Читать книгу Herodes. König der Juden - Freund der Griechen - Verbündeter Roms - Ute Schall - Страница 9
Das Ende des Hasmonäerreichs
ОглавлениеIm Frühjahr des Jahres 63 v. Chr. fanden sich nicht nur die beiden Brüder mit ihrem jeweiligen Gefolge in Damaskus ein. Auch die Pharisäer hatten eine Gesandtschaft geschickt, die sich als Vertretung des jüdischen Volkes ausgab. Bitter beklagte sich Hyrkan, dass ihm Aristobul sein Erstgeborenenrecht und damit die Herrschaft streitig mache. Geschickt verstand es Antipater, der zudem, „um den Pharisäern die Waage halten zu können, … für eine Deputation respektheischender Notabeln gesorgt“ hatte1, den ihm verhassten Aristobul anzuklagen: Jener habe genau die Verbrechen begangen, auf die Pompeius, wie er wusste, am empfindlichsten reagieren würde, nämlich die Seeräuberei und die Plünderung griechischer Städte Palästinas. Damit aber wurde Aristobul in eine Reihe mit jenen Feinden Roms gestellt, die Pompeius gerade vernichtet hatte. Aber Antipater ging noch weiter. Auch die Pharisäer und mit ihnen das Volk lehnten Aristobul ab, da er nach ihrer Meinung aufsässig und von undurchschaubarem Charakter wäre.
Eifrig bestätigten die über 1.000 angesehenen Leute der mitgeführten Anhängerschaft diese Anschuldigungen, sodass Aristobuls Gegendarstellung zur Farce geriet. Es sei nötig gewesen, so verteidigte er sich, seinem schwachen Bruder die Herrschaft zu entreißen, da ansonsten die Gefahr bestanden hätte, diese würde dem Hasmonäerhaus völlig entgleiten.
Auch Aristobul hatte eine Zahl von Anhängern mitgebracht, junge Sadduzäer aus adligen Familien, die in juwelenbesetzten Gewändern, nach der neuesten Mode gekleidet und parfümiert, ihre Wirkung auf den nüchternen Römer allerdings verfehlten.
Schließlich trugen die Abgesandten des Volkes ihr Anliegen vor: Seit jeher hätten die Juden nach alter Vätersitte unter der Herrschaft von Priestern gelebt, und die selbst ernannten Könige hätten das hohe geistliche Amt profaniert und missbraucht. Damit aber hätten sie altes Herkommen mit Füßen getreten. Es sei wohl am besten, die Monarchie überhaupt abzuschaffen und die alte vorhasmonäische Volkssouveränität wiederherzustellen.
Leider ist nicht bekannt, ob Pompeius schon damals erwog, Aristobul die Herrschaft und den Juden die von dessen Vorfahren eroberten Gebiete zu nehmen. Er befahl vorerst den Brüdern, sich zu gedulden und in Ruhe seine Entscheidung abzuwarten. Er wollte zuvor noch die nabatäischen Angelegenheiten in Ordnung bringen, das heißt, gegen König Aretas oder Harith, wie er auch genannt wurde, Krieg führen. Gemeinsam brachen alle Richtung Süden auf.
Aber Aristobul verlor bald die Geduld. Bis Dion, einem Ort am Ostufer des Sees Genezareth, ging alles gut. Alexander Iannaeus, Aristobuls Vater, hatte es einst erobert, und sein Sohn ließ sich hier von seinen Erinnerungen hinreißen. Ohne von den Römern entlassen worden zu sein, stahl er sich heimlich davon und verschanzte sich in der Feste Alexandreion (oder Sartabe, wie sie heute noch heißt), die hoch über dem Jordantal lag und als fast uneinnehmbare Zitadelle galt.
Pompeius, der ein wachsames Auge auf den selbst ernannten König der Juden geworfen hatte, änderte sofort seinen Plan. Er verschob den Feldzug gegen die Nabatäer und setzte Aristobul nach. So betraten römische Legionäre erstmals die heilige Erde Judäas, Truppen, denen der Ruf der Unbesiegbarkeit vorauseilte.
Pompeius befahl Aristobul, vor ihm zu erscheinen. Nur dem wohl gemeinten Rat von dessen Freunden war es zu verdanken, dass die Lage nicht schon jetzt eskalierte. Sie jedenfalls rieten dem „König“, sich zu fügen und keinen Krieg mit den Römern zu beginnen.
