Читать книгу Herodes. König der Juden - Freund der Griechen - Verbündeter Roms - Ute Schall - Страница 13
Antipaters Ermordung – Herodes’ Rache
ОглавлениеEines der prominentesten Opfer des Bürgerkriegs außerhalb Italiens war Caesars Verwandter Sextus Iulius Caesar, der von Quintus Caecilius Bassus, einem fanatischen Anhänger des Pompeius, ermordet wurde. Bassus ließ sich von seinem Hass auf den Diktator Gaius Iulius Caesar so sehr verblenden, dass er sich nicht nur mit dem Araberfürsten Al-Chaidaun, sondern sogar mit dem Parther Pacorus, dem gefährlichsten Feind Roms, verbündete. Er besetzte Apameia, eine große Stadt am Orontes in Nordsyrien, und schloss sich dort ein. Unter dem Kommando von Antistius Vetus wurde er von den Caesarianern belagert, aber die Entscheidung zog sich hin. Nicht einmal der Nachfolger Sextus Caesars, Lucius Staius Murcus, konnte viel ausrichten, obwohl ihm der Statthalter Bithyniens, Marcus Crispus, zu Hilfe geeilt war und auch Antipater Caesars Anhänger mit Truppen unterstützte, die seine Söhne befehligten.
Die Lage wendete sich unerwartet mit der Ermordung Caesars an den Iden des März 44 v. Chr., als die Häupter der stadtrömischen Verschwörung vor den Rächern des Diktators in den Osten des Reiches flohen.
Wieder einmal herrschte in Rom Bürgerkrieg, der an Schrecken alles bisher Dagewesene übertreffen sollte. Zunächst war die Stadt nach Caesars Fall wie gelähmt gewesen, und selbst dem redegewandten Cicero, der bei der Ermordung seines Widersachers nicht zugegen gewesen war, war das Wort im Munde gestockt. Später sprach er vom „Festmahl“, zu dem man ihn nicht geladen habe. Aber allmählich kehrte die gewohnte Betriebsamkeit zurück. Es gab ebenso viele, die das Attentat begrüßten, wie solche, die den Mord verabscheuten, mochte Caesar nun nach der Alleinherrschaft gestrebt und die Ideale der republikanischen Freiheit mit Füßen getreten haben oder nicht.
Die politische Führungsschicht der verlorenen Republik teilte sich in zwei Lager. Die Feindschaft wuchs. Stimmen wurden laut, die die Bestrafung der Attentäter, allen voran Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus, forderten. Mit ihren Anhängern und den letzten Republikanern flohen die beiden Männer in den Osten. Andere, getreue Caesarianer, blieben vorerst in Rom. Zu ihnen gehörte Marcus Antonius, Caesars loyaler Gefolgsmann und Freund, der in der Geschichte und besonders im Verhältnis der Römer zu den Juden noch eine große Rolle spielen sollte. Zudem betrat ein neuer Mann die Bühne des Weltgeschehens: Gaius Octavius, der sich später Octavianus nannte, ein Großneffe des gemeuchelten Diktators, der zur Überraschung vieler von diesem an Sohnes Statt angenommen und mit der Vollendung von Caesars Werk betraut worden war. Als erster Kaiser Roms sollte er unter dem Namen Augustus dereinst in die Geschichte eingehen.
Mit Caesars Tod war das Ende der römischen Republik, die fünfhundert Jahre zuvor so wortreich beschworen worden war – nie wieder hatte man sich der tyrannischen Herrschaft eines Einzelnen aussetzen wollen –, besiegelt. Nie mehr sollte fortan die Verantwortung für das Großreich der Römer in den Händen der Erfahrensten und Besten liegen, wenn sich auch die meisten Kaiser zumindest in den ersten beiden Jahrhunderten der neuen Zeitrechnung als erste Diener ihres Staates begriffen und sich redlich bemühten, dem Volk wahre Väter zu sein. Nicht von ungefähr gehörte der Titel „Vater des Vaterlandes“ zu den begehrtesten Auszeichnungen pflichtbewusster römischer Staatslenker. Und nicht von ungefähr nannten sie sich bescheiden Principes, Erste unter Gleichen, wenn ihre wirkliche Stellung auch anders aussah.
