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Erste Beweise?
ОглавлениеVon Drachenbegegnungen, die bereits als Augenzeugenberichte überliefert wurden, sollen ein Stein und ein Ei stammen, die beide als Beweis für die entsprechende Erzählung dienen: Der Stein wurde in der Schweiz, nämlich in Luzern gefunden, das Ei stammt aus der Gegend um Madonna di Campiglio im heutigen Trentino (Italien).
Der Luzerner Drachenstein fiel im Sommer 1421 vom Himmel, die Primärquelle ist der Schweizer Geschichtsschreiber Johann Leopold Cysat, Neffe von Renward Cysat, der in seiner 1611 erschienenen „Beschreibung dess Berühmbten Lucerner= oder 4. Waldstätten Sees“ darüber schreibt. Um die Besitzrechte an dem Stein war 1509 ein Rechtsstreit zwischen dem Wundarzt Martin Schryber und dem Vorbesitzer des Steins Rudi Stempflin aus Rotenburg entbrannt. Stempflin war ein Nachkomme des Finders, er hatte dem Arzt den Stein als Pfand gegeben, und dieser wollte ihn nicht wieder herausrücken.
Der Finder, der Bauer Stempflin, mähte sein Feld in der Gegend von Rothenburg bei Luzern, als er plötzlich einen Drachen über sich sah, der vom Rigi nach dem Pilatusberg flog. Stempflin fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, fand er einen Klumpen geronnenes Blut und darin den Drachenstein. Das Dokument der Auseinandersetzung überliefert den Bericht des Bauern:
Im Sommer 1421 verlor ein Drache einen Stein, als er Luzern überflog. Um den Stein wurde später prozessiert. Stich nach Johann Leopold Cysat, 1661.
„Er habe auch von synen Vorderen gehört, daß sein Aeni [Großvater] diesen Stein funden hab, in einer Matten, als er gehewet hab, sye ein grausamer Drach kommen, in dem Luft schiessen, zu nechst bei ihme hin, von einem Berg genannt Rigi, in den andern Berg Frakmont, und ihm so nahend, von der Höhi herab kommen, daß ihm geschwunden und in Ohnmacht gelegen.
Als er aufstunde, funde er eine Schwäre Bluts, so von dem Drachen gesprützt war, daselbig Blut wäre zu stund an gestanden, als eine Sulz, in demselbigen Blut sye dieser Stein gelegen und funden worden, also sye der Stein […] in seinem Geschlecht geblieben, und sither, etlich Herren und Stätt, disen Stein wollen kaufen, aber seine Vorderen haben ihn nie wolle verkauften.“25
Den fliegenden Drachen bildete Cysat in einem Stich als langhalsiges, feuerspeiendes Monstrum mit Vogelschwingen, Löwentatzen und Krokodilschwanz ab. Der Aberglaube, dass sich im Kopf von Drachen und Schlangen besondere Steine oder Kristalle befänden, die Ruhm, Reichtum und Glück versprachen, war sicherlich der Grund dafür, dass die beiden vor Gericht zogen. Was aber war der Drachenstein? Fiel er vom Himmel oder wurde die Rahmengeschichte vom Drachen nur erfunden, um seinen Wert zu steigern? Wie so oft bei diesen jahrhundertealten Geschichten ist eine eindeutige Erklärung unmöglich: Man fand besondere Steine am Boden und hielt sie für Absonderungen von fliegenden, feuerspeienden Ungeheuern. Peter zu Käß, der Rat zu Luzern und Vogt zu Rothenburg, stellte 1509 jedenfalls fest, dass der Drachenstein heilsame Wirkung aufwies: Seit 30 Jahren