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DER ANFANG VON ALLEM?

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Die Frage, ob Gott aus dem Nichts alles erschaffen hat, wird später wieder aufgegriffen. Hier nur soviel: In den Schöpfungserzählungen wird diese Frage weder gestellt noch beantwortet.

Der erste Satz der Bibel heißt: »Am Anfang schuf Elohim Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer.« Kann es sein, dass ein alles ins Leben rufender, durch sein Wort Vollkommenheit schaffender Elohim zu Beginn doch nur eine Erde schafft, die einem Tohuwabohu, einem Chaos gleicht? Das kann nicht sein. Nicht zu glauben, dass Elohim sich so einen Fehlstart leistete. Ein Wort von ihm hätte gereicht, um eine vollkommene Welt ins Leben zu rufen.

So sollte man den Satz nicht lesen. Den Text muss man anders lesen:

»Am Anfang schuf Elohim Himmel und Erde.«

Das ist die Überschrift zum Schöpfungsbericht, der Titel des nachfolgenden Textes. Dann kommt die Bestandsaufnahme vor Beginn der Schöpfertätigkeit, der Stand der Dinge vor der Schöpfung selbst:

»Die Erde war wüst und leer. Finsternis lag über den Abgrund, und Elohims Wind schwebte über den Wassern.«

Also vor der Schöpfung gab es – laut dieser Lesart – bereits eine ganze Menge: eine chaotische Erde, eine abgrundtiefe Finsternis und eine unförmige Wasserfläche, auf der ein Gotteswind ziellos schwebte.

Ruach Elohim ist nicht der (vor)christliche Geist Gottes oder gar der christliche Heilige Geist. Es handelt sich um ein Chaoselement: einen urgewaltigen Wind: Mittendrin im Chaos ist Elohim mit seinem Urwind präsent – als mythisches Chaoselement.

Elohim muss das Chaos beseitigen, wie all seine mythologischen Vorbilder aus der unmittelbaren Umgebung – aus Ägypten, Mesopotamien, Assur, Sumer – es ihm vorgemacht hatten.

Besser noch: Er will das Chaos ordnen. Das mythische Chaos unterscheidet sich wesentlich von einem chaotischen Kinderzimmer. Das mythische Chaos ist vorgeburtlich, es existierte vor der Schöpfung, vor der kreatürlichen Geburt durch die Götter. Das mythische Chaos ist in anderen Schöpfungsmythen etwas Monströses, Bestialisches, Undefiniertes. Die Götter waren echt herausgefordert.

Durch die Beseitigung und Strukturierung des Chaos entsteht die Schöpfung des Himmels und der Erde. ›Himmel und Erde‹ bezeichnet dabei den uns bekannten kreatürlichen, geschaffenen Kosmos.

»Und Elohim sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht.« Das war die erste Schöpfungstat am ersten Schöpfungstag: Licht in die Finsternis bringen. Also kann die Überschrift (»Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde«) bedeuten, dass ein Chaos schon da war, bevor Elohim es schaffend ordnete.

Gerade die Erschaffung des Firmaments macht den ›jüngeren‹ Schöpfungstext kulturell zum älteren Schöpfungsmythos, denn viele Schöpfungsmythen aus dem ägyptischen oder mesopotamischen Raum haben das gleiche Schöpfungsmotiv.

Beim Schöpfungswerk Jahwes kann man noch weniger von einer Schöpfung aus dem Nichts reden. Jahwe hat noch weniger als Elohim ›alles‹ erschaffen. Seine Schöpfung (Himmel und Erde) war trocken und ohne Sträucher. Jahwe beschränkte sich darauf, einen Hortus (Obst- und Gemüsegarten) zu pflanzen, nachdem er den Boden durch Regen anfeuchten ließ. Darauf wird er Adam hinstellen, gewissermaßen den Gärtner, der die Aufgabe hatte, den Boden zu bearbeiten.

Elohim und Jahwe waren nicht die einzigen Götter, die aus vorhandenen Elementen einen neuen Kosmos errichtet haben.

Gott, Götter und Idole

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