Читать книгу Frag mal nach Liebe - Ute Dombrowski - Страница 10
8
ОглавлениеUm acht Uhr machte sie sich auf den Weg zum Weingut. Marco begrüßte sie wieder sehr freundlich. Sie gingen in sein Büro und besprachen den Tagesablauf. Muriel erschien in der Tür, übersah Lena einfach und verabschiedete sich kurz. Sie sah aus wie aus dem Ei gepellt. Lena dachte: Diese Frau steht sicher drei Stunden im Bad und vor dem Kleiderschrank, bis sie sich für ausgehtauglich hält.
Muriel sagte nur: „Warte nicht auf mich, ich bleibe heute in der Stadt.“
Kein Kuss, keine lieben Worte. Sie drehte sich um, ging zu ihrem Auto und fuhr los. Marco schaute ihr kopfschüttelnd hinterher und sah dann zu Lena.
„Wie gut, dass ich den Tag mit dir verbringen darf. Ich werde heute mit dem Abfüllen des neuen Jahrgangs beginnen. Du kannst mir helfen, wenn du magst.“
Sie nickte und folgte ihm in den Weinkeller. Es war kühl und er hatte ihr einen dicken Pullover mitgebracht. Den zog sie nun an. Sie steckte die Nase in die dicke Wolle und sog seinen Duft ein. Er roch nach Marco. Augenblicklich fühlte sie sich heimisch.
„Wie blind und dumm war ich doch, bevor ich hierher kam. Jetzt sehe ich dein Leben und die Arbeit mit ganz anderen Augen. Es ist ehrlich und echt. Danke für diese Erfahrung.“
Marco lachte und erwiderte: „Du bist auch ehrlich und echt. Ich mag es, wenn Menschen einen Fehler zugeben können. Ich freue mich, dass du dich nicht nur wegen des Artikels für mein Leben interessierst.“
Er zeigte ihr dann, wie die Etiketten auf die Flaschen geklebt werden mussten. Die kleine Maschine war einfach zu bedienen und Lena stellte sich geschickt an. Marco lobte sie ausgiebig für ihren Einsatz. Am Nachmittag verabschiedete sie sich, denn sie war ja mit Inka verabredet.
„Darf ich auch morgen wiederkommen und mitmachen?“
„Was hältst du davon, wenn du von Freitag bis Sonntag hier bei mir bleibst und wir am Wochenende ein bisschen herumfahren? Dann lernst du die Gegend kennen. Muriel kommt am Wochenende sicher nicht heim. Du bekommst das Gästezimmer oben.“
Lena überlegte. Durfte sie das Angebot annehmen?
Sie würde das heute Abend mit Inka besprechen und sagte nur: „Ich muss schauen, was zu Hause anliegt und dann sage ich dir morgen Bescheid. Ich brauche aber ein Laptop und Internet. Für den Fall, dass ich arbeiten muss.“
„Gut“, entgegnete Marco. „Das ist schon einmal kein Nein. Dann bis morgen.“
Er hielt ihre Hand ein bisschen zu lange fest und sah sie mit seinen eisblauen Augen an. Schnell drehte sich Lena um, setzte sich ins Auto und fuhr heim. Inka stand um sieben Uhr vor ihrer Tür.
„Was wollen wir machen? Kino und trinken oder essen und reden?“
Lena nahm ihre Jacke, griff nach dem Hausschlüssel und antwortete: „Essen und reden. Das ist heute sehr wichtig.“
„Oh, oh“, sagte Inka und pfiff durch die Zähne. „Das hört sich spannend an.“
Sie waren bei ihrem Lieblingsitaliener angekommen und setzten sich an einen leeren Tisch am Fenster. Der Kellner kam und begrüßte sie wie immer herzlich.
