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VI. Oben am Zürichberg

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Am selben Morgen lag eine junge, sehr hübsche Frau schlafend in ihrem Bett. Durch die hohen Fenster, die mit einem dünnen, seidenschimmernd weissen, Vorhang zugezogen wurden, fielen vereinzelnd feine Sonnenstrahlen in den Innenraum, direkt auf das grosse Bett.

Das schön geräumige Zimmer war sorgfältig und sehr ordentlich mit schönen Möbeln eingerichtet worden. Ansatzweise zeugte es von einem gewissen Wohlstand.

Ruhig schlafend lag Renés grosse Liebe in seitlicher Lage auf ihrem grossen Bett, unter den seidig weissen Bettlaken. Die Eleganz des Zimmers strahlte mit der schlafenden Schönheit im Bett eine wunderbar süsse Harmonie aus, die sich annähernd zusammen zu einem Bildnis der Vollkommenheit fügte.

Auf einmal wurden von aussen kleine Kieselsteine an das Fensterglas gespickt. Die Geräusche der kleinen Steine liessen die junge Frau erwachen.

Langsam öffnete Jeanette Brunner die Augen und drehte ihr Antlitz dem Licht des Fensters zu. Ihre schlanke Figur war unter den seidenen Bettlaken sehr Körperbetont zu sehen.

Mit einem leichten, schulterfreien Nachthemd bekleidet stieg sie aus dem Bett und ging Barfuss über den gepflegten Riemenboden zur Balkontüre hin. Sie schob den Vorhang zur Seite und schaute in den Garten hinaus.

Wieder flogen feine Kieselsteine gegen die Scheiben. Diesmal an die grosse Glasscheibe der Balkontüre zur Veranda. Die Steinchen verursachten klackende Geräusche. Sie prallten von der Scheibe ab und fielen auf den harten Boden der Veranda.

Hinter der Balustrade der überdachten Terrasse war unten im Garten niemand zu sehen. Jeanette holte sich eine Strickjacke von ihrem Kleiderständer, streifte sie sich über und schritt auf die grosse Terrasse hinaus.

René, der von der dichten Schnitthecke verdeckt unten in der Einfahrt gestanden hatte, kam über die Stufen der Treppe hochgestiegen, die auf der Hinterseite des Hauses in den Garten führt. Hinter dem Rücken hielt er ein kleines Sträusschen aus schönen, dunkelroten Kletterröschen in den Händen.

Unterhalb der Balustrade zur Veranda angekommen, begrüsste er sie sehnsüchtig und fragte, ob er zu ihr auf die erhöhte Terrasse hochsteigen dürfe. Mit einem strahlenden Lächeln blickte sie sich um und erlaubte es ihm.

René stieg flink die Brüstung hoch und schwang seine Beine behände über die breite, schlichte Natursteinbalustrade, die zwischen den massiven Terrassenumrandungsmauern angebracht wurde. Er streckte ihr die eingepackten dunkelroten Röschen hin, die er wegen den Stacheln zuvor sorgfältig mit einem weissen Taschentuch umwickelt hatte.

Mit entzücken nahm sie die Rosen entgegen. René küsste sie auf ihre vollen Lippen und strich ihr mit der Hand sanft über die zarten Wangen. Sie unterhielten sich kurz auf der Veranda vor ihrem Schlafzimmer. Doch schon bald merkte René, dass Jeanette ein leicht unbehagliches Gefühl hatte, da ihr Vater den Kontakt zu René einst untersagte.

Sie küsste ihn nochmals mit voller Liebe sanft und zärtlich auf seine Lippen, bevor sie René an den Händen fröhlich und lachend in ihr Zimmer zog. Gemeinsam fielen sie sich auf das Bett noch warme Bett mit den weissen, zerwühlten Laken.


„Die sind wunderschön!“ sprach sie. Sie drehte den kleinen Rosenstrauss in den Händen und betrachtete ihn dabei mit strahlenden Augen und einem wunderbaren Lächeln.

„Ich habe sie von eurem Nachbarn aus dem Vorgarten“, sprach René mit spitzbübischem Lächeln. „Sag es aber bitte nicht weiter, ja?“

Jeanette drehte ihren Kopf zu René und schaute ihm mit ihren grossen dunkelbraunen Augen in sein frohes Gesicht. Ihre Blicke trafen sich. Ihr Gesicht wurde von ein paar verirrten Sonnenstrahlen von der Seite her beschienen.

