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An der Limmat zu Hause

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In der kalten Morgenluft eines schönen, jungen Herbsttages liegen leichte, weisse Dunstfäden über dem klaren Wasser des blauen Zürichsees. Unter dieser schmalen, milchigen Nebelschicht glitzern tausende, kaum wärmende Sonnenstrahlen auf der sich leicht kräuselnden Wasseroberfläche.

Vom unteren Ende des Sees sieht man die Umrisse der Voralpen und der Alpen über dem weissen Dunst des Wassers aufsteigen. Je weiter entfernt diese hohen Berge sind, desto schwerer lassen sich ihre Konturen auszumachen. Von blossem Auge scheint es gar, als würden die weissen Spitzen der Alpen im Hintergrund, als ein Band aus Wolkentürmen in den Himmel übergehen.

Nicht weit des Ufers entfernt, in der Nähe des Zürichhorns, treiben zwei weisse Möwen auf dem klaren Wasser nebeneinander her. Eine leichte, frische Bise lässt die ersten farbigen Laubblätter auf den See hinaus wehen und dabei ihr leichtes, tanzendes Spiel mit den vielen kleinen Wellen vollbringen. Entlang dem See zieren nun diese ersten gelben, orangen und roten Blätter der Bäume das Ufer als wogendes, farbiges Band. Der kühle Wind lässt das weisse Gefieder der beiden Vögel auf dem Wasser leicht anheben.

Nach einem kurzen Aufflattern der Flügel und Aufplustern ihres Federkleides, treiben die beiden Möwen dicht nebeneinander zwischen dem farbigen Falllaub im klaren Wasser weiter.

Eine wunderbare Ruhe und schlichte Schönheit liegt über diesem jungen Oktobermorgen. Es ist ein Bild des Friedens und der grenzenlosen Freiheit, der ihn auszeichnet. Das Leben scheint in sich gekehrt zu sein, ohne Ausnahme.

Es ist, als läge die Welt mit sich im reinen. Als läge sie in einem Moment des zeitlosen Friedens. Mittendrin in diesem wunderbaren Augenblick der göttlichen Offenbarung, diese beiden weissen Vögel auf dem leicht kräuselnden und in der Sonne glitzernden Seewassers.

Wie auf ein stilles Zeichen hin, heben sie sich gemeinsam, mit ein paar kurzen, kräftigen Flügelschlägen, senkrecht aus dem Wasser empor. Für einen kurzen Augenblick verharren sie mit weit ausgespreizten, weissen Schwingen im kühlen Morgenwind. Die Wassertropfen fallen wie glitzernde Perlen von ihrem Gefieder zurück in den See.

Zusammen mit der kühlen Bise tragen die beiden Möwen die Leichtigkeit des Seins auf ihren Schwingen in grossen Kreisen dem stahlblauen Himmel entgegen. Immer weiter hinauf lassen sie sich von dem stärker werdenden Winde sich tragen. In einem weiten Bogen drehen sie sich über das untere Ende des Sees in Richtung Westen, gegen die Stadt.

Winzig klein erscheinen die Dächer der Häuser, die Höfe und die Gassen aus dieser Höhe. Die Limmat, die sich durch die vielen Bauten hindurch schlängelt, zieht sich als blauer Faden immer Richtung Westen.

Weit, weit unten am Ufer des Flusses, da steht eine kleine Gruppe vereint. Helle Kleidern tragend und mit Blumen in den betenden Händen stehen sie am Ufer des Flusses.

Asche zu Asche, Staub zu Staub. Für die beiden weissen Vögel wohl kaum zu erkennen, da sie weit, weit oben am Himmel nebeneinander herfliegen. Zusammen vereint, in Einklang und Harmonie…


Junger Wilder

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