Dann legte der römische Feldherr Aristobul die eigentliche Ursache des Streits mit dem älteren Bruder dar und gestattete ihm, in die Festung zurückzukehren. Die unterwürfigen Unterredungen wiederholten sich, bis ihn Pompeius aufforderte, nicht nur Alexandreion, sondern auch alle anderen Festungen, die sich in seiner Gewalt befanden, zu übergeben und eine entsprechende Abtretungserklärung zu unterschreiben. Möglicherweise hoffte Aristobul, über Verhandlungen seine Königswürde, die Hasmonäerdynastie und die Unabhängigkeit des Judenstaats retten zu können. Aber er war auch zur bewaffneten Auseinandersetzung bereit, sollte der Römer gegen ihn entscheiden. In einem letzten verzweifelten Schritt flüchtete er nach Jerusalem.
Pompeius setzte ihm mit der gesamten ihm zur Verfügung stehenden Streitmacht nach, „wobei ihn die Kunde vom Tod des Mithridates, die er bei Jericho erhielt, noch anspornte“2. Dort, in der fruchtbarsten Gegend Judäas, wo Palmen und Balsamsträucher gedeihen, schlug er für eine Nacht sein Lager auf, um am nächsten Morgen gegen Jerusalem vorzurücken. Da kam ihm, von der gewaltigen Streitmacht in Schrecken versetzt, Aristobul als Bittsteller entgegen, versprach ihm Geld und sagte ihm die Übergabe der Stadt zu. Pompeius’ Zorn war beschwichtigt. Als aber sein General Gabinius vor Jerusalems Toren erschien, um das Versprechen einzufordern, fand er diese verschlossen. Pompeius’ Geduld war erschöpft. Er nahm Aristobul in Gewahrsam und führte seine Truppen nun selbst gegen die Stadt.
Deren Bewohner spalteten sich in zwei Lager. Die meisten, größtenteils Anhänger der Pharisäer, die zu Hyrkan hielten, wollten den Krieg um jeden Preis verhindern und Jerusalem kampflos übergeben. Aristobuls Leute aber, in der Minderheit, waren zum Kampf entschlossen. Schließlich wurden die Tore doch geöffnet und die Königstreuen flüchteten auf den Tempelberg und brachen den Viadukt ab, der diesen mit der Oberstadt verband. Nach römischer Art ließ Pompeius die Wasserzufuhr unterbrechen und begann die Belagerung.
Dies alles spielte sich, wie bereits erwähnt, im Jahr 63 v. Chr. ab, einem der ereignisreichsten Jahre der späten römischen Republik. Im fernen Rom war der Konsul Cicero gerade dabei, die Führer der catilinischen Verschwörung ihrer Bestrafung zuzuführen, und Augustus und Agrippa, unter denen sich Stadt und Reich von Grund auf verändern sollten, wurden geboren.
Grauenhaft die Szenen, die sich damals in Jerusalem abspielten. Zwar zog sich die Belagerung hin. Nur von Norden her, der verwundbarsten Stelle der Festung, schien sie überhaupt möglich. Die anderen Seiten waren durch tiefe Schluchten auf natürliche Weise geschützt. Doch auch am nördlichsten Zugang mussten zunächst ein Graben aufgefüllt und ein künstlicher Wall aufgeschüttet werden. Drei Monate nahmen die Erdarbeiten und die Errichtung von Belagerungstürmen in Anspruch. Die Römer beschränkten sich dabei hauptsächlich auf die Sabbat-Tage, an denen die Juden durch ihre Religion am Eingreifen gehindert waren. „Von den Wällen herab, hinter denen sie sich sicher glaubten, sahen die Einwohner Jerusalems vor den braunen Hügeln die federgeschmückten Helme und die roten Umhänge der Legionäre, deren Speerspitzen in der Sonne funkelten. Die Stadt befand sich in Aufruhr …“3
Dann, wohl im August,4 gelang es den Belagerern, einen der Festungstürme zum Einsturz zu bringen und eine Bresche in die Umfassungsmauer des Tempelareals zu schlagen. Der Sohn des berühmt-berüchtigten Sulla, Faustus Cornelius, führte selbst eine der Kampfgruppen in den heiligen Bezirk, wo er ein unvorstellbares Blutbad anrichtete. Aber auch Hyrkans Anhänger beteiligten sich fleißig an der Abschlachtung ihrer Glaubensgenossen, der 12.000 Juden zum Opfer fielen. Bis zuletzt hatten die Verteidiger Jahwe Rauch- und Trankopfer dargebracht, und so mischte sich das Blut der Schlachttiere mit dem der Erschlagenen an den Altären. Die Verluste der Römer blieben indes gering.
