Читать книгу Der Tatzelwurm - Ulrich Magin - Страница 15
Nur vereinzelte Sichtungen: die anderen Alpenländer
ОглавлениеVereinzelt findet man Berichte auch aus den anderen Alpenländern. 1654 soll ein Gämsenjäger im französischen Jura auf einen mit Schuppen bedeckten Drachen mit dem Schwanz und Kopf einer Schlange oder eines Pferdes sowie vier 30 Zentimeter langen Beinen gestoßen sein.80 Die ersten Südtiroler Berichte datieren um das Jahr 1780. Der 1925 im Alter von 97 Jahren verstorbene Johann Gluderer erzählte den Leuten,
„daß sein Großvater, als er im Martelltale Schafe hütete, des öftern eine ‚Steinkatze‘ nicht bloß flüchtig gesehen, sondern auch genau beobachtet habe. Das Tier war von schmutziggrauer Farbe und hätte neben der Größe auch die Gestalt einer Katze gehabt, wenn nicht die Schnauze etwas verlängert gewesen wäre und der Schwanz eine flache Spitze gehabt hätte. Vorn waren zwei Tatzen sichtbar, die, wie die in die feuchte Erde eingedrückte Fährte zeigte, mit Krallen bewehrt waren. Mit Hilfe dieser Krallen konnte das Tier auch über Felsen klettern. Ging es langsam, bediente es sich nur dieser zwei Tatzen, und schleifte den Hinterleib nach. Beim Verfolgen einer Beute aber, sowie bei der Flucht bewegte es sich sprungweise, indem es den Rücken krümmte und sich so weiter schnellte. Bergab zog es die mehr seitlich stehenden Tatzen ein und schoß, den Boden kaum berührend, wie ein Pfeil dahin. Einmal sah unser Hirt, wie es einem jungen Hasen nachsetzte, ihn ergriff und damit im Gebüsch verschwand. Das Tier muß über sehr feine Sinnesorgane verfügt haben, denn trotzdem es nicht gerade scheu war, gelang es nie unbemerkt an dasselbe heranzukommen.“81
Das sind, man wundert sich, recht viele und sehr präzise Details aus dritter Hand! Bereits acht Jahre zuvor soll auf der Tarscher Alm ein Drache erlegt worden sein.82
Will man nun die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vorherrschenden Merkmale des Tatzelwurms – so wie er sich bisher vor allem in der Schweiz, in Österreich und in nur wenigen anderen Alpengebieten gezeigt hat – zusammenfassen, so ist dieses Alpenphantom ein großes und ungewöhnliches, echsen- oder schlangenartiges Tier mit dem Kopf einer Katze oder eines Reptils und einer schwer zu bestimmenden, weil stetig anders geschilderten Zahl von Beinen. Es kann erschlagen werden, verfault aber rasch, es ist in jedem Fall giftig, trägt zuweilen eine Mähne oder einen Kamm, es pfeift und melkt die Kühe leer.