Читать книгу Der erste Tag im Ruhestand - Udo Lange - Страница 11
Оглавление5 - Einsamkeit
Heute war wieder so ein Tag, an dem Klaus nicht aufstehen mochte. Er quälte sich aus seinem Bett und zog ganz vorsichtig eines der beiden Rollos hoch, um zu sehen, welches Wetter ihn erwartete. Er blickte in eine trübe Suppe. Es nieselte und vereinzelte Nebelschwaden umgaben das Haus.
Seine Liebste war vor ein paar Tagen zu ihrem Bruder gefahren, mit der Aussage, dass sie nicht wisse, wann sie wieder zurück wäre.
Klaus ging ganz langsam die Treppe runter, immer noch im Schlafanzug, um sich sein Frühstück anzurichten. Die Jalousien des Esszimmers zog er hoch und schaute auf das Vogelhaus, in dem sich diverse Vögel tummelten. Am Vorabend hatte er noch Futterknödel aufgehängt, auf denen sich jetzt Spatzen und Meisen krampfhaft festkrallten, um an das begehrte Fett und die darin eingeschlossenen Körner zu gelangen. Das Brötchen, welches er sich vorhin getoastet hatte, bestrich er mit Erdbeermarmelade und biss ein Stück ab. Irgendwie wollte ihm das Ganze heute einfach nicht schmecken und er kaute lustlos und gelangweilt darauf herum. Das Kauen vollzog sich im Schneckentempo. Plötzlich gingen die Gedanken hin und her und ihm kamen ganz wirre Vorstellungen. Was wäre, wenn seine geliebte Frau nicht mehr da wäre? Würde er dann noch leben wollen? Was, bitte in aller Welt, sollte er dann hier noch? Vegetieren? Den Einsiedler spielen? Abgehängt von der Welt leben? Ihm liefen die Tränen die Wangen herunter. Sein Versuch, sich mit etwas Positivem abzulenken, ging völlig daneben. Er haderte mit Gott und der Welt und verstand heute beide nicht mehr. Seine Verzweiflung war riesig. Alles lief ihm plötzlich aus dem Ruder bei dem Gedanken, seine geliebte Frau könne nicht zurückkehren. Sohn und Geschwister, alle weit weg. Anrufen? Das war auch nicht die Lösung. Er wollte seinen Schmerz der Verlassenheit ausleben. Aber wofür stand dieser Schmerz? Er fand die Ursache in dem Moment nicht heraus. Er ließ seinen Tränen freien Lauf, verschränkte seine Arme, legte sie auf den Esstisch, und den Kopf oben auf. Wie lange er in dieser Haltung verharrte, konnte er nicht sagen. Urplötzlich bäumte sich sein Körper auf, er saß kerzengerade und schrie:
„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“
Ihm wurde schlagartig bewusst, wie weh Einsamkeit tun konnte. Er schluchzte und weinte in einem fort.
Irgendwann hatte er das Gefühl, als hätte er ein Geräusch von der Eingangstür gehört und lauschte eine Weile. Als sich nichts regte, weinte und schluchzte er weiter. Er saß mit dem Rücken zur Tür und schaute nach draußen, so als wolle er nichts anderes mehr sehen als nur noch die Natur.
Plötzlich spürte er zwei Hände auf seinen Schultern. Die Wärme war ihm so vertraut. Dann flüsterte ihm eine weibliche Stimme von hinten ganz zärtlich ins Ohr:
„Ich habe es ohne dich nicht mehr ausgehalten.“