Читать книгу Kooperative Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit - Ursula Hochuli Freund - Страница 51
Strukturelles Technologiedefizit
ОглавлениеSoziale Probleme sind komplexer und anders geartet als technische Probleme. Für letztere lassen sich standardisierte Lösungen finden, indem Technologien entwickeln werden: Bei einer spezifischen Problemkonstellation (A) wird mit einem definierten Verfahren (B) eine bestimmte Wirkung (C) erzielt. In den Sozialwissenschaften allerdings fehlen solche klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Soziale Prozesse sind komplex und unvorhersehbar. Die Soziale Arbeit verfügt über keine Technologien, mit denen Wirkungen planvoll hergestellt werden können. Luhmann/Schorr haben diesen Umstand in einem viel beachteten Aufsatz als das »strukturell begründete Technologiedefizit« des Erziehungssystems bezeichnet (1982:14). Sie folgern daraus, dass die Suche nach objektiven Kausalgesetzen in zwischenmenschlichen Beziehungen nutzlos sei, und schlagen stattdessen vor, Komplexitätsreduktionen vorzunehmen und mit fallbezogenen theoriegeleiteten Arbeitshypothesen zu operieren (vgl. ebd.:18 f.). Dieses strukturelle Technologiedefizit ist ein Strukturmerkmal nicht nur für die Pädagogik, sondern auch für die Soziale Arbeit. Deshalb ist das professionelle Handeln kaum standardisierbar. Es gibt keine Rezepte für die Problemlösung, Aufgaben können nicht gemäß Bedienungsanleitung erledigt werden. Immerhin stehen mittlerweile Modelle zur Verfügung, welche die Bearbeitung von Fällen strukturieren ( Kap. 7). Gleichwohl bleibt die Wirkung einer sozialarbeiterischen Intervention ergebnisoffen.
Prozesse in der Sozialen Arbeit sind also nur in beschränktem Sinne plan- und steuerbar. Eine Erklärung hierfür findet sich auch bei der politischen Philosophin Hanna Arendt (1996). Sie unterscheidet verschiedene Formen von ›Tätigsein‹. ›Handeln‹ wird jene Tätigkeitsform genannt, die sich auf das Geschehen zwischen Menschen bezieht. Charakteristisch für diese Tätigkeitsform ist, dass der Mensch die Folgen des Handelns weder bestimmen noch kontrollieren kann. Denn eine klare Verbindung zwischen Mittel und Zweck gibt es nur bei der Tätigkeit des ›Herstellens‹: Beim Herstellen geht es um das Hervorbringen eines bestimmten Produkts, eines materiellen Dings, es geht um das Verfolgen eines Zwecks, zu dem der Herstellungsprozess selbst nur das Mittel ist. Das Handeln folgt demgegenüber keiner Herstellungslogik: Handeln beinhaltet die Möglichkeit, etwas Neues, Unvorhergesehenes anzufangen, in die Welt zu bringen. Was mit diesem ›Neuen‹ geschieht, welche Prozesse dabei in Gang gesetzt werden, entzieht sich dem Einfluss der Handelnden. Handeln hat immer unabsehbare Folgen, welche der Einzelne nicht kontrollieren kann. Sozialpädagoginnen können mit ihrem Handeln also Prozesse in Gang setzen, deren Fortgang – die Wirkung – jedoch können sie nicht vorhersehen und bestimmen.