Читать книгу ... weil Hunde wahre Helden sind - Udo Ingenbrand - Страница 15
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Männerfreundschaft
Max, der Golden Retriever, war sieben Jahre alt, als er über Umwege von einem spanischen Tierheim und einer Tötungsstation nach Deutschland zu uns kam. Er war ein Traum von einem Hund. Sein Charakter ließ nichts zu wünschen übrig. Er wollte es uns immer recht machen, er war bildschön, freundlich, gehorsam, leise, kinder- und katzenlieb, nicht wählerisch im Essen. Er war uns von Anfang zugetan, kurzum, er war ein gewichtiger, 42 Kilogramm schwerer Hundeschatz. Er war ein Hund, wie es ihn nicht oft gibt. Ich hätte ein Neugeborenes zu ihm auf seine Decke gelegt. Nicht einmal seine schwierige Vergangenheit hatte seinem guten Charakter geschadet.
Unsere Nachbarn, schon sechs Jahre stolze Besitzer eines quirligen Parson-Jack-Russel-Terriers namens Franz, von Beginn seines Lebens in Wohlstand behütet lebend, sehr genau wissend, wie man seine Familie um den kleinen Finger wickeln konnte, hatte eine andere Startposition in seinem Hundeleben. Sein Charakter war ebenso gut, er biss nicht, war nicht falsch. Auch er mochte Kinder und Katzen. Er hatte nur einen Feind, das war der Briefträger, der gehörigen Respekt vor dem kleinen Hund hatte und übertriebener Weise die Post beim Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite deponierte. Mit den Nachbarn verbindet uns bis heute eine sehr freundschaftliche und vertraute Beziehung. Nachdem Max sich bei uns eingelebt hatte, beschlossen wir, dass nicht nur die Menschen in Freundschaft verbunden sein sollten, auch die Hunde sollten es sein. Mit Besuchen hin und her lernten sich die Vierbeiner kennen, respektieren, schätzen und lieben. Gemeinsam wurde beschlossen, dass eine Verbindungstür zwischen den Gärten, uns und den Hunden den Kontakt und das Besuchen erleichtern sollte. Nach vollendetem Einbau war es dann so weit. Der behäbige Max wartete auf der einen Seite, der flinke Franz auf der anderen Seite des Gartentors. Beide Ruten wedelten erwartungsvoll. Und dann wurde das Tor geöffnet!
Ohne sich eines Blickes zu würdigen, rannte Franz zu uns in die Küche, um diese nach Leckereien zu überprüfen. Max machte sich zielsicher auf zu Franz Spielsachen, um sein Lieblingsspielzeug, eine große Giraffe, zu uns in den Garten zu tragen. Abends brachte ich die Giraffe zurück, denn Franz überprüfte seine Spielsachen gewissenhaft. Ein Fehlen hätte er sofort bemerkt und um den Schlaf gebracht.
Dieses liebenswerte Spiel wiederholte sich Morgen für Morgen. Im Laufe des Tages, wenn es die jeweiligen familiären Gegebenheiten zuließen, blieb das Tor geöffnet und die Hunde konnten nach Belieben ihren Aufenthaltsort wählen. Meistens blieben sie zusammen.
Es war für Hunde und Menschen eine wundervolle Zeit, ein wundervolles Abkommen. Ein Dream-Team hatte sich nicht gesucht, aber gefunden. Eine echte Männerfreundschaft war entstanden.
Eines Tages, es war Winter und der Schnee lag für unsere geografischen Verhältnisse außerordentlich hoch, war es erforderlich, dass mein Mann und ich das Haus verlassen mussten. Da es durch die Wetterbedingungen unklar war, wann wir wieder zu Hause sein würden, baten wir die Nachbarn um Tagesasyl für unseren Max. Dieser Bitte wurde gerne entsprochen. Max’ Futter wurde abgefüllt, Halsband und Leine bereitgelegt und schon durfte er seinen Hundefreund besuchen. Den Vormittag verbrachten die Hunde in Harmonie und schlafend. Am Nachmittag, der Schneefall hatte mittlerweile aufgehört und die Sonne strahlte vom Himmel, entschloss sich die Nachbarin, mit beiden Hunden gleichzeitig einen Schneespaziergang zu machen.
Das Führen der beiden sollte nicht problematisch werden, sie waren leinenführig und krakelten nicht mit anderen Hunden. Franz trug bei schlechtem Wetter ein entsprechendes Hundemäntelchen. Max als Golden Retriever war vom lieben Gott mit ausreichend Fell ausgestattet und war daher ganzjährig unbekleidet.
Auf einem ruhigen Feldweg, zwischen Wiesen und Feldern, ließ die Nachbarin beide Hunde von der Leine. Franz lief etwas vor, er versank fast im Schnee und hatte richtig viel Spaß. Er wälzte sich von einer zur anderen Seite und genoss den Winter. Nur sein weißer Kopf war noch zu sehen. Die Nachbarin hielt sich in der Mitte auf und Max bildete die Nachhut.
Dieser blieb nach einer Weile zurück und stöberte im Schnee. Rufe ignorierte er, völlig untypisch für ihn. Dann trug er, den Kopf stolz im Nacken, die Rute wehend in der Winterluft, etwas Dunkles in seinem Maul. Die Nachbarin bekam einen Schreck, sie dachte, Max hätte eine Krähe oder einen anderen Vogel gefangen. Sie wartet und bemerkte, dass Max auf sie zukam. Er hatte sie fixiert und nichts schien ihn von seinem Weg zu ihr von seinem Vorhaben abzubringen. Er lief, als wäre er an einer Schnur gezogen. Beim Näherkommen erkannte sie, was Max im Maul trug. Es war der Wintermantel von seinem Hundefreund Franz. Max, diese treue Seele, hatte den Mantel gefunden, den Franz beim Wälzen verloren hatte.
Max, dem selten klar war, dass ihm als Retriever das Apportieren im Blut lag, konnte nicht zulassen, dass der Geruch, der ihn so intensiv an seinen Freund erinnerte, in einem weißen Grab von Schnee liegen blieb. Eine echte Männerfreundschaft eben. Die Nachbarin, ganz gerührt von so viel Feingefühl, lobte Max überschwänglich. Als ich später davon erfuhr, platze ich fast vor Stolz.
Mittlerweile gibt es das Dream-Team nicht mehr. Franz hat uns ein Jahr vor Max verlassen. In einigen Tagen jährt es sich zum fünften Mal. Franz’ letzte Ruhestätte ist direkt neben der Verbindungstür. Ein anderer Platz wäre für beide Familien nicht infrage gekommen. 13 Monate, nachdem Franz gestorben ist, ging auch Max seinen letzten Weg, nachdem er unser Leben fast sechs Jahre unendlich bereichert hatte. Er liegt auf der anderen Seite der Tür, seine Blickrichtung geht zu Franz.
Sie sind sich nach wie vor ganz nah.