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Als Lena am Freitagmorgen auf dem Weingut ankam und ihr Auto abgestellt hatte, öffnete sich die Tür und Marco kam ihr entgegen. Sie blieb stehen und sah ihn an.

„Nanu, wo willst du denn hin?“

„Steig wieder ein. Ich will mit dir woanders frühstücken. Es sei denn, ich soll fahren.“

„Nein, ich fahre. Wo willst du denn mit mir frühstücken?“

Marco grinste, setzte sich neben sie und antwortete: „Das wird nicht verraten. Aus dem Tor bitte links.“

Lena fuhr und Marco sagte nur ab und zu links oder rechts. Es ging sanft bergan. Dann öffnete sich die Landschaft und gab den Blick auf eine alte Villa frei. Lena war gespannt.

Marco ließ sie auf dem großzügigen Vorplatz hal­ten, stieg aus und ging um das Auto herum, um ihr die Tür aufzuhalten. Lena fand das immer spießig, aber er tat das mit einer solchen Selbst­verständlichkeit, dass sie ihn im Stillen bewunderte.

Marco erklärte: „Hier wohnt mein Onkel. Er ist ein großer Weinhändler und der Bruder meiner Mutter. Außerdem ist er hier der Experte für die Winzer-Immobilien. Er ist fünfundsechzig, lustig und mein Ratgeber in allen Lebenslagen. Nur in Liebesdingen kann er mir nicht helfen, denn er hat nie eine Frau gehabt, nur so manche Affäre. Du wirst ihn mögen, meinen Onkel Paul Gravestel.“

„Ja! Ich kenne ihn. Vor vier Monaten habe ich einen Artikel über ihn geschrieben. So einen ent­spannten Menschen habe ich selten gesehen. Und dazu erfolgreich und berühmt. Trotz allen Reichtums fand ich ihn angenehm bodenständig. Damals hatte er im Hemd einfach sein Büro weiß gestrichen und mir auch einen Pinsel in die Hand gedrückt. Er hatte gemeint, das Gelb vorher war affig.“

Beide lachten und gingen durch die große Doppeltür ins Haus. Marco rief seinen Onkel.

„Dann kennt er dich auch. Paul vergisst niemals ein Gesicht.“

Onkel Paul kam die Treppe herunter. Er trug einen Morgenmantel, der über seinem Bauch spannte. Er war groß und trotz der Leibesfülle lief er fröhlich die Stufen hinunter und pfiff beim Anblick von Lena durch die Zähne.

„Ach nein, die Malergehilfin. Du schreibst also über meinen Neffen? Das ist ja ein Glücksgriff. Guten Morgen und herzlich willkommen.“

Lenas Hand wurde kräftig geschüttelt. Marco bekam ein paar feste Schläge auf die Schultern. Onkel Paul öffnete eine Flügeltür und bat sie an einen üppig gedeckten Tisch. Sie frühstückten und dann gingen sie mit den Kaffeetassen in das Nachbarzimmer, die Bibliothek.

Außer an der Fensterfront war alles von der Decke bis zum Boden voller Bücher. Lena ging daran vor­bei und las die Namen auf den Buchrücken. Es gab alles, was das Herz begehrte. Hier würde sie gerne mal ein paar Tage sitzen und lesen.

Die Männer redeten über Geschäftliches, Lena schaute aus dem Fenster. Draußen war der Garten wie ein Park angelegt, ehe wieder die Weinberge kamen. Sie lächelte und fand es wunderbar. Dann setzte sie sich neben Marco auf die große Couch. Der schaute sie an und strahlte.

„Na, ist das persönlich und angenehm genug? Kannst du das andere dann ausblenden für die Story?“

Da lachte Paul und sagte: „Haha, hat sie also schon Bekanntschaft mit deiner Frau gemacht? Das alte Biest war sicher charmant wie immer.“

Lena und Marco nickten gleichzeitig.

