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GOTT, DAS EBENBILD DER MENSCHEN

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Es gibt ein Sprachproblem, und wo Sprachprobleme sind, dort meint man, man hätte mit wirklichen Problemen zu tun.

Die Menschen sprechen ihre Sprache, nicht die Sprache Gottes, und sie können Gott nicht anders darstellen als mit ihrer Sprache, also anthropomorph. Das bedeutet, sie stellen Gott wie einen Menschen oder ähnlich dar.

Wenn man will: Nicht der Mensch ist ein Ebenbild Gottes, sondern umgekehrt, Gott wird wie ein Mensch dargestellt und abgebildet.

Deshalb gibt es ›Tage‹ der Schöpfung, und Gott ›spricht‹ und ›sieht‹, und am »siebten Tag« muss er ›ruhen‹.

Auch die Schöpfungstätigkeit ist ein Wort der Menschen, und das Wort, das Gott spricht, ist auch ein menschliches Wort. Es gibt kein Wort in diesem Text, das nicht ein Wort der Menschen wäre.

Im so genannten zweiten Schöpfungsbericht wird Gott sogar wie ein Handwerker dargestellt. Um den Menschen hinzukriegen, da bastelt und töpfert er ganz tüchtig.

Das sind Mythen, ältere Schöpfungsmythen werden hier wieder aufgenommen und verändert, wiederholt. Mythen können auch ihren Wahrheitskern haben, diesen muss man aber von der Hülle wieder frei schälen, und zum Schluss weiß man nicht, worin deren Kern besteht, ähnlich wie beim Häuten der Zwiebel.

Ist der Schöpfungstext Wort Gottes oder Menschenwort? Sind nur die Worthülsen Menschenwort? Was kommt denn von Gott?

Alles ist ja ein Glaubensbekenntnis der Menschen, alles ist also Menschenwort.

Gläubige fabulieren immer, das heißt, sie sprechen und sie erzählen Fabeln zugleich. Das ist nicht spitz oder gar despektierlich gemeint. Ich selbst liebe Fabeln, Mythen, Erzählungen, Gleichnisse sehr. Ich weiß, dass sie irgendwie auch wahr sind – ich weiß aber selten, wie. Man sagt, sie sind in einem uneigentlichen Sinn sinnvoll, oder sie sind wahr, aber – wie Kafka sagte – nur im Gleichnis.

Es ist aber doch so, dass nicht Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, sondern umgekehrt: Der Mensch hat Gott nach seinem Bild geschaffen. Nicht Gott hat einen theomorphen (gottförmigen) Menschen, der Mensch hat einen anthropomorphen (menschenförmigen) Gott geschaffen.

Gott existiert für uns nur anthropomorph, nach unserem Bild, nicht anders. Wie Gott selbst ist – wenn »er« ist –, wissen wir einfach nicht. Dass die zwei von uns angenommenen Daseinsformen Gottes – der in unserem Hirn existierende und der uns unzugängliche, in sich ruhende, seiende Gott – sich entsprechen, ist sehr unwahrscheinlich. Das Gegenteil wäre für den für uns unzugänglichen, in sich seienden Gott schade, weil zu beschränkt. Wenn Gott nur das wäre, was wir über ihn sagen und denken, wäre er ein ganz armseliger Gott. Wenn Gott nur so wäre wie sein Bild in unserem Hirn, dann wäre er noch kleiner als unser Spatzenhirn, weil wir dem Gottesbild in unserem Hirn sowieso viel zu wenig Platz zur Verfügung stellen.

Man muss sich damit abfinden: Bei der ›Offenbarung‹ sitzt Gott nicht am Diktiergerät und sagt, was der Mensch als Gotteswort abzuschreiben hat. Immerhin wäre er, wegen des Diktiergeräts – ein modernerer Gott als gemeinhin angenommen.

Früher hat man gemeint, er bzw. der Heilige Geist souff­liere dem biblischen Schreiber himmlische Worte. Ein solches Verständnis der Offenbarung hat immer der Fundierung und Begründung menschlicher Theokratien und Hierarchien gedient. Die Katholische Kirche hat darüber hinaus behauptet, dass die letztgültige Deutung der Bibeltexte nur von ihr kommen könne, weil sie allein in Glaubensfragen vom Heiligen Geist geleitet wird. So funktioniert es: Der Heilige Geist ist der Autor der Bibel, und er garantiert deren richtige Deutung durch seine direkte Beeinflussung unserer kirchlichen Führung.

Die Vereinnahmung des Heiligen Geistes hat die evangelischen Brüder zu Recht empört. Sie meinen, jeder von uns (ihnen) werde vom Heiligen Geist begleitet und geführt, jeder von uns könne die Bibel richtig interpretieren. So machen sie aber den Heiligen Geist zur Quelle jeden Widerspruchs in der Deutung der Offenbarung.

Ob es eine Offenbarung gibt, das hängt vom Glauben ab.

Um die biblischen Texte zu verstehen, brauchen wir diese Hypothese einfach nicht.

Zur anthropomorphen Rede gesellt sich die nur scheinbar naive Frage: Gott hat alles erschaffen, und wer hat Gott erschaffen? Das ist eine kindliche Frage, weil die Kinder sie ungehemmt stellen, und sie bleibt trotz allem Grinsen der Theologen nicht beantwortet.

Anders formuliert treffen sich hier zwei Grundauffassungen von Welt und Gott, die sonst – während ihrer ganzen Argumentationsstrecke – nie aufeinander treffen, ja diametral kontrastieren (so viele Fremdwörter, aber ich liebe sie, gleich weitere zwei): die transzendentale Gotteslehre und der Pantheismus.

Die Frage ist aber von einem Kurzschluss durchzogen. Wenn noch vor der Schöpfung bereits chaotische Materie vorhanden war, wer hat sie erschaffen? Und wenn beide – die chaotische Materie und der Schöpfer – vor der Schöpfung gleichzeitig existieren, wer hat beide erschaffen?

Vielleicht keiner. Dann wohnte die Ewigkeit bereits dem Chaos inne – und im Schöpfergott.

Wenn ›unser‹ Gott (ich spreche nicht von Gott in und an sich) nur durch menschliche Gedanken erschaffen und durch menschliche Worte eingekleidet ist, dann sind die vielen unterschiedlichen Gottesbilder verständlich.

Nicht Gott wählt sich ein Volk, sondern ein Volk mit seiner Kultur und Tradition wählt sich seinen eigenen Gott, beschreibt ihn und färbt ihn ein, wie es den Menschen dieses Volkes am besten gediehen ist. Dann ist es verständlich, warum ein Gott gegen den anderen kämpft, wenn die von ihnen geschützten Völker gegeneinander kämpfen. Deshalb ist es verständlich, warum jedes Volk, das gegen ein anderes in den Krieg zieht, den Schlachtruf »Gott mit uns« erschallen lässt. Der Feind tut dasselbe und meint den anderen Gott, der ihn schützt gegen den feindlichen Gott und das feindliche Volk.

Gott, Götter und Idole

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