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1.2 Zur verwendeten Terminologie

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An dieser Stelle sei noch auf einige terminologische Probleme hingewiesen. In der Fachliteratur ebenso in den Stellungnahmen der LGBTIQ*-Community2 werden unterschiedliche Begriffe mit je spezifischem Bedeutungsgehalt verwendet und – mitunter vehement – abgelehnt oder verteidigt. Dies gilt beispielsweise für den Identitätsbegriff.

Es ist den Kritiker*innen zuzustimmen, die bemängeln, dass der Identitätsbegriff mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird. So weichen die Identitätskonzepte, wie sie in der Philosophie, in der Mathematik, im rechtlichen Kontext und in der Psychologie (als Ich-Identität) verwendet werden, erheblich voneinander ab (Benedetti & Wiesmann, 1986). Zudem ist die Identität auch im psychologischen Bereich keine klar umrissene Persönlichkeitseigenschaft, zumal sie von verschiedenen Autor*innen unterschiedlich definiert wird. Sie weist vielmehr einen prozesshaften Charakter auf und kann aus diesem Grund weniger eindeutig beschrieben werden.

Eine Konsequenz dieser zum Teil erheblich voneinander abweichenden Bedeutungen des Identitätsbegriffs ist, dass die interdisziplinäre Kommunikation darunter leidet. Ein aktuelles politisches Beispiel ist der – bedauerliche – Entscheid des Schweizer Bundesrats (aus dem Jahr 2019), Menschen mit Transgeschlechtlichkeit nicht in das neue Antidiskriminierungsgesetz aufzunehmen, da es bei ihnen um die Identität gehe, die aber nicht eindeutig definierbar sei.

Im Vorwort der Publikation einer interdisziplinären Ringvorlesung an der Universität Basel zum Thema Identität unterscheidet Benedetti (1986, S. 7) bei der Ich-Identität eine vertikale und eine horizontale Linie.

»Auf der vertikalen Linie findet Ich-Identität als Integration von entwicklungsbedingten Ich-Zuständen statt, die im unbewussten und bewussten Gefühl des Selbst, des Person-Seins verdichtet werden und manchmal in herausfordernden lebensgeschichtlichen Momenten in die helle Erkenntnis münden: ›Das bin ich!’ ›Das will ich sein!’«

Auf der horizontalen Linie der Ich-Identität werden »verschiedene, auch gleichzeitige soziale Rollen im einheitlichen Selbstgefühl und im Bild, das die Sozietät von uns entwirft, integriert. Diese horizontale Linie verbürgt die Befriedigung der Ansprüche verschiedener Rollen, in denen die Person sich erfüllt« (Benedetti, 1986, S. 7).

Einen wesentlichen Beitrag in der psychologischen Auseinandersetzung mit der Ich-Identität hat Erikson (1966) geleistet. Für Erikson bedeutet die sich in Stufen lebenslang entwickelnde Ich-Identität, sich einem Kollektiv zugehörig zu fühlen und sich dabei zugleich als einmaliges Individuum zu wissen. Es ist das, was Kohut (1973) als »Selbst« bezeichnet hat, als Kern unserer Persönlichkeit, der durch die Interaktion zwischen Eltern und Kind geformt wird. In einem ähnlichen Sinne spricht Mead (1968) davon, dass die Bildung der Identität von den sozialen Interaktionen über Sprache und andere Mittel der Kommunikation abhängt.

Wie diese Umschreibungen der Ich-Identität zeigen, besteht trotz etlicher Divergenzen zwischen den verschiedenen Sichtweisen der Autor*innen insofern doch Einigkeit, dass die von Benedetti (1986) beschriebene vertikale (psychologische) und die horizontale (soziale) Dimension in enger Wechselwirkung miteinander stehen. Die eine ist ohne die andere nicht denkbar.

Das Resultat dieser Interaktion ist die Ich-Identität, in der sich die verschiedenen Facetten der Persönlichkeit zu einer Ganzheit zusammenfügen und dem Individuum trotz aller Veränderungen im Verlauf des Lebens das Gefühl der Kohärenz und Konsistenz in Bezug auf die eigene Person vermitteln. Bei der Entstehung der Ich-Identität ist die erwähnte Wechselwirkung zwischen dem Individuum und seinen Bezugspersonen von zentraler Bedeutung. Es ist das dialogische Prinzip, das der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber (1936) mit dem Hinweis umschrieben hat, dass wir am Du zum Ich werden.

