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ОглавлениеFrag mal nach Liebe
Ute Dombrowski
5. Auflage 2017
Copyright © 2017 Ute Dombrowski
Umschlag: Ute Dombrowski
Lektorat/Korrektorat: Julia Dillenberger-Ochs
Satz: Ute Dombrowski
Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach
Druck: epubli
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
„Da fing mein Leben an, als ich dich liebte.“
Johann Wolfgang von Goethe
Iphigenie auf Tauris (1787)
2. Aufzug, 1. Auftritt
„Super“, sagte Lena sauer und warf Jacke und Tasche schwungvoll auf den Stuhl neben sich. Sie setzte sich zu ihrer Freundin Inka, die von ihrem Buch aufsah und es beiseite legte.
„Was ist denn passiert? Hast du keinen neuen Auftrag bekommen?“, fragte Inka vorsichtig.
Die beiden Frauen hatten vereinbart, sich in ihrem Lieblingscafé zu treffen, nachdem Lena in der Redaktion gewesen war. Inka hatte sich eine heiße Schokolade bestellt und genoss es, die Osterferien mit einem guten Buch zu beginnen.
Inka Grünberger kannte ihre Freundin Lena seit dem Germanistik-Studium und wusste, dass man sie in solchen Momenten eigentlich in Ruhe ließ. Aber hier ging es um ihren Job. Wenn Lena nicht schreiben konnte, war sie ungenießbar.
Lena sah Inka an und antwortete: „Jetzt muss ich doch tatsächlich über so einen langweiligen Jungwinzer schreiben. Die wollen ein Porträt über diesen Typen. Ich soll ihn ein halbes Jahr begleiten.“
„Ja und? Das ist doch gut. Es ist viel Arbeit und wird sicher ordentlich bezahlt. Also, was meckerst du hier herum? Entspann dich mal.“
Lena schnaufte. Dann bestellte sie sich einen Cappuccino und grollte still vor sich hin.
Helena Bechelkamp, von allen nur Lena genannt, war seit ihrer Erbschaft vor fünf Jahren als freie Autorin für verschiedene Magazine tätig. Nachdem sie bei der Testamentseröffnung erfahren hatte, was ihre Großmutter ihr als Alleinerbin hinterlassen hatte, kündigte sie sofort ihre Stelle bei der Lokalzeitung, bei der sie gerade einmal über das Schulkonzert oder den Unfall auf der Hauptkreuzung schreiben durfte. Sie sehnte sich danach, über Kultur, Kunst und das richtige Leben zu schreiben. Mit dem Geld, was sie nun hatte, konnte sie sich aussuchen, welche Aufträge sie annahm und wurde freiberuflich tätig. Man kannte sie in der Branche und sie bekam viele gute und interessante Themen.
Und nun hatte sie diesen Auftrag angenommen, von dem Hans-Gerald Möcker, der Chefredakteur des Magazins, gesagt hatte, sie sollte über einen kulturell wichtigen Menschen schreiben. Die Ergebnisse würden in einem Mehrteiler erscheinen. Aber sie war eine Brandenburgerin, die mit dem Leben und den Menschen hier gerade erst Kontakt aufgenommen hatte.
Woher sollte sie denn wissen, was an einem Jungwinzer kulturell wichtig war?
Sie stellte sich einen Mann um die dreißig vor, der ein kleines Bäuchlein und einen langen Bart hatte, weil er rund um die Uhr in seinem Weinkeller hockte und hoffte, es würde einen guten Jahrgang geben. Das erzählte sie Inka.
Lena trank einen Schluck und sagte dann resigniert: „Naja, es gibt nun sowieso kein Zurück mehr. Ich habe morgen einen Termin zum ersten Kennenlernen. Das ist sicher so ein muffiges altes Kaff im Rheingau. Die Orte sehen doch alle gleich aus. Und nur Weingüter, Weinberge und Touristen.“
„Oh Mann, was bin ich froh, wenn ich mich nur mit meinen lieben Schülern rumstreiten muss. Du hast ja die wirklich richtigen Probleme. Ich zerfließe vor Mitleid. Armes Lenchen.“
Inka lachte herzhaft und knuffte ihre Freundin in die Seite.
