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1 Wie entstehen die sexuellen Orientierungen und die Geschlechtlichkeiten? 1.1 Die Ausgangslage

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Die Fragen nach dem »Wie« und »Warum« sind Fragen, die bei den verschiedensten Themen nicht nur den wissenschaftlichen Diskurs prägen, sondern die auch in privaten Gesprächen und in den Medien immer wieder auftauchen. Interessant – und für das Thema dieses Buches wichtig – ist dabei, dass diese Fragen im Allgemeinen nur bei den Themen gestellt werden, die ungewöhnlich oder fremdartig erscheinen. Bei Themen und Phänomenen hingegen, die als »selbstverständlich« betrachtet werden, tauchen Fragen nach dem »Wie« und »Warum« praktisch nicht auf.

Im Hinblick auf die Geschlechtsentwicklung und die sexuellen Orientierungen bedeutet dies, dass die Entwicklung der Cisgeschlechtlichkeit, d. h. der Nicht-Transgeschlechtlichkeit (s. u.), und der Heterosexualitäten im Allgemeinen auch im wissenschaftlichen Bereich nicht diskutiert werden. Sie werden in unserer von der Cis- und der Heteronormativität geprägten Gesellschaft als »normal« und »selbstverständlich« betrachtet, und es finden sich dazu auch keine Forschungsbefunde. Hingegen sind die davon abweichenden Entwicklungen wie die Transgeschlechtlichkeit und die Homo- und Bisexualitäten Gegenstand vieler Untersuchungen und werden zum Teil sehr kontrovers diskutiert.

Gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen liegt es nahe, sich Gedanken über die Entwicklung dieser Phänomene zu machen. In diesem Fall müssen wir jedoch das ganze Spektrum ins Auge fassen, d. h. wir müssen die Cis- ebenso wie die Transgeschlechtlichkeiten und die Homo- und Bisexualitäten ebenso wie die Heterosexualitäten berücksichtigen.

An diesem Punkt der Diskussion sehen wir uns unverhofft mit einem Problem konfrontiert: Wie erwähnt, sind zwar verschiedene Theorien und Hypothesen zur Entwicklung der Transgeschlechtlichkeit und der Homo- und Bisexualitäten entwickelt worden. Die Fragen nach dem »Wie« und »Warum« der Cisgeschlechtlichkeit und der Heterosexualitäten sind jedoch ein weißer Fleck auf der wissenschaftlichen Landkarte. Es ist deshalb notwendig, aus den uns vorliegenden Hypothesen aus verschiedenen Wissenschaftszweigen die wichtigsten und am plausibelsten erscheinenden Aspekte herauszudestillieren und auf dieser Grundlage ein mehr oder weniger konsistentes Konzept zu formulieren.

Mit dieser vorsichtigen Formulierung möchte ich darauf hinweisen, dass uns über die Entwicklung der Geschlechtlichkeit und der sexuellen Orientierungen keine wirklich verlässlichen, evidenzbasierten Befunde vorliegen. Wir bewegen uns hier lediglich auf dem Terrain von Hypothesen. Ich beziehe mich im Folgenden unter anderem auf die Konzepte von Stoller (1968), Reiche (1997), Mertens (1992) und Ermann (2019) sowie auf verschiedene eigene Publikationen (2011, 2016, 2019a, 2019b).

Sexuelle Orientierungen und Geschlechtsentwicklungen im Kindes- und Jugendalter

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