Als René ihr in die Augen schaute, fand er in ihnen eine wunderbare Klarheit, gemischt mit einer unglaublich tiefen Glückseligkeit. Je tiefer er ihr in die Augen schaute, umso mehr fühlte er sich von ihr verstanden. Es war, als würde er sich von seinem Körper lösen können und federleicht mit dieser empfundenen Liebe in einem riesigen, luftleeren Raum schweben, wo jeder Gegenstand darin von seiner Bedeutung auf ein Neues benannt werden müsste, damit sich dieser nicht wieder darin verlieren würde.

Mit allen seinen Sinnen verspürte er wieder diese Liebe, wie er ihr das erste Mal begegnete. Er hörte die Musik ihrer beiden Herzen und sah die Blumen, die sie dabei in ihren Händen trug. Er fühlte, wie es dazumal in der Orangerie im leichten Wind die roten Rosenblätter um sie beide regnete.

So intensiv sein Gefühle, so verloren der Geist. Er war ihr verfallen. Dass wusste er schon mit den ersten Worten, die ihre zarten Lippen ihm schenkten. Es war Liebe, so rein wie er sie noch bei keiner anderen Frau empfunden hatte. Es war die Liebe, die er so sehnlichst brauchte und ohne die es für ihn ab dem ersten Augenblick kein weiterkommen mehr gegeben hätte.

Sie hatte nun ihren Kopf soweit zu ihm hin gedreht, dass die Sonnenstrahlen ihre Augen, die Iris und die beiden schwarzen Pupillen beschienen. Es war, als könnte er in ihre reine Seele blicken. Als müsste er nur die Arme strecken um das ganze Glück dieser Erde zu ergreifen.

Seit sie sich im späten Frühjahr in der Villa Wesendonck auf dem Rietberg kennen gelernt haben, war es für ihn wohl einer der schönsten Momente in seinem jungen Leben. Tief in seinem Innern dankte er von ganzem Herzen seinem Gott und Schöpfer für diese so reine Liebe, die er für ihn erschaffen hatte.

Sanft küsste er sie abermals auf die Lippen. Sie erwiderte ihm seinen Kuss, worauf René sie liebevoll in die Arme nahm und sie sich beide zusammen langsam nach hinten auf das Bett hinlegte.

Über Jeanettes Oberkörper gebeugt, schaute er sie hingebungsvoll an. „Du bist wunderschön!“ flüsterte er ihr dabei in das linke Ohr und küsste sie erneut.

Nach Minuten langer Zärtlichkeit fingen sie an, über das bevorstehende Fest im Hause der Familie Zumstein zu diskutieren.

Die Familie Brunner, die des Öfteren bei den Zumstein zu Hause gastiert, war selbstverständlicher Weise von Alex zu diesem Anlass auch eingeladen worden. René konnte diesen Gedanken kaum ertragen, dass am heutigen Abend seine grosse Liebe im Hause seines Erzrivalen zu Gast war.

„Ich bitte dich darum, geh’ nicht zu Alex nach Hause“, flehte René sie an.

„Ich ertrage es nicht, dich dort zu Wissen und dabei selbst vollkommen machtlos zu sein. Du würdest mich damit zur völligen Verzweiflung treiben und ich könnte vielleicht für nichts mehr garantieren... Bitte schau, dass du nicht gehen musst“, flehte er sie dabei abermals an.

„Ich weiss, was ich dir damit antun werde“, entgegnete ihm Jeanette und nahm sein Gesicht über ihr liebevoll in die zarten Hände.

Mit den Fingern fuhr sie ihm durch sein blondes Haar und sprach weiter: „Es ist mir auch nicht recht, aber Alex ist ein langjähriger Freund unserer Familie, den ich schon von klein auf kenne. Mein Vater würde mir ausserdem dies nicht verzeihen. Ich kann aber schauen, dass ich frühzeitig vom Fest verschwinde und wir uns da dann treffen können. Was hältst du davon?“

„Gut!“ antwortete ihr René, „Ich warte da mit meinem Motorrad vor dem Hause auf dich. Und wenn es denn sein muss, die ganze Nacht.“

‚Liebe geht nicht mit der Zeit,

liebe geht mit jedem einzelnen Herzschlag.’

Junger Wilder

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