Читать книгу Herodes. König der Juden - Freund der Griechen - Verbündeter Roms - Ute Schall - Страница 10
Herodes’ Vater, Antipater
ОглавлениеDie Politik, die Pompeius verfolgte – wie bereits erwähnt, bestrafte er auch Hyrkan II., den rechtmäßigen Thronerben, zu dessen Gunsten er eingegriffen hatte, hart und beließ ihm keineswegs das Königtum in seiner ursprünglichen Form – erstaunt nur auf den ersten Blick. Von Beginn der römischen Unterwerfung des Hasmonäerstaats an herrschte zwischen Juden und Römern eine deutliche Spannung. Bei den römischen Machthabern, schon bei Pompeius, hatte sich das Vorurteil festgesetzt, die Juden seien ein für Rom gefährliches und ihm feindlich begegnendes Element, das nur danach trachte, die Eindringlinge so schnell als möglich wieder los zu werden. Dazu hat sicherlich Aristobuls unüberlegtes Handeln beigetragen. Auf jeden Fall, so meinte man in der Hauptstadt des Römischen Reiches, müsse man darauf bedacht sein, in Judäa andere als jüdische Kräfte zu fördern, um ein wirksames Gegengewicht zu erhalten. Sie sollten die Juden einengen und bedrängen, damit man eines Tages einen Grund fände, diese erbarmungslos niederzuwerfen.
Konnten aber die Juden den Römern auch nur die geringsten Sympathien entgegenbringen? Wohl kaum. Mit dem Betreten des Allerheiligsten hatte Pompeius nicht nur ein Tabu gebrochen, sondern ein todeswürdiges Verbrechen begangen, das ihm die jüdische Tradition nie verzieh. „Denn selbst gemäßigt fromme Kreise sahen darin eine entsetzliche Demütigung, ein Sakrileg, das auch die Tatsache, dass Pompeius nichts antastete und nichts wegschleppen ließ, nicht zu kompensieren vermochte.“1 Hatte nicht schon der Seleukidenherrscher Antiochos III. mehr als eineinviertel Jahrhunderte zuvor den Juden garantiert, dass kein Fremder den heiligen Ort ungestraft erblicken durfte? Wie sehr sich die Juden an diesen religiösen Grundsatz immer noch halten, mag die Tatsache verdeutlichen, dass die Strenggläubigen unter ihnen bis heute das Betreten des Tempelbergs vermeiden, um nicht versehentlich in den nicht mehr genau lokalisierbaren Bereich des ehemaligen Tempelinneren zu gelangen.
Nachdem Pompeius beschlossen hatte, das Hasmonäerreich und den alten Judenstaat zu beseitigen und durch romfreundliche Kräfte zu ersetzen, war Antipaters große Stunde gekommen. Ihm war als Einzigem in der näheren Umgebung Hyrkans II. aufgegangen, was die römische Okkupation für das kleine, bislang relativ unabhängige Reich der Juden bedeutete. Wer auch immer das gewaltige Rom führen mochte, Judäa war ihm vorbehaltlos ausgeliefert.
Antipater war Realist genug, sich diese Tatsache künftig stets vor Augen zu halten. Sein Stern stieg unaufhaltsam. Aber es war für ihn nicht immer leicht, sich zwischen den oft rivalisierenden römischen Machthabern zu entscheiden und den für sich und die Juden günstigsten Weg zu finden.
