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2. Kapitel Europäisierung des StrafrechtsI. Einführung › 1. EU-Kompetenzen und Strafrecht

1. EU-Kompetenzen und Strafrecht

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Nach Art. 5 Abs. 1, 2 EUV gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.[1] Das bedeutet, dass der Europäischen Union nur in den ausdrücklich im Primärrecht genannten Bereichen Kompetenzen zur Rechtsetzung zustehen und ihr insoweit keine Kompetenz-Kompetenz zukommt. Dabei handelt es sich typischerweise nicht um die Kompetenz zur Strafgesetzgebung, sondern vornehmlich um die Befugnis, Rechtsakte zur unmittelbaren Umsetzung der Unionspolitiken zu erlassen.

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Nur in engen Bereichen bestehen Kompetenzen zur Setzung supranationalen materiellen Strafrechts.[2] Dies gilt insb. für die Bekämpfung des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union nach Art. 325 AEUV. Unter der Überschrift Betrugsbekämpfung heißt es in Absatz 4, das europäische Parlament und der Rat beschließen zur Gewährleistung eines effektiven und gleichwertigen Schutzes in den Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten. Hierbei ist der Begriff des Betruges weit zu verstehen; er erfasst sowohl die Ausgabenseite (insb. den Subventionsbetrug) als auch die Einnahmenseite (Steuerhinterziehung).[3] In diesem Bereich billigt die h.M. der Europäischen Union eine weitreichende Kompetenz zu, eigenständig strafrechtliche Regeln auf Unionsebene zu setzen.[4]

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Darüber hinaus können das Europäische Parlament und der Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien zwar nicht selbst Strafvorschriften setzen, aber doch Mindestvorschriften vorgeben, mit denen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität Straftaten und Strafen festgelegt werden.[5] Voraussetzung ist, dass diese Kriminalitätsformen aufgrund der Art der Auswirkung der Taten oder der besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen rechtlichen Grundlage zu bekämpfen, eine europäische Dimension haben. Soweit es den wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich betrifft, nennt Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV als Beispiele die Geldwäsche, die Korruption, die Computerkriminalität und die organisierte Kriminalität.[6]

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Für das materielle Strafrecht wird weiterhin allgemein von einer Annexkompetenz der Europäischen Union ausgegangen. Art. 83 Abs. 2 AEUV weist der Union das Recht zu, Mindestvorschriften – wie nach Art. 83 Abs. 1 AEUV – auch zur Angleichung strafrechtlicher nationaler Rechtsvorschriften zu setzen, soweit sich dies als unerlässlich für die wirksame Durchführung der Politik der Union auf einem Gebiet erweist, auf dem die Europäische Union bereits Harmonisierungen durchgeführt hat. Durch Richtlinien können hier Mindestvorschriften für die Festlegung von Straftaten und Strafen auf dem betreffenden Gebiet vorgegeben werden. Diese Annexkompetenz berechtigt die Europäische Union – unter dem Vorbehalt der besonderen Subsidiarität (Unerlässlichkeit) – damit zur Festlegung von Tatbestands- und Rechtsfolgevorgaben im Bereich des Strafrechts.[7]

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In Art. 83 Abs. 3 AEUV findet sich jedoch die sogenannte „Notbremsenfunktion“.[8] Danach kann ein Mitglied des Rates, das zu der Auffassung gelangt, der Entwurf einer Richtlinie zur Festsetzung von Mindestvorgaben der Straftaten und Strafen würde „grundlegende Aspekte seiner Strafrechtsordnung berühren“, eine Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens verlangen und letztlich die verbindliche Festlegung von Mindestvorgaben zum Scheitern bringen.

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Darüber hinaus ist die Europäische Union im Bereich des Strafverfahrensrechts berechtigt, Mindestvorschriften für die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit zu setzen.[9] Dies ergibt sich aus Art. 82 Abs. 2 AEUV. Danach sind das Europäische Parlament und der Rat ausdrücklich befugt, im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen zu erlassen, um die Regeln und Verfahren über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen in der Union sicherzustellen, Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern und beizulegen sowie die Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden im Rahmen der Strafverfolgung des Vollzugs und der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern. Dabei betreffen die Vorschriften, die hier erlassen werden sollen, insb. die Zulässigkeit von Beweismitteln, die Rechte des Einzelnen im Strafverfahren und die Rechte der Opfer von Straftaten. Auch hier (Art. 82 Abs. 2 AEUV) ist eine Notbremse geregelt.[10]

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