Читать книгу Fiskalstrafrecht - Udo Wackernagel, Axel Nordemann, Jurgen Brauer - Страница 27

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2. Kapitel Europäisierung des StrafrechtsI. Einführung › 2. Unionstreue als „Motor der Harmonisierung“

2. Unionstreue als „Motor der Harmonisierung“

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In vielen Bereichen verpflichtet das Unionsrecht die Mitgliedstaaten zur Ausweitung nationaler Strafvorschriften, um zum einen europäische Interessen und Rechtsgüter der Europäischen Union zu schützen und zum anderen die Durchführung der Unionspolitiken, insb. die Schaffung eines funktionsfähigen europäischen Binnenmarktes abzusichern. Gestützt wird dieser Anspruch der Union auf Umsetzung dieser Ziele durch die Mitgliedstaaten auf den Grundsatz der Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 EUV.[1] Die Unionstreue zwingt die Mitgliedstaaten dazu, grundsätzlich in eigener Initiative zum Schutz der Rechtsgüter und Interessen der Europäischen Union, insb. ihrer finanziellen Interessen, tätig zu werden. Subsidiär kann die Europäische Union in wenigen ausgewählten Bereichen selbst Strafrecht setzen, wenn das nationale Strafrecht der Mitgliedstaaten keinen effektiven und gleichwertigen Schutz zu gewährleisten vermag.

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Eine für das Fiskalstrafrecht besonders wichtige Ausprägung hat dieser Grundsatz in Art. 325 AEUV gefunden. Diese Vorschrift basiert im Wesentlichen auf der grundlegenden Entscheidung des EuGH in Sachen „Griechischer Mais“.[2] Hier hat der EuGH deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten zum einen verpflichtet sind, die finanziellen Interessen der Europäischen Union mit wirksamen, abschreckenden und angemessenen Maßnahmen zu schützen und dabei, soweit notwendig, auch auf kriminalstrafrechtliche Maßnahmen zurückzugreifen (Mindesttrias).[3] Zum anderen haben die Mitgliedstaaten die Interessen der Europäischen Union in mindestens genauso effektiver Weise zu schützen wie die eigenen Interessen (Gleichstellungserfordernis).[4]

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Darüber hinaus verpflichtet Art. 325 Abs. 3 AEUV die Mitgliedstaaten dazu, ihre Tätigkeiten zum Schutz der finanziellen Interessen der Union vor Betrügereien zu koordinieren.[5] In Art. 325 Abs. 4 AEUV wird dem Europäischen Parlament und dem Rat die bereits erwähnte Kompetenz zugesprochen, zur Gewährleistung eines effektiven gleichwertigen Schutzes der finanziellen Interessen der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten supranationales Strafrecht zu setzen. Auf diese Kompetenz kann zurückgegriffen werden, wenn die Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Unionstreue durch effektive Rechtsetzung nicht oder nicht hinreichend nachkommen.[6] Dabei zwingt die Harmonisierung die Mitgliedstaaten nicht nur im Bereich der Betrugsbekämpfung zur Strafrechtsetzung, sondern auch in allen anderen Bereichen, in denen die Unionspolitiken und Interessen des gemeinsamen Marktes, die Gegenstand des Unionsrechts sind, ohne strafrechtliche Sanktionen nicht durchgesetzt werden können. Zu nennen ist hier beispielsweise der Schutz der Unionsmarke durch nationales Markenstrafrecht, der Schutz des Verbrauchers vor unsicheren Lebensmitteln durch nationales Lebensmittelstrafrecht oder die Vorgaben zum Schutz der finanziellen Interessen der EU.[7]

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Um sich nicht von außen Strafrecht aufoktroyieren zu lassen, muss der mitgliedstaatliche Gesetzgeber daher handeln. Aufgrund dieser Mechanismen, die die nationale Strafgesetzgebung antreiben, ist die Bezeichnung der Pflicht zur Unionstreue als Motor der Harmonisierung zutreffend. Die Wahrung der Unionstreue und damit der Funktionsfähigkeit des Harmonisierungsmotors wird durch die Sanktionsmöglichkeit des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 ff. AEUV abgesichert. Mit diesem Mittel können die Mitgliedstaaten in begrenztem Rahmen zur aktiven Beteiligung an der Europäisierung des Strafrechts angehalten werden. Zu bedenken ist jedoch bei jeder Ausübung unionsrechtlicher Normgebungskompetenzen stets die Grenze durch den Subsidiaritätsgrundsatz[8] (Art. 5 Abs. 3 EUV). Die Union darf von ihren Kompetenzen nur soweit Gebrauch machen, wie dies zur Durchsetzung der Harmonisierung unerlässlich ist.

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