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Der Verfall der Makkabäerherrschaft

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Simon, der letzte überlebende Sohn des Mattathias, war seinem ermordeten Bruder Jonatan nicht nur als Hohepriester nachgefolgt. Ihm wurde 140 v. Chr. nach einer Art stillschweigenden Waffenstillstands mit Syrien von seinem Volk auch der Titel eines Fürsten verliehen und die Erblichkeit dieser Würde bestätigt. Als weltlichem Führer der Juden gelang ihm die Rückeroberung einiger Städte Judäas, die in die Hände feindlicher Stämme gefallen waren. Er festigte seine Herrschaft, und bald kehrten in Israel Ruhe und ein gewisser Wohlstand ein, wenn auch die Auseinandersetzungen mit den Seleukiden nie ganz aufhörten.

Nicht alle Juden zeigten sich indes mit dem Erreichten zufrieden. Viele sahen in naher oder ferner Zukunft noch immer den Anbruch der Gottesherrschaft und wollten die getroffenen Vereinbarungen nur so lange gelten lassen, „bis Gott einen wahren Propheten erweckt“1. Manche der endzeitlich ausgerichteten Frommen zogen sich nach Qumran am Nordufer des Toten Meeres zurück, wo sie sich der Schriftauslegung widmeten und der verheißenen Ankunft des Messias entgegenträumten. In den Hasmonäern sahen sie „Frevelpriester“, die in ihren Augen das heilige Amt profaniert hatten.

Die meisten von Simons Untertanen aber waren sich einig, dass unter ihm der Wohlstand zurückgekehrt war und man in Ruhe die Felder bebauen konnte. Nach dem Vorbild seiner Brüder festigte auch er den Frieden durch ein Bündnis mit Rom, in dem der römische Senat dem jüdischen Volk das uneingeschränkte Recht auf sein Land garantierte.

In Syrien hatte inzwischen der Bruder des Demetrios, Antiochos VII., den Thron bestiegen, der letzte bedeutende Vertreter eines dem Untergang geweihten Geschlechts. Dieser erhob erneut Anspruch auf Judäa. Offensichtlich verbündete sich mit ihm Simons Schwiegersohn Ptolemaios, der Gouverneur von Jericho, gegen die eigenen Verwandten. Während eines Gastmahls ließ er Simon und zwei von dessen Söhnen ermorden (135 v. Chr.). Ein weiterer, Johannes (Hyrkan), sollte ebenfalls umgebracht werden, konnte sich aber in Sicherheit bringen. Hatte der verwegene Ptolemaios geplant, die gesamte Familie der Hasmonäer auszurotten und die Herrschaft über Judäa an sich zu reißen?

Johannes Hyrkan I. jedenfalls trat die Nachfolge seines Vaters an und setzte sich allmählich gegen den ehrgeizigen Verwandten durch. Auch ihm machten die Syrer noch Schwierigkeiten. Sie belagerten ein Jahr lang Jerusalem, bis die Stadt aus Mangel an Nahrungsmitteln zu kapitulieren gezwungen war. Die Friedensbedingungen waren jedoch ungewöhnlich mild, da plötzlich eine gemeinsame Gefahr aufgetreten war: Die Parther, gegen die wieder einmal Krieg geführt werden musste. Allerdings hatte Johannes Hyrkan dreihundert Talente Silber sofort und zweihundert weitere binnen einer bestimmten Frist zu bezahlen und im anstehenden Partherfeldzug Heeresfolge zu leisten.

Um diesen Verpflichtungen nachkommen zu können, ließ er das Grab Davids öffnen, in dem Judäas Silberreserven lagen. Er warb mit dem Geld auch fremde Söldner an. Beides erschien den frommen jüdischen Kreisen äußerst bedenklich.

Aber die Herrschaft des Enkels des Mattathias stand unter einem günstigen Stern. König Antiochos VII. kehrte vom Partherfeldzug nicht zurück, was die Auflösung des Seleukidenreichs beschleunigte. Geschickt nutzte Johannes Hyrkan die dort erneut auftretenden Thronstreitigkeiten, um sein Herrschaftsgebiet zu erweitern. Nach nur zehnjähriger Regierung hatte er bereits Samaria annektiert, ebenso das im Süden gelegene Idumäa. Die Bevölkerung der unterworfenen Gebiete wurde gezwungen, den jüdischen Glauben anzunehmen, da man sich ihrer Loyalität versichern wollte. Unter den Zwangsbekehrten befanden sich auch die Vorfahren Herodes des Großen. Das gab diesem später „die Möglichkeit, sich zum König der Juden aufzuschwingen“2.

