Читать книгу Bergmütter, Quellfrauen, Spinnerinnen - Ursula Walser-Biffiger - Страница 16

Оглавление

Die Ahnfrau des Landes zeigt sich oft in dreifacher Gestalt. Auch der Walliser Sagenforscher Josef Guntern hat in seiner Sammlung drei Frauen beschrieben (Guntern 1979, Nr. 1159). Es sind wehmütige Geistwesen, die mit ihren Stöcken im Aletschgebiet gesichtet, in ihrer mythologischen Bedeutung nicht mehr erkannt und so zu Armen Seelen degradiert worden sind. Doch im Kessel des Gletschervorfelds der Rhone können sie sich in ihrer wahren Gestalt zeigen: Sie sind die Begründerinnen der ganzen Talschaft, die drei Schicksalsfrauen, wie man sie überall auf der Welt gekannt und verehrt hat.

Der Dreifrauenkult ist eine Mythologie, die auf allen Kontinenten anzutreffen ist und aus vorgeschichtlicher, mutterorientierter Zeit stammt. In Nordeuropa nannte man die drei Schicksalsfrauen Nornen, in Rom Parzen, in Griechenland Moiren und bei den Kelten Bethen. In den Sagen und Märchen erscheinen sie als drei Weisse Frauen, drei Schwestern oder drei Spinnerinnen, die den Lebensfaden führen, ihn aber auch trennen. Sie spinnen das Glück und weben das Schicksal. Man nannte sie auch Matronen oder Matres. Sie waren die Urmütter, die man anrief, um Heilung, Segen und Schutz zu erlangen. Sie erschienen in dreifacher Gestalt, wohl weil man versuchte, sie in ihrer umfassenden Ganzheit zu verstehen: als Schöpferin, als Lebenserhalterin und als Todesmutter.

Während der Christianisierung bot die Kirche Gegenbilder wie die Drei Marien, die dreigestaltige Anna oder die drei Nothelferinnen Margaretha, Barbara und Katharina. Diese heiligen Frauen sind im Wallis auf vielen Altären zu finden, so zum Beispiel auf dem linken Seitenaltar in der Marienkirche in Münster. Von den Nothelferinnen hiess es im Alpenraum: «Margaretha mit dem Wurm, Barbara mit dem Turm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl.»7

Auch die Rhone trägt noch den Namen einer Erd- und Wassergöttin. Flussnamen sind oft sehr alt, und das Wallis, die Westalpen und das Rhonetal sind frühe Besiedlungsregionen. Bei den Griechen heisst der Fluss, der das Wallis durchfliesst, Rodanos, und bei den Römern Rhodanus. Doch dieser Name ist höchstwahrscheinlich weder griechisch noch römisch, keltisch oder indogermanisch, sondern wohl vorindoeuropäisch oder alteuropäisch. Die Silbe *dan im Namen Ro-dan-os ist eine sehr alte Bezeichnung für Wasser. Gleichzeitig finden wir diese Wortwurzel auch bei der Erdgöttin Ena/Ana/Anu/Dana/Danu. Sie war die altorientalische und alteuropäische Muttergöttin. Da *dan und *an Wasser oder Quelle bedeuten, tragen es viele Flüsse in ihren Namen: so etwa die Donau (Danuvius), der Inn (Ainos), der Rhein (Rhenus) oder eben die Rhone (Rhodanos).8

Bergmütter, Quellfrauen, Spinnerinnen

Подняться наверх