Rom entgingen die Bedeutung und das diplomatische und politische Geschick dieses Mannes nicht. Ihm allein konnte man die Aufgabe übertragen, die noch immer lodernde hasmonäische Bewegung einzudämmen und den Juden zu vermitteln, dass die widerspruchslose Unterwerfung und die Anerkennung von Roms Überlegenheit der einzige Weg in eine friedliche Zukunft waren. Was die anderen Ziele der römischen Judenpolitik, den Wiederaufbau der Griechenstädte und die Stärkung hellenistischer Kräfte in Palästina, betraf, wollten die Regierenden in Rom die Zügel noch nicht aus der Hand geben. Sie sollten noch dem römischen Statthalter vorbehalten bleiben. Erst in der Person des Herodes, des Sohnes Antipaters, fand sich dann eine Persönlichkeit, die, sehr zum Verdruss vieler Juden, vertrauenswürdig und Rom hörig genug zu sein schien, beide Aufgaben zur Zufriedenheit Roms zu erfüllen. Mit eiserner Hand hielt dieser das jüdische Volk ruhig und förderte nach Kräften die hellenistische Kultur, die unter seiner Herrschaft eine ungeahnte Blüte entfaltete. So musste sich dem Außenstehenden bald die Überzeugung aufdrängen, „dass Palästina nur ein Teil der alle Völker umfassenden hellenistisch-römischen Welt sei“2.
Davon wird später noch ausführlich zu berichten sein.
Trotz aller Unzufriedenheit blieb die Lage unter dem Statthalter Scaurus und dem Hohepriester Hyrkan einige Jahre stabil, und „Schritt um Schritt gewann die pax Romana Raum“3. Dies lag wohl auch daran, dass Rom selbst nach Pompeius’ erfolgreichem Ostfeldzug einige ruhige Jahre genoss. Vielleicht wäre der Friede von Dauer gewesen, hätte sich nicht wieder die Familie Aristobuls gegen die Römer aufgelehnt. Zweifellos warf aber auch der aufziehende Bürgerkrieg in Italien seine Schatten auf den Nahen Osten, wo die Ungewissheit der politischen Entwicklung zu neuer Unsicherheit führte.
Nicht eben rühmlich für die erhabene Weltmacht war, dass es Aristobuls Sohn Alexander gelang, aus der römischen Gefangenschaft zu entkommen und sich in seine Heimat durchzuschlagen, um dort gleich wieder das Banner des Aufruhrs zu hissen. Er nahm einige Festungen ein und näherte sich Jerusalem, wo er trotz der römischen Besatzung die von Pompeius zerstörten Mauern wieder aufzubauen versuchte. Doch hatte er nicht mit Aulus Gabinius gerechnet, dem Gefolgsmann des Pompeius, der das nicht dulden konnte. 58 v. Chr. war er in Rom Konsul gewesen, hatte dort die Verbannung Ciceros durchgesetzt und sich an der Plünderung und Zerstörung von dessen Landhaus beteiligt, ehe er im Jahr darauf als Proprätor nach Palästina zurückkam. Er vertrieb die Aufständischen aus Jerusalem. Daraufhin sammelte Alexander eine große Schar Gleichgesinnter – von immerhin 10.000 Fußsoldaten und 1.500 Reitern ist die Rede – und besetzte strategisch wichtige Stellungen wie die Festungen Alexandreion und Machaerus, das über dem Ostufer des Toten Meeres lag, eine schwere Herausforderung nicht nur für Hyrkan, sondern auch für Rom. „Alexander fühlte sich so sicher, dass er Münzen prägen ließ mit griechischer und hebräischer Inschrift ‚König Alexander und Hohepriester Jonathan‘.“4
Es fiel Gabinius, von Antipater unterstützt, allerdings nicht schwer, den selbst ernannten König zu schlagen. Die Führung seiner Truppen hatte er selbst übernommen und auch von anderer Seite unerwartet Hilfe erfahren: Alexanders Mutter, die wohl um das Leben ihrer Angehörigen und um ihr eigenes fürchtete – ihr Gatte und ihre anderen Kinder befanden sich ja noch in Gefangenschaft in Rom –, war als Vermittlerin aufgetreten und hatte dem Römer empfohlen, die Mauern der von ihrem Sohn besetzten Festungen zu schleifen, um auf diese Weise einem weiteren Krieg vorzubeugen.
