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03. November 2016

Mittwoch, 20:05 Uhr

Sie stand vor dem Spiegel und gab ihrem Make-up noch den letzten Schliff. Sie wollten heute Abend in ein schickes Restaurant außerhalb von Hannover fahren und dort das zweijährige Jubiläum ihrer Beziehung begehen. Ihrem Mann hatte sie gesagt, dass sie heute Abend noch Elterngespräche in der Schule hatte, aber er fragte schon seit langem nicht mehr nach. Auch wenn er von der Affäre gewusst hätte, es war ihr auch egal. Sie trennte sich nur nicht von ihm, weil das einen schlechten Eindruck nach außen machte und an einer kirchlichen Schule nicht gerne gesehen war. Und warum sollte sie sich die Chance auf eine eventuelle Beförderung wegen einer Affäre verbauen? Im letzten Sommer hatten sie einen kurzen Moment befürchten müssen aufzufliegen, doch scheinbar war es nur eine Täuschung gewesen; jedenfalls hatten sie beide nie etwas gehört. Trotzdem waren sie seitdem nicht mehr im Bootshaus gewesen, das war ihnen dann doch zu unsicher geworden. Seitdem trafen sie sich in wechselnden Pensionen und im letzten Sommer hatten sie es geschafft, eine Kursfahrt so zu organisieren, dass sie gemeinsam als begleitende Lehrkräfte mitfahren konnten.

Sie legte einen Hauch von Chanel No. 5 auf und rief noch schnell: „Ich bin dann jetzt weg!“, in Richtung des Arbeitszimmers ihres Mannes, bevor sie mit dem Aufzug in die Tiefgarage des Mehrfamilienhauses fuhr, wo ihr Cabriolet stand. Sie hatte gerade die Tür mit der Fernbedienung aufgedrückt, als plötzlich ein Schatten hinter der Säule neben ihrem Parkplatz hervortrat. Er drückte ihr einen stinkenden Lappen aufs Gesicht und innerhalb von Sekunden wurde alles dunkel um sie herum und sie fiel in eine unendliche Schwärze.

Als sie aufwachte, war alles um sie herum dunkel. Sie lag auf dem Rücken, ihre Zunge fühlte sich an wie ein pelziges Ungetüm. Sie versuchte sich aufzusetzen, doch ihre Hände und Füße waren an die Pfosten eines alten metallenen Bettgestells gefesselt. Panik stieg in ihr auf und sie schrie verzweifelt um Hilfe. „Schrei ruhig weiter“, ertönte auf einmal eine Stimme aus einer Ecke des dunklen Raumes. „Niemand wird dich hören oder dir zu Hilfe kommen. Nutze die Zeit und denke über alle die Dinge nach, die du anderen angetan hast und über all die unschuldigen Leben, die du wissentlich zerstört hast.“ Ihr Kopf ruckte in die Richtung, aus der die blecherne Stimme kam, doch noch konnte sie in der Dunkelheit nichts erkennen. Als ihre Augen sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die Umrisse eines viereckigen Lautsprechers und einer Webcam sehen. „Lass mich hier raus“, schrie sie verzweifelt und zerrte an den Stricken, die tief in ihre Hand- und Fußgelenke einschnitten, „ich habe niemandem etwas getan!“ Stille. Dann ertönte die Stimme erneut - höhnisch und eiskalt. „Du hast unzählige Leben zerstört; du, der die Leute ihre Kinder anvertraut haben; du hast deine Macht ausgenutzt und diesen Kindern das Leben zur Hölle gemacht. Aber jetzt wirst du endlich dafür bezahlen.“ Wieder Stille, sie wurde immer panischer. Es wurde immer enger um ihre Brust, so als hätte sich ein bleierner Gürtel um ihren gesamten Brustkorb gelegt, der drohte, sie zu ersticken. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, sie versuchte zu atmen, doch konnte nur um jeden einzelnen Atemzug ringen. „Bereust du, was du getan hast? Du hast nicht mehr viel Zeit zu bereuen, bevor du deinem Schöpfer gegenübertrittst, falls du überhaupt an Gott glaubst und das nicht auch nur für den Job geheuchelt hast.“ Sie begann zu schluchzen und zu jammern, was dazu führte, dass sie noch weniger Luft bekam. Die Panik ergriff immer weiter von ihr Besitz und in ihr keimte das Gefühl auf, dass dies hier das Ende ihres Lebens sein könnte. Erneut versuchte sie zu dem Unbekannten Kontakt aufzunehmen. Vielleicht konnte sie ihn ja überzeugen, sie gehen zu lassen. „Ich habe doch nie jemandem etwas Böses gewollt, es ist einfach so passiert.“ Ihre Stimme zitterte, auch wenn sie sich alle Mühe gab, ihn die Angst nicht hören zu lassen. Die Stimme aus dem Lautsprecher triefte jetzt vor Spott und Sarkasmus. „Du und nichts Böses gewollt? Dass ich nicht lache. Dir war es doch egal, wessen Zukunft du zerstörst und wie deine Opfer in ihrem Leben klarkamen. Aber jetzt hast du den Rest der Nacht Zeit, darüber nachzudenken, was du alles zu bereuen hast. Ich weiß noch nicht, wann ich mich wieder melde. Bis dahin wünsche ich dir eine gute Nacht und angenehme Träume.“ Sie schrie und zerrte an den Fesseln. „Lass mich hier nicht allein, ich will hier nicht sterben.“ Doch es kam kein weiterer Laut mehr aus der Ecke des Raumes.

Zufrieden lehnte er sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und beobachtete noch eine Weile, wie sie sich auf dem Bett wand und an den Fesseln zerrte. Den Rest der Nacht würde er sie schmoren lassen und morgen früh würde er maskiert hingehen und ihr etwas zu trinken geben. Schließlich sollte sie ihm nicht einfach so wegsterben und sein Gesicht würde sie erst im Augenblick ihres Todes sehen, damit es das Letzte war, was sie je in ihrem Leben sehen würde. Der Zeitpunkt für seine Rache war endlich gekommen. Er hatte eine gefühlte Ewigkeit darauf warten müssen, aber jetzt würde er sich und all die anderen unschuldigen Kinderseelen rächen. Sie sollte leiden und er würde ein Exempel statuieren, damit das ein für alle Mal aufhörte. Er trank sein Bier aus, klappte den Laptop zu und ging schlafen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden.

Bittere Vergeltung

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