Читать книгу Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften - Ulrich Wackerbarth - Страница 112
d) Abfindungsanspruch oder Haftung für einen Fehlbetrag (§§ 738, 739 BGB)
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Ob der Ausgeschiedene einen Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme als Abfindung gegen die Gesellschaft erworben hat oder die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch auf anteilige Zahlung eines Fehlbetrages, ergibt sich aus der zu erstellenden Abschichtungsbilanz.
Der aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausscheidende Gesellschafter ist gem. § 738 BGB grundsätzlich nach dem tatsächlichen Wert seines Anteils an der Gesellschaft abzufinden. Er erwirbt einen dementsprechenden Anspruch gegen die Gesellschaft. Sein Anteil am Gesellschaftsvermögen wächst den übrigen Gesellschaftern zu. Der Abfindungsanspruch des Ausgeschiedenen bemisst sich nach der Höhe des ihm im Falle der Liquidation zustehenden Auseinandersetzungsguthabens, das sich nach §§ 733, 734 BGB aus der Rückerstattung der Einlagen und dem entsprechenden Anteil des Überschusses zusammensetzt.
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Die Regelungen der §§ 738 bis 740 BGB gelten grundsätzlich für alle Personengesellschaften, also auch für die OHG (§ 105 Abs. 3 HGB) und die KG (§ 161 Abs. 2 HGB), da das HGB keine Sonderregelungen für die Auseinandersetzung zwischen ausscheidenden und verbleibenden Gesellschaftern trifft. Die Vorschriften der §§ 738 bis 740 BGB stellen dispositives Recht dar. Die Gesellschafter können also etwas anderes vereinbaren. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindungsbeschränkungen, die in der Regel den Sinn haben, den Bestandsschutz der Gesellschaft durch Einschränkung des Kapitalabflusses zu gewährleisten oder die Berechnung des Abfindungsanspruches zu vereinfachen, sind grundsätzlich zulässig. Auch unter Berücksichtigung der genannten Zwecke können solche Beschränkungen allerdings nicht ohne Weiteres vorgenommen werden; sie unterliegen den Grenzen, die durch § 138 Abs. 1 BGB gezogen werden[24]. Nichtig sind insbesondere solche Vertragsgestaltungen, die von vornherein den später ausscheidenden Gesellschafter in sittenwidriger oder aus sonstigen Gründen gesetzlich missbilligter Weise benachteiligen[25]. Die persönliche und wirtschaftliche Freiheit des ausgeschiedenen Gesellschafters darf keiner objektiven Beschränkung unterliegen.[26]
Diese Grundsätze sind jedoch nur dann anzuwenden, wenn die betreffende Gesellschaft sich wirtschaftlich betätigt. Anderes gilt, wenn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach ihrem Gesellschaftsvertrag einen rein ideellen Zweck verfolgt[27]. Denn die Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit ideeller Zielsetzung beruht in der Regel auf altruistischen Vorstellungen; die Vermehrung des eigenen Vermögens ist nicht beabsichtigt. Deshalb ist es den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit ideeller Zielsetzung nicht verwehrt, einen Abfindungsanspruch auszuschließen[28].
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Lösung zu Fall 12:
M könnte gegen R einen Anspruch auf Zahlung von 12.700 € aus §§ 280, 31 (analog) BGB i. V. m. §§ 128, 130 HGB analog erworben haben.
Dass M einen Anspruch gegen die GbR aus §§ 280, 31 (analog) erworben hat, für den auch die Gesellschafter aus § 128 HGB analog haften, ist oben bei der Lösung zu Fall 9 bereits ausgeführt. Hier geht es nun darum, ob der in die GbR eingetretene Gesellschafter R auch für diejenigen Verbindlichkeiten haftet, die vor seinem Eintritt entstanden sind. Das BGB enthält keine einschlägige Vorschrift. Da das BGB-Gesellschaftsrecht die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters in § 736 Abs. 2 BGB mit Hinweis auf § 160 HGB ausdrücklich geregelt hat, könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass der eintretende Gesellschafter nicht für die vor seinem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten haften soll. Dennoch wird eine analoge Anwendung des § 130 HGB von der Rspr.[29] jedenfalls im Grundsatz bejaht. § 130 HGB lässt die in eine OHG eintretenden Gesellschafter für alle vor ihrem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten haften. Der BGH[30] begründet die analoge Anwendung des § 130 HGB auf die GbR letztlich mit dem allgemeinen Grundsatz des Personengesellschaftsrechts, wonach die persönliche Haftung aller Gesellschafter in ihrem jeweiligen personellen Bestand dem Wesen der Personengesellschaft und ihren Haftungsverhältnissen entspricht, weil die Gesellschaft kein eigenes, zugunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt; ihr Gesellschaftsvermögen stehe dem Zugriff der Gesellschafter jederzeit und sanktionslos offen. Bei dieser Sachlage sei die persönliche Haftung der Gesellschafter nicht nur die alleinige Grundlage ihrer Wertschätzung und Kreditwürdigkeit; sie sei vielmehr das notwendige Gegenstück zu dem Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln. Dagegen wird vor allem argumentiert, eine Haftung analog § 130 HGB stelle für beitretende Gesellschafter eine nicht durch ein schutzwürdiges Gläubigerinteresse zu rechtfertigende Belastung dar[31].
Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH[32] allerdings die Entscheidung darüber, ob der Grundsatz der persönlichen Haftung für Altverbindlichkeiten auch auf Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen – im konkreten Fall handelt es sich gerade darum – Anwendung finden soll, weil diese, wie die Bestimmung des § 8 Abs. 2 PartGG zeige, eine Sonderstellung einnehmen. Wenn man grundsätzlich eine analoge Anwendung des § 130 BGB auf die GbR bejaht, dürfte eine Differenzierung, die darauf abzielt, berufliche Haftungsfälle davon auszuschließen, nicht zulässig sein. Der Hinweis auf § 8 Abs. 2 PartGG überzeugt nicht. Wer die dort gesetzlich gewährte Haftungsprivilegierung in Anspruch nehmen möchte, muss die Partnerschaftsgesellschaft als Rechtsform wählen.
Demnach ist § 130 HGB im konkreten Fall analog anwendbar. Deshalb kann M den R aus aus §§ 280, 31 (analog) BGB i. V. m. §§ 128, 130 HGB analog auf Zahlung von 12.700 in Anspruch nehmen.
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Lösung zu Fall 13:
V könnte gegen C einen Anspruch auf Zahlung von 5.200 € aus § 535 BGB i. V. m. § 128 HGB analog und § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB erworben haben.
Vertragspartner des V aus dem Mietvertrag ist die GbR. Die Gesellschaft schuldet dem V aus § 535 BGB die Zahlung des Mietzinses in Höhe von 5.200 €. Dabei handelt es sich um eine Verbindlichkeit der GbR, für die gem. § 128 HGB analog alle Gesellschafter persönlich mit ihrem Privatvermögen als Gesamtschuldner haften. Deshalb konnte V den C jedenfalls bis zu seinem Ausscheiden in Anspruch nehmen. Fraglich ist, ob V den Anspruch gegen C auch noch nach dessen Ausscheiden aus der GbR geltend machen kann. Ein Gesellschafter, der aus der BGB-Gesellschaft ausscheidet, haftet dem Gläubiger auch nach seinem Ausscheiden persönlich mit seinem Privatvermögen für alle Verbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens entstanden sind (§ 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB). Die Ansprüche gegen den ausscheidenden Gesellschafter verjähren nach dessen Ausscheiden grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 736 Abs. 2 BGB und 160 HGB nach fünf Jahren, soweit sie nicht einer kürzeren Verjährungsfrist unterliegen. Wegen der fehlenden Registerpublizität der BGB-Gesellschaft ist Anknüpfungspunkt hinsichtlich des Fristbeginns für die Enthaftung des ausscheidenden Gesellschafters die Kenntnis jedes einzelnen Gläubigers vom Ausscheiden des BGB-Gesellschafters. Demnach kann V den C auch noch nach dessen Ausscheiden aus der GbR auf Zahlung von 5.200 € aus § 535 BGB i. V. m. § 128 HGB analog und § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB in Anspruch nehmen.
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Lösung zu Fall 14:
Der zwangsweise Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GbR ist nach § 737 BGB zulässig, wenn
– | der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthält, also festlegt, dass für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, und |
– | in der Person des Gesellschafters, der ausgeschlossen werden soll, ein wichtiger – sachlicher – Grund im Sinne des § 723 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt. |
Der Gesellschaftsvertrag enthält im zu erörternden Fall eine typische Fortsetzungsklausel. Ein zum Ausschluss berechtigender Grund liegt nach § 723 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BGB insbesondere vor, wenn der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden soll, eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende Verpflichtung vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Der Gesellschaftsvertrag verpflichtete den C im Zweifel, Mandantengelder nicht ihrem Zweck zu entfremden, was er vorsätzlich getan hat. Im Übrigen liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 723 Abs. 1 S. 2 BGB dann vor, wenn den anderen Gesellschaftern bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Als wichtige Gründe kommen vor allem in Betracht die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses im geschäftlichen Bereich und schwerwiegende Treuepflichtverstöße. Indem C Mandantengelder für persönliche Zwecke nutzte, zerstörte er sowohl das Vertrauensverhältnis zu Mandanten als auch das zu seinen Mitgesellschaftern. Die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses als Auflösungsgrund wiegt besonders schwer, wenn sie, wie hier geschehen, schuldhaft herbeigeführt worden ist[33].
Nach alldem können die Gesellschafter A, B und D den C gem. §§ 737, 723 Abs. 1 BGB aus der Gesellschaft ausschließen. Das Ausschließungsrecht steht ihnen gemeinschaftlich zu. Die Ausschließung selbst erfolgt durch Erklärung gegenüber C (§ 737 S. 2 und 3 BGB).