Die Vorhut der römischen Streitmacht war von einem jungen Offizier angeführt worden, der, nicht nur wegen seiner Extravaganzen, sondern auch wegen seines Muts und seiner Tapferkeit, noch viel von sich reden machen sollte. Sein Name war Marcus Antonius. Er war 26 Jahre alt und sollte bald zu Herodes’ engsten Freunden gehören.
Durch Schaden klüger geworden, brachten die Römer Alexander diesmal in Ketten nach Rom. Seine beiden Söhne ließ der römische Senat frei. Dies war die Bedingung, die Alexanders Mutter dem römischen Kommandanten vor der Übergabe der Festungen gestellt hatte.
Trotz der Unruhen im Land gelang es Gabinius, Palästina von Grund auf neu zu ordnen. Widerspenstig war das Volk der Juden, und es wäre äußerst unklug gewesen, ihm einen eigenen Verwaltungsmittelpunkt und damit seine wirtschaftliche und kulturelle Einheit zu belassen. Also teilte er Restjudäa in fünf Bezirke auf, von denen jeder einen eigenen Verwaltungsrat (Sanhedrin) für innere Angelegenheiten erhielt: Jerusalem, Jericho und Gezer, das den Zugangsweg von Jaffa und die von Ägypten nordwärts führende Straße, einen der Hauptverbindungswege, beherrschte. Amathus (auch Ammathus) östlich des Jordans verwaltete den Landstrich Peräa. Sepphoris bei Nazareth schließlich stieg zur Hauptstadt Galiläas auf. Idumäa wurde nicht erwähnt. Es gehörte „zum Verwaltungsbezirk Jerusalem, aber die Tatsache, dass man Hebron als Provinzhauptstadt überging, weist darauf hin, dass Antipater es vorzog, dieses Gebiet als persönliches Lehen zu regieren“5. Das „System einer Bezirksverwaltung war dem Lande angepasst. Unberührt vom Auf und Ab der geschichtlichen Entwicklung hat es sich im Wesentlichen bis auf den heutigen Tag erhalten“6. So der Altertumshistoriker Stewart Perowne.
Es bedarf fast keiner Erwähnung, dass an die Spitze der Verwaltungsräte nur solche Juden berufen wurden, die eine romtreue Linie verfolgten.
Ein Jahr, nachdem sein Sohn Alexander ins Land der Väter zurückgekehrt war, gelang auch Aristobul und seinem Jüngeren, Antigonos, die Flucht aus den römischen Kerkern. Doch sollte es zumindest für den Vater nur ein kurzer Traum von Freiheit werden. In Judäa angekommen, machte sich Aristobul daran, zunächst die Feste Alexandreion in Stand zu setzen, um sie als Stützpunkt für seine Erhebung zu benutzen. Aber der Versuch wurde von den Römern vereitelt, die den Juden in einer Schlacht schlugen. Mit dem Rest seiner Mannschaft, die zu Beginn seines Protests 8.000 Bewaffnete betragen hatte, zog sich der Aufwiegler in das zerstörte Machaerus zurück. Aber schon nach zwei Tagen musste er sich ergeben und wanderte erneut als Gefangener in Ketten nach Rom. Übereinstimmend berichten die antiken Autoren, seine Kinder seien vom römischen Senat ihrer Mutter unversehrt zurückgegeben worden, wie Gabinius es ihr versprochen hatte.7 Machaerus war übrigens die Festung, die später eine traurige Berühmtheit erlangen sollte: als Inhaftierungsort und Hinrichtungsstätte Johannes’ des Täufers.
Auch in Ägypten hatte es Unruhen gegeben, die die Aufmerksamkeit der Römer erforderten. Ptolemaios XII. Auletes, Kleopatras Vater, war dort von der Bevölkerung verjagt worden, und es war von Nutzen, dem Römerfreund wieder zu seinem Recht und seinem Thron zu verhelfen. Also brach Gabinius in das alte Land am Nil auf. Dazu sollen ihn auch üppige Bestechungsgelder des Auletes bewogen haben: Von 10.000 Talenten ist die Rede, mehreren Millionen Euro,8 die Gabinius bald zum Verhängnis gereichen sollten.