Offensichtlich gerieten auch einige Juden, Anhänger oder Sympathisanten der Sadduzäer, in Gefangenschaft. Unter ihnen soll sich Absalom, der Schwiegervater Aristobuls, befunden haben. Man gedachte, die Gefangenen in der Hauptstadt als Sklaven zu verkaufen, um ein Exempel zu statuieren. Der Verkauf in die Sklaverei war von den Juden besonders gefürchtet, war es doch schwierig, unter fremden Herren die strengen jüdischen Gebote einzuhalten.
Über Jahrhunderte leidgeprüft, hätten die Juden auch die Versklavung und Ermordung ihrer Landsleute als weiteren Schicksalsschlag in ihrer blutigen Geschichte und als weitere Prüfung Jahwes auf ihrem Weg zum Heil hingenommen. Die Entrüstung wuchs aber an, als die Römer in den heiligen Bezirk und Pompeius sogar ins Allerheiligste vordrangen, dessen Betreten nach Gesetz und altem Herkommen nur dem Hohepriester und auch ihm, wie bereits erwähnt, nur einmal im Jahr, am Versöhnungstag, gestattet war.
Flavius Josephus versichert, Pompeius habe allerdings, „wie man von seiner Tugend erwarten konnte“, nichts angerührt, sondern nur bewundert, was sich dort befand: „ … den Leuchter und die Lampen, den Tisch, die Opferschalen und die Räuchergefäße, alles von gediegenem Gold, die Menge des aufgespeicherten Räucherwerks und den gegen 2.000 Talente betragenden Tempelschatz …“5 Dann, so der jüdische Geschichtsschreiber, habe er angeordnet, das Heiligtum zu reinigen und die Kulthandlungen wieder aufzunehmen.
Dem widerspricht allerdings der griechische Historiker Dio Cassius. Er behauptet, sämtliche Tempelgelder seien von Pompeius geplündert worden. Ist Dios Version der Vorzug zu geben? Der gesamte Ostfeldzug war immerhin eine Reihe von Erpressungen und Räubereien, und es ist schwer vorstellbar, dass der Imperator ausgerechnet den verhältnismäßig reichen Juden nichts weggenommen haben soll.
Im Übrigen behauptet auch Flavius Josephus, allerdings ohne genauen zeitlichen Bezug, dass die Römer die Juden „ … in kurzer Zeit um mehr als 10.000 Talente“ erleichtert hätten.6 Cicero hingegen bemerkte in seiner Verteidigungsrede für L. Valerius Flaccus, der 62 v. Chr. als Statthalter von Kleinasien mit der Beschlagnahme der für den Jerusalemer Tempel gesammelten Judensteuer von vier Städten gegen den Geist der römischen Judenpolitik verstoßen hatte: „Wenn Pompeius keinen Gebrauch von seinem Siegesrechte gemacht hat und den judäischen Tempelschatz unberührt ließ, so tat er es wohl nicht aus Verehrung der judäischen Heiligtümer, als vielmehr aus Klugheit, um der argwöhnischen und verleumderischen judäischen Nation keine Gelegenheit zu Anklagen zu geben …“7 Auch er war demnach davon überzeugt, dass Pompeius, aus welchen Gründen auch immer, den Tempelschatz unberührt gelassen hatte.
Dafür spräche auch die Tatsache, dass Pompeius (noch) nicht als offizieller Vertreter römischer Interessen nach Judäa gekommen, sondern von den Juden selbst als Schiedsrichter in innenpolitischen Angelegenheiten in ihr Land gerufen worden war, wenn er sich nach Erledigung seiner Aufgabe auch in mancher Hinsicht als Sieger aufführte. Von Aristobuls Anhängern ließ er viele hinrichten. Den entthronten König und dessen beide Söhne, Alexander und Antigonos (II.), nahm er gefangen, um sie nach Rom zu führen. Dort sollten sie seinen Triumphzug bereichern, noch immer das größte und farbenprächtigste Spektakel, das die Hauptstadt am Tiber zu bieten hatte. Aber auch der rechtmäßige König, Hyrkan II., wurde hart bestraft. Er verlor seine Königswürde und behielt nur das Hohepriesteramt mit dem Recht, als Volksfürst (Ethnarch) über die inneren Angelegenheiten der jüdischen Bevölkerung zu wachen. Die Stadtmauern wurden geschleift. Jerusalem hatte Rom künftig Tribut zu entrichten. Gewöhnlich teilten die Römer unterworfene Gebiete in Steuerbezirke ein. Es ist anzunehmen, dass Pompeius auch hier so verfuhr und dass er die Steuereintreibung Hyrkan II. auferlegte. Judäa büßte zudem wichtige Städte an der Meeresküste und in Coilesyrien, dem Gebiet um Damaskus, ein. Die Städte im Binnenland gab Pompeius „ihren früheren Bewohnern zurück“. Die Küstenorte erklärte er „für selbstständig und teilte sie der Provinz Syrien zu“, bemerkt hierzu Flavius Josephus.8 Sein Sieg wurde also Anlass zu einer territorialen Umgestaltung Palästinas, die für Jahrhunderte Gültigkeit behalten sollte und den Nahen Osten eng mit dem Schicksal Roms verband.