Die Idumäer oder Edomiter waren ein den Juden verwandtes Volk, das seine Herkunft auf Esau oder Edom, den Sohn Isaaks und älteren Bruder Jakobs, zurückführte. Möglicherweise waren sie sogar älter als die Juden selbst.3 Sie hatten ursprünglich südlich des Toten Meeres gesiedelt. Ihre Hauptstadt hieß Sela, das in der griechischen Übersetzung Petra genannt wurde, der Fels. Allmählich waren sie jedoch von den Nabatäern verdrängt worden und ins südliche Judäa westlich des Toten Meeres ausgewichen. Ihre neue Hauptstadt wurde Hebron, das noch heute immer wieder für Schlagzeilen sorgt.

Gelegentlich hatten sich die Idumäer, wenn sie sich Vorteile davon versprachen, mit den Juden verbündet. Im Allgemeinen aber waren sie diesen feindlich gesonnen. Schon König Saul hatte Edom niedergerungen, und auch seine Nachfolger hatten sich gegen diesen Erbfeind nach Kräften gewehrt.

Leider ist nirgendwo überliefert, wie die Zwangsjudaisierung vor sich ging. Jedenfalls scheint in den Tagen des Johannes Hyrkan I. die frühere Praxis, die auch die Hebräer beachtet hatten, dass nämlich jemand, der in das Land einer anderen Gottheit zog, die seine aufgab und gegen die des neuen Ortes tauschte, nicht mehr geübt worden zu sein. Das Babylonische Exil im sechsten vorchristlichen Jahrhundert hatte hier eine starke Veränderung auch im jüdischen Denken bewirkt. Nicht mehr Land und Gott wurden jetzt miteinander verknüpft, sondern Gott und Volk, das sich auch im Exil mitten unter Fremden als geschlossene Gesellschaft sah, die überlieferten Bräuche beachtete und weiterhin Jahwe als seinem Herrn verbunden blieb. Die Religion war damit nicht mehr die Folge einer zufälligen Wohnsitzveränderung, sondern bewusste Wahl, die sich an jedem Ort der Welt zum einigenden Band aller, die sich gleichen Zielen verpflichtet fühlten, entwickeln konnte.

Dieses Bewusstsein war auch im ausgehenden zweiten vorchristlichen Jahrhundert noch vorhanden, wenn auch das Judentum zu dieser Zeit schon alles andere als eine geschlossene Glaubensgemeinschaft war. Als der Makkabäeraufstand seinen Höhepunkt erreicht hatte, hielten wohl die meisten Juden noch am überlieferten, auf den Tempel in Jerusalem gerichteten Opferkult fest, der sich bis zu dessen Zerstörung im Jahr 70 n. Chr. behauptete. Daneben zeichneten sich aber schon die Anfänge des rabbinischen Judentums der Synagoge ab, eines „beweglichen“ Glaubens, der das Tempelopfer nicht mehr in den Mittelpunkt des Kults stellte und damit besonders den in der Diaspora lebenden Juden entgegenkam. Der Tempel stand unverrückbar in Jerusalem, oft Hunderte von Kilometern von jüdischen Siedlungen entfernt. Die heiligen Schriften hingegen begleiteten die Gläubigen, wohin diese auch wanderten, und Gebetshäuser ließen sich mit verhältnismäßig geringen Mitteln überall errichten.

Es ist nicht bekannt, wie weit diese Entwicklung zur Zeit der Unterwerfung der Idumäer schon fortgeschritten war. Deshalb kann auch nicht endgültig geklärt werden, „welche Gestalt und Version bzw. welche Intensität des Judentums ein Konvertit in der Zeit des Johannes Hyrkanus übernahm“4 .

Ebenso wenig ist überliefert, wie sich die Bekehrung vollzog. Wurde dem zu Bekehrenden nur gut zugeredet? Begnügten sich die neuen Herren mit der Beschneidung der männlichen Konvertiten? Oder legte man seitens der Eroberer nur Wert auf die Übernahme bestimmter sozialer Verhaltensweisen, etwa den Verzicht auf Schweinefleisch und die Beachtung des Sabbatgebots? Wie stand es mit der Tempelsteuer, die in Höhe eines halben Schekel jährlich nach Jerusalem zu entrichten war? Waren Zwang und Gewalt erforderlich, um die Bewohner des eroberten Landes von der Notwendigkeit des religiösen Umdenkens zu überzeugen? Wir wissen es nicht. Sicher ist nur, dass auch noch hundert Jahre nach diesen Maßnahmen die Nachkommen der Bekehrten allenfalls als Juden minderen Ranges galten, eine Tatsache, die – neben seiner nichtköniglichen Abstammung – die Durchsetzung von Herodes’ Anspruch beim eigenen Volk erschwerte und sein Selbstbewusstsein als Herrscher tief erschütterte.