Antipater versorgte ihn nicht nur mit Proviant, Waffen und Geld. Östlich des Nildeltas lag in unmittelbarer Flussnähe die kleine Stadt Pelusion, eine Grenzfestung an der Straße, die Ägypten und Palästina verband. Dort befand sich auch die erste Furt, die das Überqueren des Nils erlaubte. Pelusion war überwiegend von Juden bewohnt und offensichtlich entschlossen, den Römern den Durchmarsch zu verweigern. Es gelang Antipater jedoch, die Bürger von Pelusion für sich zu gewinnen. Möglicherweise gab er sich dabei als Wahrer von Hyrkans Interessen aus. Leider schweigen hierzu die alten Quellen. Nur soviel ist bekannt: Befehlshaber der Reiterei war wiederum Marcus Antonius. Er sollte sich noch lange daran erinnern, dass Antipater die Römer während des beschwerlichen Wüstenmarsches nicht nur materiell unterstützt, sondern sich auch als wertvoller Vermittler erwiesen hatte …
Währenddessen brachen aber auch in Judäa selbst wieder Unruhen aus. Alexander, einer der letzten Hasmonäererben, hatte sich erneut verschworen. Wieder war es ihm gelungen, eine beachtliche Menge Unzufriedener zu den Waffen zu rufen. Mit ihnen zog er im Lande umher und tötete alle Römer, die ihm über den Weg liefen. Tausende, die ihm entkommen waren, schloss er auf dem Berg Garizim ein, dem damals wie heute heiligen Berg der Samaritaner, auf dem einst ihr bedeutendstes Heiligtum gestanden hatte.
In offizieller Mission – Gabinius hatte ihn nach Judäa zurückgeschickt – forderte Antipater die Rebellen auf, sich zu ergeben. Viele folgten dem Aufruf. Aber ebenso viele waren entschlossen, bis zur bitteren Neige weiterzukämpfen. Gabinius drängte sie nach Norden ab und besiegte sie in einer blutigen Schlacht am Fuß des Berges Tabor. 10.000 Anhänger Alexanders fanden dabei den Tod.9 Damit brach der Aufstand zusammen.
Aus Dankbarkeit für die Unterstützung erweiterte Gabinius Antipaters Vollmachten in Jerusalem. „Langsam, aber stetig kam“ auf diese Weise „die stillschweigende Allianz zustande, die Antipater und Rom künftig aneinander binden sollte.“10
Vielleicht wäre es dem offensichtlich tüchtigen Römer noch geglückt, Judäa endgültig zu befrieden. Aber die Abberufung nach Rom stand bevor, und er freundete sich mit dem Gedanken an, seinem designierten Nachfolger, Marcus Licinius Crassus, Platz zu machen. In freudiger Erwartung eines verdienten Triumphes kehrte er nach Italien zurück. Aber er wurde der Veruntreuung angeklagt, und selbst der redegewandte und scharfzüngige Cicero vermochte die Richter nicht von Gabinius’ Unschuld zu überzeugen. Sie verurteilten ihn, die Millionen, die er von Auletes erhalten hatte, herauszugeben. Dazu war er nicht in der Lage, und so schickte man ihn in die Verbannung, die für manchen Römer schlimmer war als der Tod.