Vorerst aber herrschte Krieg, da die gegensätzlichen Meinungen eskalierten und widerstreitende Interessen aufeinander prallten. Der Konflikt sollte sich, wie bereits angedeutet, zum blut- und verlustreichsten Bürgerkrieg der römischen Geschichte entwickeln und erst mit dem gewaltsamen Tod Marc Antons 30 v. Chr. ein unrühmliches Ende finden.
Caesar hatte sich nicht nur in Rom selbst, sondern in der ganzen zivilisierten Welt als wahrer Freund der Juden erwiesen. Sein Fall traf deshalb die Judenschaft tief. Als er wie einige seiner Vorgänger Zusammenschlüsse Gleichgesinnter im Römischen Reich verbot,1 nahm er ausdrücklich die seiner jüdischen Zeitgenossen davon aus. Ihnen gewährte er das Recht des gemeinsamen Mahls. Sie durften den Sabbat und alle religiösen Feste und Riten uneingeschränkt feiern und auch sonst ihren strengen Gesetzen folgen, die sich oft genug nicht mit den römischen vereinbaren ließen. Ihr Gemeindeeigentum wurde unter den Schutz des Staates gestellt, der Diebstahl von Tempelgeld (das die Juden der Diaspora für das Jerusalemer Heiligtum sammelten) als Schwerstverbrechen gebrandmarkt und mit Vermögenseinzug zu Gunsten des römischen Fiskus bestraft. Die Geldboten, die mit der Tempelsteuer nach Judäa geschickt wurden, sollten unbehelligt reisen dürfen. Woher rührte das Wohlwollen des mächtigsten Römers seiner Zeit? Zum einen war es der Dank für die Hilfe, die ihm Antipater während seines Ausflugs nach Alexandria hatte zukommen lassen. Daneben wollte sich Caesar bewusst von Pompeius unterscheiden, der als Tempelschänder in die Geschichte der jüdischen Nation eingegangen war. Sicherlich war er davon überzeugt, dass die Juden dieses besondere Vertrauen der Staatsführung verdienten.
Schon bislang war es ungeschriebenes Gesetz gewesen, dass sie Freiheit in Glaubensdingen genossen. Doch erst unter Caesar hatte sich der Judaismus zur religio licita entwickelt, ein Rang, den er im gesamten Reichsgebiet über zwei Jahrhunderte innehaben sollte, mit Ausnahme einer kurzen Einschränkung in hadrianischer Zeit.
Kein Wunder also, dass sich die Juden gerade diesem Römer so verbunden fühlten! „Während der allgemeinen Staatstrauer“, bemerkt der antike Kaiserbiograf Suetonius Tranquillus zu den Leichenfeierlichkeiten, die zu Ehren Caesars auf dem Forum in Rom stattfanden, „begingen die einzelnen ausländischen Kolonien in Rom Trauerfeiern nach ihrem eigenen Ritus, vor allem die Juden, die sogar einige Nächte hintereinander die Grabstätte besuchten.“2
Von den Caesarmördern und überzeugten Republikanern begab sich Marcus Iunius Brutus nach Makedonien; Gaius Cassius Longinus floh nach Syrien, um die ihm einst von Caesar versprochene Provinz zu besetzen (die dann aber auf Betreiben von Marcus Antonius dem Caesar-Anhänger Dolabella übergeben worden war). Es gelang Cassius, einen Waffenstillstand herbeizuführen und alle Parteien auf seine Seite zu ziehen. Er stand also mit einem Schlage einer großen Armee vor, deren Unterhalt gewaltige Summen verschlang. Weniger, um sich persönlich zu bereichern, als um seiner Soldaten und Ziele willen begann er, Geld einzutreiben. Ganz Syrien und auch Judäa hatten ihren Beitrag zu leisten – von den Juden verlangte er nicht weniger als 700 Talente (etwa 2 Millionen Euro). Städte, die ihrer von Cassius willkürlich gesetzten Zahlungspflicht nicht nachkamen, erwarteten härteste Strafen: Ihre Einwohner wurden in die gefürchtete Sklaverei verkauft. Dieses Schicksal ereilte etwa die Bevölkerung von Grophna, Emmaus und Lydda.3
Antipater und seine Söhne beeilten sich deshalb, das Geld einzutreiben. Am eifrigsten zeigte sich Herodes, der hoffte, auf diese Weise das Vertrauen des neuen römischen Führers zu gewinnen. Cassius war in der Tat dankbar und bestätigte Herodes’ Stellung als Stratege von Coilesyrien.