Dabei war Restauration, nicht Neuordnung, Pompeius’ Absicht. Der jüdische Staat wurde in die Landesteile Judäa, Samaria, Galiläa und Peräa (Zentral- und Transjordanien) gegliedert. Die Orte, die jenseits des Jordans lagen und keinerlei gemeinsames Verteidigungsbündnis aufwiesen, wurden zur Dekapolis, zum Zehnstädtebund, zusammengefasst. Das nördlichste Mitglied war Damaskus, das südlichste Philadelphia-Amman. Die berühmte Dekapolis sollte sich als Pompeius’ bedeutendste Schöpfung in Vorderasien erweisen und die Jahrhunderte überdauern.
Scaurus, Pompeius’ käuflicher General, blieb mit zwei Legionen als Statthalter in Vorderasien zurück. Seiner Verwaltung unterstand das riesige Gebiet vom Euphrat bis nach Ägypten. Pompeius machte sich zufrieden auf den Heimweg, der ihn über Kilikien nach Rom führte.
So ruhmlos endete die Herrschaft des hasmonäischen Königshauses. Noch aber ahnte man nicht, welchen Wolf im Schafspelz man mit den Römern angelockt hatte.
Mehr denn je hatten die Juden Grund zu klagen: „An diesem Unglück … trug nur der Streit zwischen Hyrkan und Aristobul die Schuld. Dadurch wurde uns die Freiheit entrissen. Wir kamen unter die Botmäßigkeit der Römer und mussten das Land, welches wir den Syrern mit Waffengewalt abgenommen hatten, denselben wieder zurückgeben.“9
Die Anordnungen, die Pompeius vorausschauend traf, waren die Vorstufe eines Abhängigkeitsverhältnisses, der erste Schritt zu einer Provinzialisierung Judäas, das jedoch erst 120 Jahre später den rechtlichen und politischen Status einer Provinz erhalten sollte. Eine tiefgreifende Romanisierung gelang den Römern im Land der glaubensstarken Juden allerdings nie.
An eine sofortige Eingliederung Judäas in das Römische Reich war nicht zu denken. Den Römern waren die Eigenart des dort lebenden Volkes und der Unterschied zu seinen hellenistisch geprägten Nachbarn nicht entgangen, und sie mochten ahnen, welche Schwierigkeiten Einnahme und Verwaltung bereiten würden, zumal Palästina an der Peripherie des Reiches lag. Es war für den Augenblick sicherlich günstiger, dem Land einen Schein von Freiheit zu belassen, freilich keine politische, sondern eine Art Selbstbestimmung in engen, von Rom abgesteckten Grenzen.
Es ist umstritten, ob Pompeius tatsächlich eine größere Menge jüdischer Gefangener an den Tiber deportierte, die dann dort, weil sie wegen ihrer besonderen Lebensweise als Sklaven nicht taugten, bald freigekauft oder freigelassen wurden und den Kern der Judengemeinde von Rom bildeten. Diese Annahme geht wohl „auf eine Bemerkung Philos … zurück, dass zu Beginn der Kaiserzeit in Rom die meisten Juden mit dem römischen Bürgerrecht freigelassene ehemalige Kriegsgefangene“ gewesen seien.10 Zum einen trat der römische Feldherr, wie wir gesehen haben, nicht als Eroberer in Judäa auf. Was also hätte die Gefangennahme vieler Juden gerechtfertigt, da sie sich nicht gegen Rom aufgelehnt hatten? Andererseits hat es in der Hauptstadt am Tiber lange vor Pompeius schon eine jüdische Gemeinde gegeben. Für das Jahr 139 v. Chr. ist dort unter dem praetor peregrinus Cn. Cornelius Scipio Hispanus eine Vertreibung Fremdgläubiger belegt, unter denen sich wohl auch Juden befanden. Der Grund dafür war die Angst der Staatsführung vor einer verbotenen Missionierung. „ … ne quis introduceret novas religiones – auf dass niemand neue Glaubenslehren einführe.“ Die Wissenschaft sieht darin weniger eine Vertreibung, als vielmehr das Verbot, „offiziell nicht genehmigte Kulte öffentlich auszuüben“11. Die sicherlich kleine Gruppe von Anhängern des jüdischen Glaubens mag in den verhältnismäßig ruhigen Jahren nach 139 v. Chr. langsam, aber stetig angestiegen sein. Möglich ist allerdings, dass erst unter Pompeius auch jüdische Gesetzeslehrer nach Rom gelangten und die Juden erst dadurch eine wirkliche Gemeinde bilden konnten.