Kritik am Identitätsbegriff ist von verschiedenen Seiten formuliert worden. Es sind vor allem Autor*innen, die eine somatische Ätiologie der Entwicklung von cis, trans und anderen Formen der Geschlechtlichkeit postulieren. Nach ihrer Ansicht ist der Begriff »Identität« zu schwammig, ihm fehle die Evidenzbasierung, und er ist ihnen zu stark mit Pathologiekonzepten assoziiert. Zu dieser negativen Konnotation hat wesentlich die ICD-Formulierung »Störungen der Geschlechtsidentität« mit der darunter subsumierten Diagnose »Transsexualismus« beigetragen. Kritische Äußerungen dieser Art kommen zum Teil auch aus der LGBTIQ*-Community.

Aus diesem Grund ist der Transsexualismus aus neurowissenschaftlicher Perspektive als eine Form hirngeschlechtlicher Intersexualität, als »neurointersexuelle Körperdiskrepanz« (Diamond, 2006, 2016; Haupt, 2016), beschrieben worden. In einer neueren Arbeit hat Haupt (2019) diese Auffassung weiter differenziert und sich von der Bezeichnung der Neurointersexualität distanziert. Die Autorin verwendet nun den allgemeineren Begriff der »Geschlechtsentwicklung«, wobei sie vier Varianten unterscheidet:

• (überwiegend) männliche Varianten (frühere Begriffe: Transmänner, Frau-zu-Mann, transsexuelle Männer, männliche Transgender usw.),

• (überwiegend) weibliche Varianten (frühere Begriffe: Transfrauen, Mann-zu-Frau, transsexuelle Frauen, weibliche Transgender usw.),

• alternierende Varianten (frühere Begriffe: Bigender, Gender fluid, partiell Cross Dresser usw.),

• gemischt-manifeste Varianten (Früherer Begriff: non binär).

Mit diesem Konzept möchte die Autorin die bisher weit verbreiteten Pathologiekonzepte vermeiden und an die für die Betreffenden selbst relevante subjektive Phänomenologie anknüpfen. Der Vorteil des Begriffs der »Geschlechtsentwicklung« ist, dass er sich außerhalb der Pathologiekonzepte bewegt.

Bei der Arbeit an diesem Buch war ich zur Überzeugung gekommen, es sei günstig, diesen vorurteilsfreien Begriff der »Varianten der Geschlechtsentwicklung« zu übernehmen. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich nun aber doch entschlossen, diesen Begriff nicht zu verwenden, da er schon für ein anderes Phänomen, nämlich für Menschen mit Intergeschlechtlichkeit, vergeben ist (Deutsche Gesellschaft für Urologie, 2016). Ihn hier in einem anderen Sinne zu verwenden, würde unweigerlich zu Konfusionen geführt haben.

Auf der Suche nach einem anderen Begriff, der möglichst vorurteilsfrei ist und sowohl die körperliche als auch die psychische Dimension berücksichtigt, bin ich auf den Begriff der »Transgeschlechtlichkeit« gestoßen, der immer wieder in der Diskussion um »Transsexualismus«, »Transgender«, »Transidentität«, »genderqueer« etc. auftaucht. Ich werde ihn deshalb in diesem Buch verwenden, weil er mir am besten geeignet erscheint, darauf hinzuweisen, dass das Phänomen »Trans« die Person als Ganze, körperlich wie psychisch, betrifft.

Gleichwohl werde ich in diesem Buch neben dem Begriff der Transgeschlechtlichkeit auch den der Identität verwenden. Im Sinne der erwähnten körperlich-seelischen Ganzheit stellen diese Begriffe für mich keinen Widerspruch dar. Vielmehr betrachte ich sie als zwei Aspekte desselben Phänomens, wobei einmal die psychologische Ebene (Identität) und einmal die somatische Ebene (Geschlechtlichkeit) thematisiert wird.

Wie meine Ausführungen über die verschiedenen Konzepte der Identität gezeigt haben, ist auch dieser Begriff, ebenso wie der der Transgeschlechtlichkeit, im Grunde wertfrei und nicht vorurteilsbeladen. Er hat seine negative Konnotation erst durch die ICD-Diagnose der »Störung der Geschlechtsidentität« (F 64.0) erhalten. Im Folgenden verwende ich »Identität« hingegen im Sinne der zitierten psychologischen Autor*innen, die von der Ich-Identität sprechen, die den Kern unserer Persönlichkeit, das Selbst, bildet und zu Kohärenz und Konsistenz der Persönlichkeit führt.

Sexuelle Orientierungen und Geschlechtsentwicklungen im Kindes- und Jugendalter

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