Читать книгу Aristoteles "Nikomachische Ethik" - Ursula Wolf - Страница 26

a) Genauigkeit relativ zum Gegenstand

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Die erste und einfachste Variante ist diejenige, die in I 1 aufgestellt wird, dass nämlich in den verschiedenen Wissenschaften verschiedene Grade von Exaktheit gefordert sind. Diese These ist nicht originell, vielmehr findet sie sich bereits bei Platon (Philebos 56aff.) und lautet ähnlich auch bei Aristoteles: Nicht in allen Gebieten ist dieselbe Genauigkeit angemessen, der Grad der Genauigkeit hängt vielmehr ab von der Beschaffenheit des Gegenstandsbereichs. Während beispielsweise die Mathematik, die den unveränderlichen Bereich der Zahlen zum Gegenstand hat, notwendige Aussagen machen kann, sind in den Wissenschaften und technai, die sich auf die veränderlichen Gegenstände der Erfahrung beziehen, nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich. Das gilt vielleicht schon für Teile der Physik, und mehr noch für die Biologie und Medizin, ebenso für die Ethik und Politik. Man kann keine notwendigen Aussagen über das Gerechte oder über die menschlichen Güter machen. Denn was im einen Fall gerecht ist, kann im anderen ungerecht sein, und was vielen Menschen nützt, etwa Reichtum oder Tapferkeit, kann im Einzelfall auch schaden.

Diese Auffassung ist für den heutigen Leser vielleicht befremdlich, denn selbst wenn wir einmal Aussagen über das Nützliche als empirische einstufen, würden wir doch die mangelnde Exaktheit von Gerechtigkeitsurteilen anders erklären. Wenn diese schwankend sind, so nach unserer Sicht deswegen, weil es sich überhaupt nicht um theoretische Sätze handelt, weder um notwendige noch um empirische Sätze, sondern um normative Aussagen darüber, was zu tun richtig ist.

Aristoteles

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