Offensichtlich handelten hier Antipater und seine Söhne eigenmächtig, das heißt, ohne Anweisung Hyrkans, der ja ihr unmittelbarer Vorgesetzter war, dessen Einfluss aber von Tag zu Tag schwand. Nicht alle aus der Umgebung des Königs wollten sich damit abfinden, dass die Macht des Idumäers in gleichem Maße stieg. Mochte sich Antipater noch mit der Stellung eines allgegenwärtigen Sachwalters begnügen, wer bürgte dafür, dass sich seine Söhne ebenfalls bescheiden und nicht die ganze Hasmonäerdynastie eines Tages beseitigen würden? Hatte nicht Herodes gerade bewiesen, dass er sich in Tun und Unterlassen allein den Wünschen der Römer beugte und von der Stimme des auserwählten Volkes unberührt blieb? Schon kursierte das Gerücht, Cassius habe Herodes versprochen, ihn im Falle seiner Unterstützung auch gegen den Willen der Erben Caesars zum König von Judäa zu erheben. Ob begründet oder nicht, trugen solche Ängste dazu bei, den Hass auf Antipater und seine Söhne zu steigern. Wäre es nicht besser, überlegte man, den lästigen Idumäer aus dem Weg zu räumen, solange noch Zeit war? Seltsamerweise hatte sich die Vorstellung entwickelt, die Beseitigung des Vaters werde zwangsläufig auch die Söhne von der Bühne der jüdischen Politik verschwinden lassen. Das Gegenteil aber war, wie sich zeigen sollte, der Fall.
Es gab an Hyrkans Hof einen Mann, der den mit ihm wohl weitläufig verwandten Antipater besonders hasste und dafür von vielen Juden geradezu geliebt wurde. Sein Name war Malichos, und der zur Untätigkeit verdammte Hyrkan glaubte irrigerweise, in diesem üblen Menschen ein wirksames Gegengewicht zu dem übermächtigen Idumäer zu haben. Also beauftragte er Malichos, einen Teil der Abgaben selbst einzutreiben. Dieser aber widersetzte sich offen den von Rom angeordneten Tributzahlungen und erregte damit den Zorn des Cassius, der Malichos wegen seines aufsässigen Verhaltens zum Tode verurteilte. Nur die mutige Intervention Antipaters rettete dem Verurteilten das Leben: Er bewog Hyrkan, die Summe, die Malichos hätte beitreiben sollen, aus eigener Tasche zu zahlen, und legte, um den Zorn des Römers zu besänftigen, noch 100 Talente aus seinem, Antipaters, Vermögen dazu.
Doch der Gerettete war von Dankbarkeit weit entfernt. Er hatte erkannt, wie wichtig er Hyrkan geworden war und wie viel diesem daran liegen musste, den Idumäer endlich loszuwerden. Er wurde noch dreister, spann weitere Intrigen. Geschickt wartete er eine günstige Gelegenheit für seine Anschläge auf Antipaters Stellung ab. Sie ergab sich, als Cassius in der ersten Hälfte des Jahres 43 v. Chr. Judäa verließ, um gegen den ebenfalls in den Osten geflohenen Publius Dolabella zu ziehen.4 Antipater ahnte die ihm drohende Gefahr und wich nach Transjordanien aus, um Soldaten anzuwerben. Seine alten Freunde unterstützten ihn gern; ebenso beeilten sich Herodes und Phasael, ihrem Vater zu Hilfe zu kommen.
