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Meine Jahre mit Emma

Einen Hund zu besitzen, war schon immer mein Traum. Dass er schließlich 2014 wahr wurde, hätte ich nie für möglich gehalten. Doch wie kam es dazu? Das Internet machte es möglich. Auf einer Geschäftsplattform entdeckte ich das Profil eines Mannes, den ich vor dreißig Jahren zum letzten Mal gesehen hatte. Binnen kurzer Zeit bahnte sich zwischen uns ein enger Kontakt an. Ein Besuch bei ihm in Berlin im Jahr 2013 sollte meine zukünftige Lebensweise stark verändern. Er stellte mir seine Hundedame Emma vor, ein Schäferhund-Labrador-Mix. Emma besaß eine respektvolle Größe, wog rund 30 Kilogramm und zeigte sich bei unserer ersten Begegnung sehr zugänglich. Die Folge: Sowohl Emma als auch ihr Herrchen eroberten mein Herz. Eine Geschichte wie aus einer Fernsehserie. Doch gleichzeitig auch eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt.

Denn mit meinem neu gewonnenen Freund entwickelte sich eine Fernbeziehung. Und Emma mitten dabei. Ein Hundeumzug von Berlin nach Rheinhessen. Das Problem von damals ist schnell beschrieben. Mein Freund ist beruflich viel in der Welt unterwegs. Daher stand er stets schweren Herzens vor der Wahl, das Tier wegzugeben oder es oft wochenlang in eine Hundepension einzubuchen. Nun überlegte ich, wie ich Emma in mein Leben integrieren könnte. Ich war bereit, Emma mit allen Verpflichtungen zu übernehmen. Ich hatte viel Glück, dass einige Parameter passten. Mein Arbeitgeber akzeptierte auf Nachfrage flexiblere Arbeitszeiten und auch meine Wohnungsnachbarn äußerten keinerlei Einwände. Und so geschah es, dass Emma von Berlin zu mir nach Rheinhessen umzog. Für ihr Herrchen war dieser Schritt eine geniale Lösung.

Emma, inzwischen zehn Jahre alt, war sehr gut erzogen, sozusagen in sich ruhend und eine Sympathieträgerin. Sie machte mir die Eingewöhnung sehr leicht und ihre Körpersprache war für mich bald gut zu verstehen. Es war erstaunlich, wie viele unterschiedliche Gesichtsausdrücke sie zeigen konnte. Manchmal herzzerreißend, dann wieder liebevoll schauend bis hin zu fordernden, auch skeptischen Blicken. Emma besaß einen sehr freundlichen Charakter Menschen und ihren Artgenossen gegenüber. Wenn andere Hunde aufdringlich wurden, ertönte zunächst ein unmissverständliches Bellen, dann wandte sie sich ab. Die Hunde in unserer Umgebung waren in der Mehrheit gut verträglich und es gab nur wenige Hunde, von denen sich Emma fernhielt. Die gemeinsamen, oft stundenlangen Spaziergänge gestalteten sich stressfrei. Aggressionen waren Emma fremd. Kinder mochte sie besonders, zumal sie als Welpe zusammen mit Kindern aufgewachsen war.

Emma muss es in Rheinhessen von Anfang an gut gefallen haben. Auch die Anpassung an das neue Frauchen, eine andere Bezugsperson, hat sie locker hingekriegt. Die Hündin veränderte offenbar ganz einfach die Rangfolge in ihrem häuslichen Rudel. Denn nach einer Eingewöhnungszeit von nur drei Monaten war sie mein Hund geworden und ich rutschte in ihrem Verhalten an die erste Stelle, ihr ehemaliger Hundehalter, der inzwischen mein Partner war, rückte auf den zweiten Platz. Damit war für sie alles geregelt und auch mit den häufigen Besuchen ihres ehemaligen Herrchens kam sie bestens klar. Etwa alle drei Wochen kam mein Partner von Berlin nach Rheinhessen. Ich packte Emma kurzerhand ins Auto, für sie eine tolle Sache, denn sie fuhr leidenschaftlich gerne Auto. Bei den Autotypen war sie wenig wählerisch. Obwohl ich nur einen kleinen Fiat fuhr und sie darin die komplette Rückbank füllte, hopste sie jedes Mal mit freudigem Schwanzwedeln aufs Polster. Irgendwann war ihr klar, dass da bald jemand ins Auto steigen würde. Als dann die Heckklappe nach oben schwang und mein Freund seinen Koffer verstaute, freute sie sich immer sehr. Ihr Rudel war wieder komplett.