Man darf auch nicht vergessen, dass nur wenige Jahre nach Pompeius der Feldzug des C. Cassius Longinus und die Eroberung Jerusalems durch Sosius als Quelle für Kriegsgefangene in Frage kommen.
Im Gefolge des Heimkehrers Pompeius befand sich als „Kriegsbeute“ vor allem die Familie des Aristobul, denn Pompeius hatte wohl gehofft, mit der Entfernung des gefährlichen Aufwieglers vom Brennpunkt der Ereignisse dem Land den erhofften Frieden zu verschaffen, der im Übrigen auch im Sinne Roms war. Der kleinste Aufruhr in Vorderasien war leicht dazu geeignet, die ganze Region zu entflammen und eine Katastrophe für die Weltmacht heraufzubeschwören.
Für seine Umsicht und seine Verdienste in Judäa erntete Pompeius Magnus sogar von höchster Stelle großes Lob. Kein Geringerer als der amtierende Konsul Marcus Tullius Cicero nannte ihn „den Jerusalemer“. Er durfte also durchaus mit sich zufrieden sein.
Zufrieden mit dem Ergebnis der römischen Einmischung in innerjüdische Angelegenheiten war auch Antipater. War der Sieg seines Kandidaten auch teuer erkauft und hatte er selbst sich die Sympathien der Juden auch endgültig verscherzt, so hatten ihn die Ereignisse der letzten Monate und sein Verhalten doch dem Wohlwollen der Römer empfohlen, und an dieses gedachte er sich in Zukunft ausschließlich zu halten.
Die eigentlich tragische Figur in diesem Schauspiel war Hyrkan II. Sein Mangel an Tat- und Entschlusskraft hatte ihn zum Spielball eines schlauen Ratgebers gemacht, bis er schließlich sein Königtum eingebüßt hatte. Ohne die königlichen Machtbefugnisse, behindert noch durch einen schwachen Charakter, war er nicht mehr in der Lage, dem aufziehenden Unheil, das das Hasmonäerhaus bedrohte, wirksam entgegenzutreten. Ohnmächtig musste er zuschauen, wie Antipater frech die Macht nach und nach an sich zog und wie diesen seine beiden Söhne, Herodes und Phasael, darin tatkräftig unterstützten.
Als Jerusalem unter dem Ansturm der römischen Truppen wankte, war Herodes gerade zehn Jahre alt. Schon vor Beginn der blutigen Auseinandersetzungen hatte Antipater seine Familie in die Obhut des nabatäischen Königs Aretas gebracht. Dort, am Hofe des Araberfürsten, wurde der Junge so erzogen, dass er sich bald als Landeskind fühlte. Den vielfältigsten Eindrücken war der Kleine ausgesetzt. Wüstenaraber und reiche Höflinge tummelten sich in der Hauptstadt und am Hofe des Herrschers. Kaufleute aus aller Herren Länder strömten dort zusammen. Es war eine multikulturelle Gesellschaft, die den kleinen Herodes prägte. Er lernte fremde Sitten und manche fremde Sprache kennen. Wie sollte er je allein ein König der Juden sein?
Pompeius hatte es so eingerichtet, dass in Kleinasien nur drei „Königtümer“ bestehen blieben: Das der Ituräer, das sich weitgehend mit dem Staatsgebiet des heutigen Libanon deckte, das stark verkleinerte Judäa und schließlich das Nabatäerreich mit der Hauptstadt Petra, deren Nekropole noch heute die Welt in Staunen versetzt.
