Читать книгу Blitz - Tom Gris - Страница 10
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ОглавлениеTheo reißt es. Frau Strohmann? Die Alte vom Kobold? So einer hat eine Frau? Die muss ich mir ansehen.
„Soll reinkommen“, sagt er zu Olga und erwartet hämisch eine Mischung aus Daisy Duck und Olivia Oyl, der Freundin von Popeye. Als die Frau hereinkommt, reißt es ihn schon wieder.
Er traut seinen Augen nicht. Die Frau ist Mitte zwanzig, groß, sehr schlank, hat lange, blonde Haare, ein Engelsgesicht und schaut überhaupt aus, als ob sie geradewegs aus dem Titelblatt der „Vogue“ heraus gestiegen wäre.
Schau an, denkt Theo griesgrämig, da zeigt es sich mal wieder: Wenn ein Kerl nur genug Knete hat, kann er aussehen wie Quasimodo, und kriegt trotzdem die tollsten Frauen ab.
„Guten Tag, ich bin Jessica Strohmann“ sagt die Schönheit mit einer warmen, angenehmen Stimme. Sie hat einen englischen Akzent.
„Freut mich, Theo Strack.“
Theo steht auf und reicht ihr die Hand. Ihr Händedruck ist trocken und fest.
„Frau Strohmann“, sagt Theo gemessen „zunächst mein herzliches Beileid zum Tod ihres Mannes.“
Jessica Strohmann lächelt gequält, wie jemand, der denselben Witz zum hunderdsten Mal hört.
„Mein Mann? Oh nein. Professor Strohmann war mein Vater.“
Theo reißt es jetzt zum dritten Mal. Jessica Strohmann entgeht das nicht.
„So ungläubig, wie sie jetzt, Herr Strack, schaut jeder, wenn ich sage, dass ich Strohmanns leibliche Tochter bin. Wobei böse Zungen behaupten, dass mein Vater vor meiner Zeugung sein eigenes Erbgut gentechnisch verändert haben muss. Ob er das hat, weiß ich nicht. Aber er war wirklich mein Vater, und ich habe ihn sehr geliebt.“
„Tut mir leid“ sagt Theo.
„Geschenkt.“
Theo macht eine einladende Geste.
„Bitte nehmen sie Platz. Kann ich ihnen was zu trinken anbieten?“
„Was trinken sie?“
Theo zögert.
„Eigentlich…Cardenal Mendoza.“
Theo kennt dieses Leuchten, das er jetzt kurz in Jessica Strohmanns Augen aufblitzen sieht. Schicksalskinder erkennen sich auch blind. Darum überrascht ihn ihre Antwort nicht.
„Nehme ich auch.“
Was sonst.
„Olga, bringst du mal…“
„Schon unterwegs.“
Nachdem Olga serviert hat, trinken sie.
„Auf ihren Vater“ sagt Theo.
„Cheers.“
Jessica versenkt den Brandy ohne mit der Wimper zu zucken und mit der Routine eines geübten Trinkers. Das gefällt Theo. Als sie ihm das leere Glas hinhält, freut er sich noch mehr. Das Mädel ist richtig. Sie trinken erneut. Dann fragt Theo:
„Was kann ich denn für sie tun?“
„Mit meinem Vater habe ich vorgestern zum letzten Mal gesprochen. Er hat mich angerufen und gesagt, dass er nach London kommt und mich dort treffen will.“
„Sie leben in London?“
Ein Schatten huscht über Jessicas Gesicht.
„Ich lebe seit meinem 10. Lebensjahr fast ausschließlich in England.“
In ihrer Stimme liegt plötzlich eine Spur Bitterkeit.
„Zuerst in diversen Internaten und dann, weil ich zum Arbeiten dort geblieben bin.“
„Was machen sie?“
„Model.“
Bei dem Aussehen eigentlich logisch, denkt Theo. Aber war da nicht ein komischer Unterton? Egal, darüber kann man später nachdenken. Jessica fährt fort.