Wenn jedoch nach einer Woche die Zeit des Abschieds nahte, konnten wir an ihrem Verhalten ablesen, dass sie diese Situation nicht witzig fand. Schon beim Kofferpacken kam bei Emma Unruhe auf. Ich nahm sie daher zur Verabschiedung immer wieder im Auto mit. Jedes Mal, wenn dann mein Partner das Auto verließ, legte sie sich mit beleidigter Miene auf der Rückbank ab und schmollte. Ein immer gleiches Ritual. Ich fuhr meist dann zügig nach Hause und unternahm stets gleich einen Spaziergang. Oft richtete ich mir den Tag schon vorab so ein, dass ich meinen Job von zu Hause aus erledigen und den restlichen Tag mit ihr verbringen konnte. Auf diese Weise fand Emma recht schnell wieder ihre Routine und ihren inneren Frieden. Ein Hund ist ja schließlich auch nur ein Mensch!

Bisweilen kam Emma auf schräge Ideen, insbesondere dann, wenn sie ihrer Neugierde nachgab. Vor wenigen Jahren verbrachten wir unseren Urlaub auf einem Reiterhof an der holländischen Nordseeküste. Emma genoss die langen Spaziergänge ohne Leine am Strand, fraternisierte mit allen Hunden und freute sich des Lebens.

Unmittelbar neben unserer Ferienwohnung führte ein Flur zu den Privaträumen der Vermieter. Wie verlockend! Irgendwann hatten wir Emma aus den Augen verloren. Zielstrebig entwischte sie uns durch die geöffnete Wohnungstür unserer Vermieter und nahm die Innenausstattung der noch reichlich unbekannten Räume sorgfältig in Augenschein. Ein Fehler! Denn dort residierte bereits eine recht resolute Hauskatze, allerdings alt und zahnlos. Plötzlich stürzte die Katze sich zur Verteidigung ihres Terrains auf den Eindringling der Gattung Hund und schlug ihre nicht vorhandenen Zähne in den dicken Fellhintern unserer Emma.

Geschmerzt hat sie der Katzenbiss ganz sicher nicht, aber unsere Hundedame hat doch einen gewaltigen Schreck davongetragen. Die nächsten Tage jedenfalls hielt sie von der Katze deutlichen Abstand. Der Dachtiger war ihr offenbar nicht ganz geheuer.

Emma kann im Rückblick übrigens als hoffnungslos korrupt bezeichnet werden. Wer auch immer ihr eine Scheibe Schinken oder ein Stück Fleischwurst vor die Nase hielt, war sofort ihr allerbester Freund. Auch eine gewisse Experimentierfreudigkeit bei allerlei Spezialitäten konnte man ihr nicht absprechen. Stichwort Weihnachtszeit! Irgendwann hatte ich passend zum abendlichen Fernsehgenuss in einer Glasschale leckere Schokolade auf den Couchtisch gestellt. Bisweilen naschte ich davon und bot sie auch meinem Freund an.

Der wiederum schüttelte den Kopf. „Nee, danke! Ich mach mir nichts daraus. Iss du mal!“

Ich ließ die Gebäckschale stehen. An diesem Abend verließen wir das Haus noch zu einer Veranstaltung, Emma indessen musste alleine zu Hause bleiben. Nach drei Stunden kamen wir zurück. Erst fiel es mir nicht auf, doch einige Zeit später traute ich meinen Augen nicht. Das Tellerchen mit der Schokolade war leer!

In Kürze war ich ausgesprochen sauer und nahm meinen Freund fest in den Blick: „Also, das ist ja ein dickes Ding! Mir flunkerst du vor, keine Süßigkeiten zu mögen. Aber kaum drehe ich mich um, fällst du über die Schokolade her.“

„Wie bitte? Was soll ich getan haben?“ Seine Entrüstung machte sich lautstark Luft. „Wahrscheinlich hast du zwischendurch davon genascht und hast es nur vergessen!“

In der Folge entwickelte sich ein heftiger Disput. Und als unsere Stimmen lauter wurden, zog sich Emma zurück und verkroch sich im Schlafzimmer unters Bett. Alle Versuch, sie wieder hervorzulocken, scheiterten. Da hellte sich die Miene meines Freundes plötzlich auf. Er lief ins Wohnzimmer zurück und begutachtete die gläserne Gebäckschale. „Aha, die Ordnungswidrigkeit ist aufgeklärt, jedes Leugnen ist zwecklos!“

Kein Zweifel! Unter dem Licht waren eindeutig die Spuren von Emmas Schlabberzunge zu sehen. Als weiteren Beweis der Untat hatte unsere Hündin sogar noch Pfotenabdrücke auf dem Sofa hinterlassen. Sie muss die Schokolade wirklich genossen haben! Bei allem Gelächter waren wir doch etwas besorgt um ihre Gesundheit, aber wir hatten Glück. Sie hatte die Nascherei gut überstanden, bis auf etwas Verstopfung.