Was geschah mit Alexander? Bis er auf Befehl des Pompeius hingerichtet wurde (49 v. Chr.), hören wir von keiner weiteren Erhebung, die er angezettelt hätte. Hatte er sich vom politischen Leben zurückgezogen und auf seinen Anspruch als Hasmonäerprinz verzichtet? Wohl kaum. Neuzeitliche Historiker vermuten, er habe sich auf Anraten Antipaters mit seiner Cousine Alexandra, einer Tochter Hyrkans, vermählt, vielleicht durch die Vermittlung der Gattin Aristobuls, die damit dem Familienfrieden zu dienen hoffte.11 Zudem hätte die Heirat dem Bräutigam Aussicht geboten, selbst einmal das verantwortungsschwere Amt des Hohepriesters zu übernehmen, eine Lösung, die ganz im Sinne Antipaters gewesen wäre, „dieses ausgeprägten Mannes des Ausgleichs, der stets politische Verhandlung der Gewaltanwendung vorzog“, wie der Historiker Abraham Schalit bewundernd bemerkt.12
Schon einige Jahre zuvor, 60 v. Chr., hatten sich im Zentrum der Weltmacht drei Männer, die ungleicher nicht sein konnten, in einem Privatbündnis, dem so genannten Triumvirat (Dreimännerbund), zusammengeschlossen: Pompeius, Crassus und Caesar. 55 v. Chr. kam Crassus, wie erwähnt, als Statthalter nach Syrien. Er zählte zu den reichsten Männern des Imperiums. Sein märchenhaftes Vermögen hatte er durch Brand, Krieg, Sklavenhandel und das Elend anderer zusammengerafft. Er galt als übler, eitler Genussmensch, der nur eines vermisste: militärische Verdienste, um die er seine beiden Kollegen beneidete. Obwohl in fortgeschrittenem Alter – er war bereits 60 –, gierte er nach Kriegsruhm und wollte diesen ausgerechnet in einem Treffen mit dem römischen Erbfeind, den von Rom bislang unbesiegten Parthern, jener „Barbarenmacht, die auf den Trümmern des Seleukidenreiches jenseits des Euphrats entstanden war“, gewinnen.13 An seiner neuen Wirkungsstätte angekommen, raubte er in Jerusalem „alles im Tempel befindliche Geld, welches Pompeius nicht angerührt hatte, im Ganzen 2.000 Talente, und vermaß sich sogar, alles Gold im Werte von ungefähr achttausend Talenten daraus zu entfernen“14. Emotionsgeladen schildert der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus die Vorfälle, die sich damals an Israels heiligster Stätte zugetragen haben. Sein Bericht über die Ereignisse, die zu seiner Zeit weit mehr als hundert Jahre zurücklagen, beweist, wie lebendig die Überlieferung in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts noch gewesen sein muss und wie schmerzlich die Schändung des Heiligtums durch einen Fremden im Bewusstsein des jüdischen Volkes haften geblieben war.
Seinen Partherfeldzug finanzierte Crassus nun größtenteils mit der Beute seines Raubzugs. Es mochte für die Juden eine gewisse Genugtuung bedeutet haben, dass ihm diese kein Glück brachte.
Bei Carrhae, einer Stadt im Nordosten Mesopotamiens, erlitt der kühne Römer durch die parthische Reiterei eine der schändlichsten Niederlagen der römischen Geschichte. Die Römer hatten nicht nur 20.000 Tote und 10.000 Gefangene zu beklagen, sondern auch den Verlust der Adler von sieben Legionen. Als sich ihr Führer anschickte, die Reste seiner geschlagenen Truppen geordnet zurückzuführen, geriet er in eine feindliche Falle. Um an den verhassten Eindringlingen ein Exempel zu statuieren, goss man ihm flüssiges Gold, nach dem er zeitlebens so heftig gegiert hatte, in die Kehle. Dann brachte man sein abgeschlagenes Haupt an den Hof des Partherherrschers, wo es als Spielball ein Gastmahl an der königlichen Tafel bereicherte, ehe es im Kuriositätenkabinett des Palastes verschwand.
