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Vorwort

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An einem Tag im September des Jahres 2009 hatte ich endgültig genug, ich sah und erlebte bis dahin genug Willkür, genug schreiende Inkompetenz, zu viel Gleichgültigkeit und zu viele Ungerechtigkeiten, die u. a. im Gewand von sog. Arbeitsmarktreformen (Hartz-Reformen) daher kamen und die nun auch mir als Erwerbslosen und Arbeitnehmer die Hölle heiß machten. Und so fasste ich an jenem Septembertag ebenso endgültig den Entschluss dieses Buch zu schreiben, u. a. über die o. g. Widrigkeiten, über die ihnen zugrunde liegenden neoliberalen Reformen, über deren Ursachen und Beweggründe und darüber, wer von ihnen profitiert und wer unter ihnen zu leiden hat.

Die genannten Hartz-Reformen entsprechen den Auswüchsen eines für manche vermeintlich solitären Busches, der da isoliert im Dünensand (den man uns in die Augen streut) zu stehen scheint, separiert von anderen scheinbar eigenständigen Gewächsen, deren Namen Rentenreformen, Gesundheitsreformen, Steuerreformen oder Pflegeversicherungsreformen usw. lauten. Schaut man jedoch genauer hin, gräbt man tiefer in den Dünensand hinein, so zeigt sich bald, dass diese Auswüchse und Büsche miteinander verbunden sind, sie nur Äste und Zweige eines einzigen großen und mächtigen Baumes sind, dass sie also allesamt einen gemeinsamen Ursprung haben. So folgen die genannten Reformen ebenso nur einer bestimmten Politik, die weitgehend durch den Neoliberalismus bzw. durch die Wettbewerbsinteressen einer sehr dünnen (Ober?)schicht geprägt werden, und dies zum nachhaltigen Schaden der weitaus meisten Menschen, des Gemeinwesens, der Umwelt, des Lebens schlechthin.

Bei der Ansprache der sehr umfangreichen Reformen der letzten drei Jahrzehnte in Deutschland sah ich mich gezwungen Prioritäten zu setzen, wodurch in exemplarischer Weise vor allem die Reformen des Arbeitsmarktes und der staatlichen Rentenversicherung eingehender betrachtet wurden. Nicht zuletzt gaben vor allem die weitreichenden Erfahrungen des Autors mit den Arbeitsmarktreformen und ihre zentrale Bedeutung für die gesamte Gesellschaft den Ausschlag für diese Vorgehensweise.

Der Reformeifer, der bereits zu Beginn der 1980er Jahre (Kohl’sche Wende) in Deutschland einzog und später mit der Agenda 2010 noch einmal rasant an Fahrt aufnahm, erschien dem Autor damals zumeist nur als übertriebenes Geplärre und Gejammer, und häufig als völlig irrational – volkswirtschaftlich betrachtet. So wurde immer wieder eine angebliche, generelle Wettbewerbsschwäche „der“ deutschen Wirtschaft gebetsmühlenartig propagiert, und dies jedoch angesichts der gleichzeitigen Exportweltmeisterschaft „Deutschlands“, mit Abstand über die meisten Jahre der vergangenen Jahrzehnte hinweg. Da musste sich der Autor irgendwann fragen, wie dies nur zusammen passen kann, dieses Gejammer des Großen Geldes und seine außerordentlichen Exporterfolge. Es sollte sich zeigen, dass da in der Tat etwas zusammenpasst, was auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen schien, was letztendlich aber in der buchstäblich grenzen- und rücksichtslosen, globalen Gier großer Konzerne und Banken, der Global Player, seine Begründung findet. Den riesigen deutschen Konzernen und Banken, denen der deutsche Binnenmarkt zum Absatz ihrer Waren und Dienstleistungen längst zu klein geworden ist – auch aufgrund seiner andauernden Nachfrageschwäche – suchen nach immer neuen Absatzmöglichkeiten auf dem ungleich größeren und rasant wachsenden Weltmarkt, weshalb ihnen ihre Wettbewerbsfähigkeit bzw. die Protegierung der angebotsorientierten Kräfte im eigenen Land erheblich näher am Herzen liegt, als die gesunde und nachhaltige Entwicklung der heimischen Volkswirtschaft.

Und noch etwas wurde deutlicher sichtbar: Es gibt nicht die deutsche Wirtschaft, sondern völlig verschiedene Branchen und Wirtschaftsverbände, neben dem Big Business die klein- und mittelständische Wirtschaft, mit ihren unterschiedlichen Interessen bei sehr ungleicher Machtfülle, mit der Politik und Gesellschaft entsprechend gelenkt werden. So sind es folgerichtig die wenigen ganz Großen, die sich mit ihrem Gewicht und ihren best dotierten Lobbyisten am nachhaltigsten durchsetzen und der Politik die Marschrichtung vorgeben, soweit es der Souverän zulässt. Leider lässt Letzterer dies gegenwärtig tatsächlich weitgehend zu, bis er seine Souveränität womöglich schon bald weitgehend einbüßt und über nichts mehr zu befinden hat, weil andere „für“ ihn bzw. über ihn hinweg entscheiden.