Mit Emma habe ich unzählige Spaziergänge unternommen und durch ihre offene, freundliche Art unglaublich schnell Kontakt zu wildfremden Menschen bekommen. Ich erinnere mich an zahlreiche Momente im Dorf, als völlig unbekannte Menschen bei der Straßenüberquerung spontan stehen blieben und uns zuschauten oder mir zuriefen, was das für ein hübscher Hund sei.

Da passte auch eine andere Begegnung in einem Landgasthof gut ins Bild. Mein Freund und ich saßen an einem Ecktisch, unter dem sich Emma gemütlich ablegen und den Rest des Schankraums hervorragend beäugen konnte. Im Laufe des Abends nahm am Tisch gegenüber Claus Klever, ein bundesweit bekannter TV-Moderator und Journalist, mit seiner Begleitung Platz.

Als wir bezahlten und gehen wollten, stand Emma auf und stellte sich demonstrativ vor den Moderator, als ob sie ihn erkannt hätte. Claus Klever, selbst Hundebesitzer, stand mitten während des Essens auf, kam auf unsere Hündin zu, kraulte sie stürmisch und eröffnete ein Gespräch mit uns. Es war schon erstaunlich, welche Aufmerksamkeit Emma auf sich zog.

So war es dann irgendwann für mich klar, dass ich diese schöne Zeit in professionell gemachten Fotos festhalten wollte. Ich unterzog Emma einer Fellreinigung, bürstete sie und fuhr zu einer Fotografin. Das Shooting bereitete uns riesigen Spaß, zumal sich Emma anfangs grundsätzlich mit ihrem Hinterteil zur Kamera präsentierte. Doch nach einiger Zeit ließ sie sich mit einigen Tricks sehr gut in Szene setzen. Dabei sind tolle Bilder entstanden.

Emma zeigte am Abend beim Zubettgehen immer das gleiche Verhalten. Wenn sie beobachtete, dass ich ins Bad ging, blieb sie meist noch kurze Zeit auf ihrem Hundeplatz im Wohnzimmer liegen. Ertönte aber das Gesumme der elektrischen Zahnbürste, kam sie langsam angetappt, blieb einige Sekunden an der Badezimmertür stehen und drehte dann den Kopf zu mir.

„Geh schon vor, ich komme auch gleich!“

Kaum ausgesprochen, ging sie weiter und legte sich auf ihre Hundematte, die direkt auf dem Fußboden vor meinem Bett platziert war. Emma brauchte also immer eine solche Aufforderung, ohne die sie nicht aktiv wurde.

Vor dem Napf wartete sie auch häufig auf ein: „Guten Appetit!“, bevor sie sich mit großer Inbrunst über ihr Futter hermachte.

Leider stürzte Emma im September 2018 in der Wohnung so unglücklich, dass mein Freund und ich beschlossen, sie einschläfern zu lassen. Wir hatten schon etliche Monate zuvor beobachtet, dass sie sich bei jedem Spaziergang quälte, sehr unregelmäßig fraß und auch ihre inneren Organe immer öfter versagten. Wir wussten auch, dass sie Schmerzen in ihren Hüftgelenken hatte. Wir wollten die treue Seele nicht weiter leiden lassen. Für uns beide ein sehr schwerer Entschluss.

Ich erinnere mich immer wieder gerne an die bereichernde Zeit mit Emma. Alles hat seine Zeit! Noch immer werde ich beim Spaziergang auf Emma angesprochen. Ja, sie fehlt mir, sie fehlt uns! Es hat einige Zeit gedauert, bis ich verinnerlichte, dass mein Tagesablauf jetzt wieder ohne sie geplant werden kann.

Zum Abschluss meiner Geschichte sei verraten, dass mein Partner und ich nun einige Reisen planen können, auf die wir früher – Emma zuliebe! – verzichtet haben. Wer weiß, vielleicht haben wir irgendwann wieder Interesse, erneut einen Hund in unser Leben zu integrieren.

Wir sind überzeugt davon, dass alles im Leben zum richtigen Zeitpunkt geschieht. Daher können wir auch jetzt den neuen Lebensabschnitt genießen.

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