Die Kunde von dieser Demütigung durcheilte den ganzen Orient und löste in Rom banges Entsetzen aus. Die westliche Welt zitterte. Die Juden aber sahen in ihr ein göttliches Strafgericht und erkannten, dass die bislang scheinbar unbesiegbare Weltmacht durchaus verletzlich war.
Es ist nicht überliefert, wie sich Antipater in jener für die Juden so leidvollen Epoche verhielt. Möglicherweise hat er sogar Crassus unterstützt in der Hoffnung, dadurch noch schlimmeres Unheil zu verhüten. Es ließ dennoch nicht lange auf sich warten.
Zum Glück für Rom nutzten die Parther ihren fulminanten Sieg nicht aus. Es kam zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der parthischen Führung, denen der beste Feldherr des Königs auf dessen Geheiß zum Opfer fiel. Der Oberbefehl über die römischen Truppen ging indes auf C. Cassius Longinus über, Quästor des Crassus und fähiger General. Er war zudem überzeugter Republikaner und jener Mann, der sich wenige Jahre später an der Ermordung Caesars maßgeblich beteiligen sollte.
Es liegt auf der Hand, dass die Juden versuchten, Roms Schwäche auszunutzen, und sich erneut erhoben. Cassius, der mit der Abwehr des Partherheeres beschäftigt war, konnte dem Aufruhr nicht gleich begegnen. Führer der Aufständischen war diesmal ein gewisser Peitholaos, der sich früher als loyaler Feldherr Antipaters hervorgetan, inzwischen aber den Umtrieben Aristobuls angeschlossen hatte.
Nach Beendigung des Partherfeldzugs rückte Cassius in Galiläa ein und schlug die Aufständischen bei Tarichaia am See Genezareth vernichtend. 30.000 Juden wurden in die Sklaverei verkauft. Ihren Anführer ließ Cassius auf Anraten Antipaters hinrichten.
Hyrkan und Antipater: Man machte es sich sicherlich zu einfach, sie nur als willfährige und deshalb verachtenswerte Römerknechte zu betrachten. Gewiss, sie zögerten nicht, die fremden Eindringlinge gegen ihre eigenen Landsleute, die letzten nach Unabhängigkeit und Freiheit strebenden Hasmonäer, zu unterstützen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass es Hyrkan sicherlich nicht an Vaterlandsliebe mangelte, sondern er sich nur den Römern verpflichtet fühlte, die immerhin seine Ansprüche als rechtmäßig anerkannt und gegen seinen Bruder durchgesetzt hatten. Es war die Tragik seines Lebens, dass er von Natur aus schwach und leicht zu beeinflussen war und in Antipater einen „Wahrer“ seiner Interessen gefunden hatte, der über all die Eigenschaften verfügte, deren es zum Herrschen bedarf. Tatsache ist, dass die Römer in diesem Mann den zuverlässigeren Ansprechpartner sahen, und allmählich alle Macht und Entscheidungsgewalt in dessen Hände übergingen. Dazu kam, dass Antipater, nachdem er die politischen Verhältnisse sorgfältig abgewogen hatte, trotz der offensichtlich wiedererstarkten Kräfte Asiens ganz auf Rom setzte und damit instinktiv richtig entschied.
Gab es denn für das kleine Volk der Juden eine Möglichkeit, sich dem Einfluss der Weltmacht noch zu entziehen? Fraglos und verständlicherweise fühlte sich die Masse des Volkes eher zu den Nationalisten hingezogen. Die Zeit aber und vor allem die Herrschaft des Herodes mit ihren glänzenden außenpolitischen Erfolgen gaben jenen Recht, die für eine enge politische Zusammenarbeit mit Rom eintraten. Wären die Juden bereit gewesen, den ständigen Ermahnungen Antipaters zu folgen und sich in ihr unabänderliches Schicksal zu fügen, wären ihnen wahrscheinlich viel Leid und Blutvergießen erspart geblieben, und die Geschichte der kommenden Jahrhunderte hätte vielleicht einen anderen Verlauf genommen.