Sicherlich erwies sich die Eingliederung der Konvertiten als schwierig, da sich selbst die frommen Juden in ihren Glaubensvorstellungen uneins waren. Zum einen gab es die Rivalität zwischen dem Tempel mit seinem Aufgebot an Priestern und der Bewegung der stärkeren Betonung der Schrift, zum anderen gab es innerhalb dieser gegensätzliche Vorstellungen, was die buchstabengetreue Auslegung und die Interpretation vor allem der Bibel betraf. Für die einen stellte die wörtliche Auslegung die einzige Wahrheit dar. Die anderen folgerten, zogen Lehren und passten das überlieferte Wissen den Forderungen der jeweiligen Epoche an. Doch wie sehr hatten sich die gegensätzlichen Standpunkte zur Zeit des Makkabäeraufstands verhärtet? Auch hier kann niemand gesichertes Wissen für sich in Anspruch nehmen, zumal sich schon die alten Quellen widersprechen. In den beiden Hauptwerken des Flavius Josephus, die die Zeiten überdauert haben und aus denen wir trotz mancher Ungereimtheiten unsere größte Kenntnis des antiken Judentums schöpfen – den „Jüdischen Altertümern“ (Antiquitates Iudaicae) und dem „Krieg der Juden gegen die Römer“ (Bellum Iudaicum) – spricht der Geschichtsschreiber einmal von einem Anwachsen der pharisäischen Strömung in der Regierungszeit der Königin Alexandra, die von 76 bis 67 v. Chr. herrschte;5 an anderer Stelle behauptet er, es hätte bereits zur Zeit des 142 v. Chr. ermordeten Jonatan drei religiöse Parteien gegeben: die Sadduzäer, die „ökonomisch und sozial eine Oberschicht darstellten“6, die Pharisäer als volksnahe Repräsentanten der Mittelschicht und die besonders schriftgetreuen Essener.

Dass es schon damals zumindest verschiedene wie auch immer ausgeprägte Richtungen gab, beweist die Tatsache, dass sich Johannes Hyrkan I. gegen Ende einer fast dreißigjährigen Regentschaft bemühte, einen zwischen Sadduzäern und Pharisäern schwelenden Konflikt zu lösen. Testamentarisch trennte er das Amt des Hohepriesters von den weltlichen Machtbefugnissen und setzte seine Witwe als Erbin des Thrones und seinen Sohn Aristobul als geistlichen Oberhirten ein.

Aber der Jüngling dachte nach dem Tod des Vaters nicht daran, auf die weltliche Macht und die Möglichkeiten, die sie ihren Inhabern bot, zu verzichten. Er warf seine Mutter ins Gefängnis, wo sie langsam verhungerte, nahm den Königstitel an und setzte die Expansionspolitik seines Vaters fort. Zu seinen herausragenden und für die Geschichte des Judentums (und später des Christentums) folgenreichsten Leistungen gehörte die Unterwerfung Galiläas, das wie andere bereits annektierte Gebiete zwangsjudaisiert wurde. Der König stellte damit sicher, dass auch jedes von galiläischen Müttern geborene Kind zum Judentum gehörte – bis hin zu Jesus von Nazareth.

Aristobuls I. Herrschaft endete nach nur einem Jahr. Er starb, ohne leibliche Erben zu hinterlassen.

Auch sein Bruder Alexander Iannaeus, grausamer noch als der Vorgänger, war vom Schicksal nicht begünstigt, wenn er sich auch 27 Jahre lang auf dem Thron hielt. Er konnte sein Herrschaftsgebiet zwar geringfügig erweitern, hatte aber innenpolitisch schwere Auseinandersetzungen mit den Pharisäern zu bestehen, die sich von ihm bis zur Schmerzgrenze provoziert sahen. Er hatte unvorsichtigerweise auf seine Münzen „Alexander der König“ schlagen lassen, zweisprachig, hebräisch und griechisch, worin viele seiner Gegner eine Hellenisierung erblickten. 90 v. Chr. kam es zum offenen Aufruhr. Flavius Josephus spricht von einem Bürgerkrieg, der sieben Jahre gedauert und 50.000 Opfer gefordert habe. Doch wie immer, wenn der Geschichtsschreiber Flavius Josephus von Zahlen spricht, sind seine Angaben mit größter Vorsicht zu bewerten. Man darf aber trotzdem annehmen, dass während der Auseinandersetzungen sehr viele Menschen ihr Leben verloren. Stimmen indes dürfte die Nachricht, der König habe damals die Kreuzigung als Todesstrafe eingeführt, eine bis dahin in Israel nicht bekannte Hinrichtungsart.