„Vielleicht ist er ja ein heißer Typ. Und dann verknallst du dich in ihn.“
Inka warf ihren schweren Zopf über die Schulter. Alle nannten sie Schneewittchen, auch ihre Schüler. Die Ähnlichkeit mit der Märchenfigur war verblüffend: Inka hatte lange, dicke, schwarze Haare, die ihr bis zur Taille reichten. Meistens trug sie einen geflochtenen Zopf. Die zarte, helle Haut bildete einen heftigen Kontrast dazu. Ihre grünen Augen leuchteten eigentlich immer, dazu hatte sie sanft geschwungene, schmale Augenbrauen, eine kleine gerade Nase und sinnliche Lippen. Sie schminkte sich so gut wie nie, denn was sollte man an ihrer natürlichen Schönheit noch herum malen?
Wie Lena war sie schlank und zierlich. Aber Lena wirkte mit ihren rehbraunen Augen, den schulterlangen braunen Haaren und der Stupsnase erwachsener und realer. Ihre vollen Lippen und die langen Wimpern vollendeten ihre Weiblichkeit.
Die beiden waren vierunddreißig Jahre alt und hatten nicht nur zusammen studiert, sie hatten auch lange Jahre in einer gemeinsamen Wohnung gewohnt. Vor sieben Monaten hatten sie Potsdam gemeinsam verlassen und sich hier in der kleinen Stadt Nastätten zwischen Koblenz und Wiesbaden auf die Suche nach neuen Herausforderungen gemacht.
Auch nach dem Studium waren sie Freundinnen geblieben und hatten schon so manches Abenteuer und zahlreiche Katastrophen überstanden.
Besonders wenn es um Männer ging, waren sie oft verschiedener Meinung. Lena bevorzugte die aufregenden Machos, Inka verliebte sich in die zarten, sanften Typen. Den Mann für eine gemeinsame Zukunft hatten beide noch nicht gefunden.
Inka hatte sofort eine Stelle in der hiesigen Schule bekommen. Lena konnte sich durch ihren ausgezeichneten Ruf gleich am Anfang ein paar tolle Aufträge an Land ziehen.
Nun sagte sie erbost: „So ein Quatsch, diese Typen sind doch immer verheiratet und haben viele Kinder und die Ehefrauen schmeißen den Laden und helfen, wo sie können.“
„Oh! Meine liebe Klugscheißerin, was du alles weißt, weil du ja schon so oft mit diesen Menschen zu tun hattest. Du weißt doch gar nicht, wie das Leben dort ist. Schau es dir an und dann reden wir weiter. Du bist voller Vorurteile, das halte ich gerade nicht aus. Du bist doch sonst nicht so! Gib ihm eine Chance!“
Inka hatte recht, dachte Lena. Sie war voreingenommen. Aber nur, weil sie nicht wusste, wie sie an diese Story herangehen sollte.
Der Mann am Nebentisch hatte sie hinter seiner Zeitung die ganze Zeit beobachtet und den Frauen zugehört. Er grinste vor sich hin. Lena war plötzlich still. Als er die Zeitung aus der Hand gelegt hatte, sich ihre Blicke trafen und sie in die eisblauen Augen dieses gepflegt aussehenden Mannes blickte, klopfte ihr Herz schneller. Sie lächelte ihn an und atmete tief ein und aus. Was für ein schöner Mann, dachte Lena.
Er hatte dunkelbraune kurze Haare, die lässig nach hinten gestylt waren, dazu eine schmale Nase, ausdrucksstarke Augenbrauen, weiche sanfte Lippen und wie die ganze Erscheinung war auch sein Dreitagebart sehr gepflegt. Er trug einen Anzug und ein Shirt und mochte etwa im gleichen Alter sein wie sie. Lena fühlte sich magisch angezogen und konnte ihren Blick nicht von ihm lassen.
Als er seine Zeitung einsteckte und aufstand, um zu gehen, schaute ihm Lena fasziniert hinterher. An der Tür drehte er sich noch einmal um und nickte ihr zu. Inka hatte Lena währenddessen angesehen und nun grinste auch sie vor sich hin.
„Da ist wohl jemand hin und weg?“
„Ach ja, so ein toller Mann. Sicher verheiratet und ich sehe ihn nie wieder … schade. Stattdessen schreibe ich ab morgen über Mister Unwichtig. Aber du hast recht, ich schaue mal, was ich daraus machen kann. Wenn es mir vielleicht doch gefällt, dann wird auch der Artikel gut.“
Sie tranken aus, bezahlten und gingen heim.