernt bzw. neu konditioniert. Die ursprüngliche CR1 wird durch die gegenteilige CR2 ersetzt. Dieses Prinzip wird beispielsweise bei der systematischen Desensibilisierung verwendet.