Читать книгу Der erste Tag im Ruhestand - Udo Lange - Страница 16
Оглавление10 - Heimat
Wo ist, und wie finde ich meine Heimat? Was ist Heimat? Ein Ort? Ein Gefühl?
Ich bin gereist, privat und auch beruflich, fand viele Orte und Landschaften wunderbar. Habe tolle Menschen kennenlernen dürfen. Aber kann ich sagen, dass dort irgendwo meine Heimat war? Bin getrieben und gehetzt durch Orte und Länder gereist. Auch war ich in meinem Geburtsort, in dem ich für zwei Jahre als Kleinkind und später als Erwachsener war. Aber Heimat?
Bin im Rheinland aufgewachsen und habe in verschiedenen Orten gelebt - oder was ich dafür hielt - und gearbeitet. Hatte gemeint, ich hätte dort Freunde gefunden. Es waren am Ende doch nur Bekannte, die mir im Leben begegnet waren und ein kleines Stückchen meines Weges mitgegangen sind. Wo waren die Menschen, die mir das Gefühl von Heimat gaben? Unsere Eltern, selbst Entwurzelte, zerrissen durch den Krieg und nun irgendwo gestrandet, ohne den Halt durch Freunde und weitere Familienangehörige. Die hatten sie nicht. Verwandtschaft aus ihrer alten Heimat, verstreut übers Land, unauffindbar im Ausland oder dahingerafft durch den Krieg. Ja, Briefe schreiben und gelegentliche Telefonate. Wie sollte ich ein Heimatgefühl entwickeln, wo war mein Zuhause? Ja, teilweise bei den Eltern, vielleicht. Ich hatte keine Ahnung.
Es wurde gearbeitet bis in die Nächte, gereist für Firmen. Ich kam nach Hause und wurde mit den Worten begrüßt: „Ach, du bist schon da?“ Kein Wort der Sehnsucht, kein Satz wie: „Ich habe dich so vermisst.“ Es ging alles seinen gewohnten, ätzenden Gang: lange arbeiten, zu Hause angekommen - „Ach, ich hatte dich so früh noch gar nicht erwartet“ - etwas gegessen, ein paar Minuten in die Glotze schauen und ab ins Bett. Das ging tagein, tagaus so. Heimat, was ist das und wo ist sie? Geborgenheit? Ein Fremdwort.
Ich fühlte mich oft wie ein Fremder in meiner eigenen Wohnung. Verbunden war ich nur durch einen Ehering, der mich täglich daran erinnerte, dass ich noch verheiratet war.
Bin dann irgendwann ausgebrochen, weil ich alles nicht mehr ertragen konnte, weggelaufen wie einer, dem man sein Zuhause gestohlen hatte. Wie sollten da Heimat oder Wohlfühlen entstehen?
Bin ausgezogen und habe in einer anderen Stadt gelebt, wo ich wieder lieben durfte und geliebt wurde, wieder das Gefühl hatte, jemand freue sich, wenn ich anwesend war. Das hatte ich Ewigkeiten nicht mehr gehabt. Aber auch das zerbrach und ich zog wieder weg in eine andere fremde Stadt. Dort traf ich eine wunderbare Frau, die ich sehr, sehr liebe.
Jetzt, nach Jahrzehnten der Suche, habe ich das Gefühl, im Heimathafen angekommen zu sein. Ich arbeite immer noch, aber ich weiß, wofür und für wen. Meine Blindheit war weg, ich wusste, warum ich etwas tat. Meine verdammte Hechelei nach … Ja, wonach eigentlich?
Frieden und Heimat habe ich sehr lange vermisst und beides gesucht, später auch gefunden. Traf eines Tages Menschen, die mich so annahmen, wie ich war, wo ich wachsen und werden durfte.
Ich unternahm eine lange Reise und fand einen ganz besonderen Ort, wo ein Tempel steht, ein wunderschöner und ein immer erhabener Anblick. Dieser ist mein Heiligtum, in dem ich endlich Frieden und Heimat fand, nämlich:
In meinem Herzen.