„Diese Frau ist irgendwann Marcos Untergang, aber die wollten damals alle nicht auf mich hören. Ich habe euch das von Anfang an gesagt. Darum hat mich meine liebe Schwester auch nicht bei der Hochzeit haben wollen.“

„Paul, hör doch mal auf. Darüber möchte ich selbst mit Lena reden. Sie hat den ersten Schock ganz gut überwunden. Und sie interessiert sich wirklich für alles, was ich mache. Damit fühle ich mich ganz gut.“

Paul klatschte sich auf das Knie und rief: „Ja, so eine Frau wäre etwas für dich gewesen. Eine, die es zu schätzen weiß … Sehr gut, Mädchen.“

Lena war das peinlich.

„Das ist doch selbstverständlich, dass ich mich für meine Mitmenschen interessiere. Marco ist etwas ganz Besonderes und ich wünschte, seine Frau würde das auch so sehen. Aber ihr habt recht, es war schon ein unangenehmes Aufeinandertreffen.“

Marco wechselte nun schnell das Thema und sprach über den neuen Jahrgang. Die Männer verabredeten, dass Paul am Sonntag eine Kiste der verschiedenen neuen Sorten abholen sollte. Er war immer der schärfste Kritiker und sagte, was er dachte. Was Paul bemängelte, konnte auch keine Punkte bei den Experten holen.

Marcos Anspruch war hoch, denn seine Weine gehörten zu den viel prämierten und hochgelobten. Man sagte ihm nach, ein feines Händchen für den richtigen Zeitpunkt zu haben. Lena hörte aufmerksam zu. Hier erlebte sie einen ganz anderen Marco: Geschäftsmann und Kenner. Gegen Mittag machten sie sich auf den Rückweg. Paul hatte ihr wieder kraftvoll die Hand geschüttelt.

Marco fragte im Auto: „Was denkst du nun über deine Arbeit? Wirst du weitermachen? Und das ohne zu lügen oder eine heile Welt vorzugaukeln?“

„Was möchtest du denn? Darf ich schreiben, was real ist? Soll ich die familiäre Ebene heraushalten?“

„Darfst du das denn?“

Lena fuhr an den Straßenrand und entgegnete: „Marco, ich bin hierher geschickt worden, um ein Porträt über dich zu schreiben, persönlich und ro­mantisch. Das Persönliche kann ich gut umsetzen, denn du lässt mich schon ziemlich nah an dein Leben heran. Das Romantische zu finden wird schwer.“

„Gut. Danke, dass du so ehrlich bist. Schreib ein persönliches Porträt und lass Muriel außen vor.“

Sie fuhren weiter. Als sie im Innenhof hielten, stieg sie schnell aus. Lena zeigte auf den Kofferraum.

„Da sind meine Sachen drin für das Wochenende. Ich bleibe.“

Sein Lächeln wurde zu einem Strahlen und er nahm ihr die Tasche aus der Hand, die sie aus dem Kofferraum geholt hatte. Dann begleitete er sie ins Gästezimmer.

„Ist es alles so recht oder brauchst du noch etwas?“

Lena schüttelte den Kopf, stellte ihre Tasche ab und folgte ihm in den Weinkeller zum Arbeiten. Es war ganz selbstverständlich, dass sie ihm heute wieder helfen würde.

Sie wischte Staub von den Flaschen, die er für die Bestellungen in Kartons packte. So arbeiteten sie schweigend bis zum Abend. Dann war alles fertig verpackt und beschriftet im Lager. Er kam an ihren Tisch und legte einen Arm um ihre Schultern.

Sanft küsste er sie auf die Wange und sagte: „Danke für deine Hilfe und die angenehme Ge­sellschaft. Das kenne ich schon lange nicht mehr.“

Lena hatte Gänsehaut bekommen und sie schob ihn ein Stück weg. Sie atmete tief durch.