Alexander Iannaeus wäre in diesem Konflikt wohl unterlegen, hätte er nicht fremde Söldner zu Hilfe geholt. Doch auch seine Gegner suchten auswärtige Unterstützung. Sie wandten sich an die Seleukiden, die ihnen tatsächlich gegen ihren König zu Hilfe eilten. Erst mit der Zeit sahen sie ein, dass es doch vorteilhafter war, sich dem eigenen Herrscher zu beugen, mochte der auch seine Schwächen haben. Die Lage beruhigte sich, nachdem auch Alexander Iannaeus erkannt hatte, dass ihm in der Behandlung der Pharisäer schwerwiegende Fehler unterlaufen waren. Es kam zur Aussöhnung, deren Wirkungen der König aber nicht mehr lange genießen konnte. Übermäßiger Alkoholgenuss hatte seinem Körper schwer zugesetzt. Er setzte seine Witwe Alexandra Salome zur Regentin ein und empfahl ihr noch auf dem Sterbebett, den inneren Frieden zu bewahren. Die Pharisäer waren zuletzt mit ihm sehr zufrieden gewesen. Nach seinem Tod traten sie vor das Volk und rührten es durch ihre Lobeshymnen auf den Verstorbenen zu solcher Trauer, dass man ihm ein Begräbnis ausrichtete, wie es noch kein König vor ihm gehabt hatte.7

Wie er es verfügt hatte, folgte ihm Alexandra Salome auf dem Thron nach, die zunächst Aristobul I., dann dessen Bruder Alexander Iannaeus geheiratet hatte. Ihr zweiter Gatte starb im Alter von 49 Jahren. Die Witwe war bei seinem Tod bereits 64 Jahre alt und hatte damit ein zu damaliger Zeit hohes Alter erreicht. Dennoch führte sie die Staatsgeschäfte mit sicherer Hand. Schon zuvor hatte sie offensichtlich großen Einfluss besessen und von Johannes Hyrkans I. fünf Söhnen zwei töten lassen, – ein damals übliches Mittel der Thronsicherung – zwei geheiratet und den jüngsten, Absalom, zum Rückzug ins Privatleben gezwungen.

Von ihrem zweiten Gatten hatte sie die Söhne Hyrkan und Aristobul. Als Frau konnte sie zwar Regentin sein, nicht aber das Hohepriesteramt bekleiden, das die Herrscher Judäas bisher traditionsgemäß mit der weltlichen Macht in sich verbunden hatten. Selbst ihr Gatte Alexander Iannaeus, ein Trunkenbold und Sadist, war der Hohepriester Jahwes gewesen. Dieses Amt ging nun auf den Sohn Hyrkan II., den älteren der beiden Nachkommen, über. Es enthielt zugleich die Anwartschaft auf den Thron.

Trotz der den Menschen der Neuzeit abschreckenden Grausamkeit galt Alexandra, die einzige Frau auf dem jüdischen Thron, als gute Königin. Von Kriegen während ihrer neunjährigen Regierungszeit ist nichts bekannt, und auch der innere Frieden scheint während ihrer Regentschaft einigermaßen gesichert gewesen zu sein. Das sollte sich noch vor ihrem Tod ändern.

Denn die Dinge entwickelten sich anders, als es die Eltern erwartet hatten. Die Hoffnung, Aristobul werde sich mit einer Stellung als Bruder des künftigen Königs begnügen und sich in ein gemächliches Privatleben zurückziehen, erfüllte sich nicht. Es zeigte sich vielmehr, dass er einiges vom Temperament seines Vaters geerbt hatte, während sein Bruder Hyrkan willensschwach, behäbig und lethargisch wie sein Onkel Absalom war. Die Mutter hatte Aristobul deshalb zum Oberbefehlshaber ihrer Streitmacht ernannt. Als Hyrkan nach ihrem Tod das Erbe antreten wollte, zettelte der Jüngere einen Aufstand an, um den Thron an sich zu reißen. Wieder einmal herrschte in Judäa Bürgerkrieg. Aber es war nicht Hyrkan, der den Forderungen seines Bruders Einhalt gebot. Ein Fremder wies ihn in die Schranken, ausgerechnet ein Mann aus dem Volk der verhassten Idumäer, der Erbfeinde der Juden, die erst von Hyrkans Großvater unterworfen worden waren. Sein Name war Antipater, Sohn des Antipater. Er war der Vater Herodes’ des Großen.

Mit ihm und seiner Zeit gilt es nun, sich näher zu beschäftigen.

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