„Ciao, Lena, ciao, Inka. Schön euch zu sehen. Wie immer?“
„Giovanni, wollten wir je etwas anderes?“
Giovanni verschwand lächelnd und kam nach einem Moment mit zwei Gläsern und einer Flasche Rotwein wieder. Er öffnete sie am Tisch und schenkte ein. Die Frauen bedankten sich und prosteten ihm zu.
Lena sagte: „Auf dein Wohl, mein Freund. Was ist denn das Tagesgericht?“
„Heute gibt es Tagliatelle mit Steinpilzen und dazu entweder Lamm- oder Schweinefilet. Was darf es denn sein?“
Giovanni war so alt wie sie und arbeitete hier schon lange. Er war ein charmanter, hübscher Italiener mit schwarzen Augen und ebensolchen Locken. Einmal, kurz nachdem sie hierher gezogen waren, war Inka seinen Reizen erlegen und in seinem Bett gelandet. Seitdem waren sie Freunde und die beiden Frauen gingen am liebsten bei ihm essen. Für Inka und Lena hatte er immer einen Tisch. Lena entschied sich für Schwein, Inka bestellte Lammfilet.
Als er weg war, sah Inka ihre sehr stille Freundin an. So kannte sie Lena gar nicht.
„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?“
Lena erzählte ihr alles. Danach war Inka genauso sprachlos.
Lena fragte: „Soll ich den Auftrag zurückgeben? Soll ich lügen, dass alles so ist, wie wir uns die Idylle vorstellen?“
„Keine Ahnung. Kannst du denn trotz allem die professionelle Distanz wahren oder rumpelt es in deinem Herzen schon wild umher?“
„Beides“, sagte Lena schuldbewusst.
Es hätte keinen Zweck gehabt zu lügen, denn Inka wusste jedes Mal ganz genau, wie Lena tickte. Diese Gabe hatte sie schon immer besessen. Sie konnte in den Menschen lesen wie in einem offenen Buch. Lena hatte sich daran gewöhnt. Für Inkas Schüler jedoch war es ein Graus. Sie konnten nichts, aber auch gar nichts vor ihr verbergen. Allerdings hatte sie so schon einige vor einem Unglück bewahrt.
Lena redete weiter: „Er ist so sensibel, dass er mir leid tut. Er ist so interessant, dass ich mehr wissen will. Er ist so süß, dass ich ihn küssen möchte. Seine Frau ist eine böse Hexe, nur dass niemand da ist, der sie in den Ofen schieben kann.“
„Dann tu du das doch.“
Lena schüttelte den Kopf.
„Ich? Niemals. Ich möchte mich absolut nicht mit dieser Frau anlegen. Wenn du sie kennen würdest, könntest du mich verstehen. Außerdem fange ich doch nichts mit einem verheirateten Mann an.“
Sie sahen sich ratlos an. Dann kam das Essen und sie waren beschäftigt. Es schmeckte köstlich wie immer.
Nachdem Giovanni abgeräumt hatte, sagte Lena: „Er hat mich über das Wochenende eingeladen. Mit Übernachtung im Gästezimmer und Kennenlernen der Gegend. Seine Frau ist in der Stadt.“
„Was denkst du? Will er Sex?“
„Nein, das denke ich nicht. So einer ist er nicht. Er will einfach nur mit mir zusammen sein und Zeit verbringen, hat er gesagt. Was soll ich tun? Mein Herz sagt ja, mein Verstand sagt nein.“
„Und was sagt dein Bauch?“
Lena lachte und antwortete: „Der grummelt vor sich hin. Ach, ich weiß nicht. Drei Tage bei ihm zu sein wäre schon toll.“
„Dann sag ja. Hör mal auf dein Herz. Abhauen kannst du immer noch. Und solange er nicht nachts an deine Türe klopft, kann doch nichts passieren.“
Lena nickte und freute sich nun doch auf das Wochenende bei Marco. Später verabschiedeten sie sich und Lena schlief ein, nachdem sie eine Tasche mit dem Nötigsten gepackt hatte.