„Mein Vater hat mir schon früher erzählt, dass er Probleme hat. Irgendwas mit einem neu entwickelten Medikament, für das jemand die Exklusivrechte will und ihn deswegen unter Druck setzt. Konkreter ist er nie geworden. Aber vorgestern hat er gesagt, dass die Sache mittlerweile so bedrohlich ist, dass er einen Privatdetektiv einschalten will. Zur Polizei wollte er nicht, das war ihm wegen seiner Betriebsgeheimnisse zu unsicher. Von der Polizei habe ich heute erfahren, dass er bei ihnen war und kurz vor seinem Tod noch mit ihnen telefoniert hat. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich möchte wissen, was mein Vater mit ihnen besprochen hat.“
Theo lehnt sich zurück.
„Können sie sich legitimieren?“
Jessica schaut ihn amüsiert an.
„Sie glauben nicht, dass ich Strohmanns Tochter bin, was? Kein Problem. Es hätte kein gutes Licht auf sie geworfen, wenn sie das nicht überprüft hätten.“
Sie reicht Theo einen Personalausweis. Theo wirft einen Blick darauf und nickt.
„Danke, Frau Strohmann.“
Dann fängt er an zu erzählen. Während er spricht, überlegt er fieberhaft, ob er die ihm anvertraute Festplatte erwähnen soll. Die Festplatte gehört dem Erben. Theo weiß nicht, wer Strohmann beerben wird. Er mag Jessica auch nicht fragen, weil sie es möglicherweise selber nicht weiß oder ihm sonst was erzählen kann. Ohne Erbschein keine Platte. Außerdem ist die Platte pures Dynamit. Wer sie hat, schwebt in höchster Gefahr. Damit muss man umgehen können. Nee, denkt Theo, die Platte ist im Moment besser bei mir aufgehoben. Da sag ich lieber mal nix.
Als Theo mit seinem Bericht fertig ist, starrt Jessica lange einen Punkt an der Wand an. Man merkt, wie schwer es ihr fällt, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Dann sagt sie nachdenklich: „Wenn man ihn umgebracht hat, heißt das, dass man ihn nicht mehr braucht. Weil man entweder das, was man von ihm will, jetzt hat, oder weil das, was man will, jetzt woanders ist. Oder?“
Das Mädel ist nicht nur schön und trinkfest, sondern auch klug, denkt Theo beeindruckt. Er nickt. Jessica überlegt wieder, dann erscheint ein entschlossener Ausdruck auf ihrem Gesicht.
„Herr Strack, ich möchte wissen, wer meinen Vater umgebracht hat. Ich möchte, dass sie das für mich herausfinden. Machen sie das? Geld spielt keine Rolle.“
Theo windet sich.
„Frau Strohmann, Mordermittlungen sind Sache der Polizei.“
Jessica macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Herr Strack, mein Vater wird schon gewusst haben, warum er zu ihnen und nicht zur Polizei gegangen ist. Außerdem habe ich im Netz über sie recherchiert. Sie sind der richtige Mann für diesen Job. Bitte lassen sie mich nicht hängen. Oder tun sie´s für meinen Vater. Bitte.“
Für meinen Vater…das berührt Theo irgendwie. Der alte Kobold hat in höchster Not bei ihm Hilfe gesucht. Er hat ihm seinen wertvollsten Besitz anvertraut. Soll das alles umsonst gewesen sein? Theo gibt sich einen Ruck.
„Also gut, Frau Strohmann. Unterschreiben sie draußen bei Olga den Vertrag. Ich werde mich dann in Kürze wieder bei ihnen melden.“
Jessica steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
„Danke, Herr Strack.“
Sie reicht Theo die Hand.
„Was machen sie jetzt?“
„Ich gehe zum Haus meines Vaters.“
„Zu ihrer Mutter?“
Jessicas Blick verdunkelt sich.
„Nein. Meine Mutter ist tot. Ich gehe zu meiner…Stiefmutter.“
Ihre Stimme ist kalt. Da scheint mir einiges im Busch zu sein, denkt Theo. Jessica schließt die Tür hinter sich.