Um Darlegungen und Thesen zu belegen, und Erkenntnisse gewinnen zu können griff ich auf zahlreiche Statistiken zurück, die u. a. in den ebenso zahlreichen Diagrammen und Tabellen dieses Buches ihren Niederschlag fanden. Hinlänglich ist bekannt wie argwöhnisch Statistiken häufig betrachtet werden, oder aber möchte man ihre Aussagen nicht wahr haben, passen sie nicht in das eigene Weltbild. Jedoch ist in der Tat vielen Statistiken zu misstrauen, vor allem berühren sie die wirtschaftlichen und politischen Interessen einflussreicher Kreise bzw. wurden sie im Interesse dieser erstellt. Hier ist die Versuchung wohl besonders groß, Statistiken zu manipulieren, um die öffentliche Meinung in die gewünschte Richtung zu lenken. Als Autor dieses Buches lag es mir jedoch weitgehend fern, Statistiken zu manipulieren, nur um evtl. meine Sichtweise der Welt gegen besseres Wissen rechtfertigen zu können, mir also selbst und anderen etwas vormachen zu können, was letztendlich meinem Selbstverständnis, auch als Wissenschaftler, der also Wissen schaffen sollte und nicht Lügengespinste, zuwiderlaufen würde. Dementsprechend bemühte ich mich nach bestem Wissen und Gewissen Statistiken auszuwerten und zu erstellen, wobei ich mich jedoch auf die seriöse und qualifizierte Erhebung der vorgefundenen Daten verlassen musste, wie alle anderen Nutzer auch. So sehe ich die argumentative Durchschlagskraft dieses Buches nur dann gegeben, wurde von den verwendeten und erstellten Statistiken bzw. Daten seriöser Gebrauch gemacht. Meine Argumentationen und Darstellungen stützte ich z. g. T. auf Erhebungen u. a. des Statischen Bundesamtes, der statistischen Landesämter, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Bundesagentur für Arbeit (BA) oder auf Erhebungen von wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituten, wie u. a. des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Hierbei erwies sich neben der klassischen Recherche in Printmedien das Internet als äußerst hilfreich, durch welches es mir überhaupt erst ermöglicht wurde dieses Buch in seinem Umfang in vertretbarer Zeit niederzuschreiben. Die Anführung der Quellen aus dem Internet und aus Tageszeitungen musste sich aufgrund ihrer sehr hohen Zahl i. d. R. auf deren hinreichende Kennzeichnung im Text beschränken.

Die eben genannten Institutionen stehen wohl kaum in dem Verdacht einseitig Partei für die Arbeitnehmerschaft ergreifen zu wollen. Dies, und die Notwendigkeit in Ermangelung von Alternativen auf deren Daten zurückgreifen zu müssen, stellt die Untermauerung meiner Darlegungen mit Hilfe eben dieser Daten auf ein umso solideres Fundament.

Mit dem eingangs genannten Septembertag im Jahr 2009, an dem dieses Buch gewissermaßen geboren wurde, soll es auch beginnen. So möchte ich mit dem ersten Kapitel als Einstimmung dem/der Leser/in zunächst einen Einblick in die typischen Alltagssituationen von Erwerbslosen und Erwerbstätigen unter dem Joch der Hartz-Gesetze ermöglichen, wobei z. gr. T. eigene Erlebnisse in erzählender Weise geschildert werden, neben Betrachtungen und Analysen von außen (u. a. wissenschaftliche Expertisen). In den übrigen vier Kapiteln folgen sodann ökonomische und geschichtliche Betrachtungen und Untersuchungen, die klären wollen wer Gewinner und Verlierer der neoliberalen Reformpolitik sind und warum.

Zu der vorliegenden Ausgabe als E-Book noch eine Anmerkung: Aus technischen Gründen ist es in diesem Fall leider nicht möglich Fußnoten darzustellen, weshalb die betreffenden Passagen im Text gekennzeichnet werden mussten. Ebenso musste auf die Umrahmung von sog. Kästen verzichtet werden, in denen bestimmte Themen gesondert besprochen werden. Ersatzweise wurde zu deren Hervorhebung der Zeilenabstand auf „1“ reduziert.

Ich danke recht herzlich allen, die mir mit Rat und Tat bei der Niederschrift dieses Buches zur Seite standen.

Berlin im Sommer 2015

Udo Schenck

Der große Reformbetrug

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