„Marco, ich mag dich wirklich sehr gerne und es ist eine Offenbarung, hier zu sein. Aber du bist ver­heiratet und solltest mir nicht so nahe sein. Und du solltest mich schon gar nicht küssen. Bitte nicht …“

In dem Moment hatte er sie an sich gezogen und küsste sie sachte auf den Mund. Sie wehrte sich noch kurz, dann gab sie sich seinem Kuss hin. Als sie wieder einigermaßen klar denken konnte, entzog sie sich seinen Armen.

„Mann! Was machst du mit mir?“

„Entschuldige“, sagte er traurig. „Ich konnte nicht anders. Es tut mir leid. Quatsch, es tut mir nicht leid. Es war richtig und ich wusste, dass du es auch willst. Aber gut, ich lasse das sein. Du hast ja recht, wir dürfen das nicht. Die Familie würde mir das Leben zur Hölle machen.“

Lena wollte fragen, wodurch er so unter Druck war und diese Ehe weiterexistieren musste, aber als sie seine traurigen Augen sah, ließ sie es bleiben. Später, dachte sie.

Die beiden räumten auf, er schloss das Büro ab und sie gingen ins Haus. Lena stieg die Treppe hoch. Sie hatte versprochen, in einer halbe Stunde mit ihm zu Abend zu essen. Sie legte sich auf das große weiche Bett und ließ den Tag Revue passieren. Dann ging sie ins Bad und duschte. Sie zog Jogginghose und Shirt an. Auf dem Bett lag Marcos Pullover. Sie nahm ihn in die Hand und dachte an den Kuss. Ja, sie hatte sich verliebt. Was zu befürchten war, dachte Lena und ging nach unten.

Es duftete nach Tee und Rührei. Dazu gab es Bauernbrot, Tomaten und Gurkenscheiben. Er hatte in der Küche gedeckt, die sehr modern eingerichtet und mit hochwertigen, technischen Geräten aus­gestattet war. Alles war weiß oder hellgrau und machte einen edlen, aber auch wenig benutzten Eindruck.

Lena fragte: „Wird hier viel gekocht? Es sieht nicht so aus.“

„Denkst du, Muriel kann kochen? Nicht im Ernst?“

Die beiden lachten herzhaft und obwohl es gemein war, fiel eine große Last von ihnen. Jetzt verstand Lena, wie er mit dieser Frau acht Jahre überlebt hatte. Man musste alles mit Humor nehmen.

Als sie danach ins Wohnzimmer gingen und Marco den Kamin anmachte, fragte sie: „Darf ich dich etwas fragen?“

„Alles, was du willst.“

Lena schaute ihn an.

„Schlaft ihr in einem Schlafzimmer, in einem Bett? Ich kann mir das gar nicht vorstellen.“

Marco schüttelte den Kopf.

„Nein“, sagte er, „sie schläft im Schlafzimmer vorne. Ich schlafe im Gästezimmer hinten. Und ehe du fragst: Den letzten Versuch von Sex hatten wir im ersten Monat unserer Ehe. Miteinander je­denfalls. Es ging einfach nicht und wir konnten es irgendwie nicht. Wir haben es dreimal probiert. Dann haben wir es gelassen. Ich brauche das nicht und was sie macht, ist mir egal.“

Lena sah ihn an und überlegte, was Muriel wohl sagen würde, wenn sie und Marco miteinander ins Bett gehen würden. Er hatte ihre Gedanken erraten und lachte.

„Ich bin ihr egal, aber eigentlich auch ihr Eigen­tum. Sie würde ausrasten und ihre Besitzansprüche geltend machen, wenn wir beide … Also lieber nicht“, betonte er.

Lena atmete auf. Er würde sie nicht wieder in Bedrängnis bringen. Das war ihr nun klar. Es war auch besser, als in dieser Familie zwischen die Fronten zu geraten.

Nach einem Glas Wein sagte sie Gute Nacht und ging ins Bett. Er versuchte nicht, sie zu küssen. Und das war gut so.


Frag mal nach Liebe

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