Das Königreich der Ituräer (später Chalcis ad Libanum genannt) und der Judenstaat waren de facto römische Protektorate. Nur Nabatäa gelang es, für weitere 168 Jahre seine Unabhängigkeit zu bewahren und der Gier Roms zu entgehen. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Aristobuls Ungehorsam hatte Pompeius’ Plan eines Feldzugs gegen die Nabatäer durchkreuzt und diese damit vor der sicheren Ausplünderung bewahrt.
Nach Pompeius’ Heimkehr wollte Scaurus vollenden, was der Feldherr nicht mehr ausgeführt hatte. 62 v. Chr. brach er zu einem Eroberungskrieg gegen das Nabatäerreich auf. Sein Ziel war vor allem die reiche, blühende Hauptstadt.
Die römischen Absichten brachten Antipater in eine missliche Lage. Er wollte sich weder die Gunst Roms verscherzen noch das nabatäische Königshaus verärgern, das seiner Familie gerade erst ein so sicheres Asyl gewährt hatte. Sein diplomatisches Geschick kam ihm wieder einmal zu Hilfe.
Petra lag, von Bergen umgeben und schwer zugänglich, auf einem Felsmassiv. Seine strategische Lage hätte eine lange Belagerung erfordert. Da Scaurus die Felder der Nabatäer verwüstet hatte, kam er in dem ausgedörrten Land bald selbst in Versorgungsschwierigkeiten. Er musste Hyrkan um Hilfe bitten, die dieser auf Antipaters Anraten auch gewährte. Antipater wusste, dass Petra für die Römer nahezu uneinnehmbar sein würde. Also suchte er nach einer Lösung, die beide Seiten ihr Gesicht wahren ließ. Er schlug dem nabatäischen König vor, Scaurus durch die Zahlung von 300 Talenten zum Abzug zu bewegen. Der Vorschlag wurde angenommen, und Antipater sicherte sich dadurch sowohl den Dank der Römer als auch den des Königs Aretas.
Herodes, der trotz seiner Jugend die Verhandlungen seines Vaters aufmerksam verfolgt hatte, prägte sich alles genau ein. Viele Jahre später sollte er sich daran erinnern.
Mag Pompeius auch offiziell für Hyrkan und Antipater eingegriffen und den Schein bis zuletzt gewahrt haben, in Wirklichkeit vertrat er doch die Interessen Roms. Er hatte das schon seit 100 Jahren schwächelnde Seleukidenreich zerschlagen. Damit aber war Rom der unmittelbare Nachbar des Hasmonäerstaates geworden. Allenthalben aber pflegten die Römer kleine Länder, die an den Grenzen ihres Imperiums lagen, diesem früher oder später einzuverleiben. Hinsichtlich des Judenstaats schien es ihnen umso mehr gerechtfertigt, als dieser, nicht nur für Rom, sondern für alle Eroberer, als Teil jenes soeben niedergeworfenen Syrien galt. Der Bruderkrieg der Hasmonäer mag daher die Durchsetzung des römischen Anspruchs beschleunigt haben. Verursacht hat er sie entgegen der Meinung des Flavius Josephus sicherlich nicht.
Wäre Aristobul ein kluger Staatsmann gewesen, – als der er sich zu keiner Zeit erwies – hätte er in Ruhe die Übernahme durch Rom abwarten und sich als Bundesgenosse und Freund des römischen Volkes (socius et amicus populi Romani) empfehlen können. Es ist durchaus denkbar, dass dann der Rest seines Lebens anders verlaufen wäre und seine Karriere durchaus die Richtung eingeschlagen hätte, die er jetzt gewaltsam zu erzwingen versuchte. Möglicherweise hätte ihn, den Prinzen von Geblüt, das Volk auch jenem Antipater vorgezogen, der im jüdischen Bewusstsein ohnehin nur ein halber Jude war und dazu ein homo novus, ein selfmade man, der sich auf keine Familientradition stützen konnte. Auf jeden Fall aber wäre seinem Volk viel Blutvergießen erspart geblieben.
Aristobul, dem zweifellos fähigeren der streitenden Brüder, standen sein eigener Trotz und seine mangelnde Voraussicht im Wege. Sie und die Unfähigkeit Hyrkans, der Machtgier Antipaters Einhalt zu gebieten und zu bedenken, wohin die Beteiligung des verschlagenen Idumäers und seiner Söhne Herodes und Phasael den Judenstaat führen mussten, trugen schließlich zum Untergang Jerusalems und zur Vernichtung der jüdischen Nation bei.