Antipaters Maßnahmen setzten wiederum Malichos den größten Befürchtungen aus. Konnte ihm sein Hass gegen den übermächtigen Ratgeber des Königs nicht als Feindschaft gegen Rom ausgelegt werden? Und verfügten nicht dessen Söhne über eine Streitmacht, der er, Malichos, nichts entgegenzusetzen hatte? So zog er es vor, die ganze Sache als ein Missverständnis hinzustellen, doch Cassius’ Praetor, der bereits genannte Murcus, wollte ihn trotzdem hinrichten lassen. Aber wieder setzte sich, aus welchen Gründen auch immer, Antipater für ihn ein, und wieder rettete er dem Undankbaren das Leben. Er ahnte nicht, dass er schon bald durch die Hand dieses Verbrechers sein eigenes verlieren würde.
Es ist nicht bekannt, weshalb Antipater am Schicksal dieses Mannes so großen Anteil nahm. Mancher Wissenschaftler der Neuzeit vermutet, dass die möglichen verwandtschaftlichen Beziehungen eine Rolle spielten.5 Entstammte Malichos vielleicht der gleichen Sippe wie Kypros, Herodes’ Mutter? Flavius Josephus verrät uns darüber nichts, und so wird Antipaters erbittertster Gegner für uns Nachgeborene immer eine geheimnisvolle Gestalt bleiben.
Inzwischen wuchs durch die besondere Gunst des Cassius Herodes’ Macht für den jüdischen Adel beängstigend an. Er wurde nicht nur zum Statthalter von Coilesyrien ernannt. Cassius und Murcus vertrauten ihm auch eine Flotte sowie ein aus Reiterei und Fußvolk bestehendes Heer an. Dies stellte für die jüdische Führungsschicht ein gefährliches Machtpotential dar, und auch Malichos sah den ungeheuren Machtzuwachs des Sohnes seines Widersachers voll Argwohn. Die Zeit drängte. Es musste jetzt rasch gehandelt werden.
Mundus vult decipi: Nach diesem altrömischen Grundsatz handelte auch Malichos, der Antipater und seinen Söhnen nun freundschaftliche Gefühle vorheuchelte und sich nicht wunderte, dass diese erwidert wurden.
Es war Sommer, 43 v. Chr.; Hyrkan hatte zum Gastmahl in seinen Palast in Jerusalem geladen. Selbstredend nahm auch Antipater an der Feier teil. Der Wein floss vermutlich in Strömen. Doch zumindest der, den man Antipater kredenzt hatte, war vergiftet. Denn Malichos hatte den Mundschenk des Königs bestochen. Als Antipater den Speisesaal verlassen wollte, fiel er tot zu Boden. Mit ihm aber starb ein Mann, „der sich“, wie Flavius Josephus bemerkt, „stets durch Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe ausgezeichnet hatte“6. Der jüdische Geschichtsschreiber folgte hier wohl dem Grundsatz: De mortuis nil nisi bene.
In vielen, selbst hochwissenschaftlichen Abhandlungen, erscheint Antipater als verschlagener Mann, als „Idumäer“ schlechthin, was seltsamerweise meistens mit der Grausamkeit seiner Nachfolger begründet wird: Herodes, so heißt es, habe den Kindermord von Bethlehem befohlen, sein Sohn Antipas Johannes den Täufer enthaupten lassen. Im Neuen Testament und in der christlichen Überlieferung gelten die Herodäer als ausgemachte Bösewichte.
Abgesehen davon, dass sich Judäas Herrscher die Eigenschaften der Menschenfeindlichkeit, mangelnder Nachsicht und Milde mit fast allen Regierenden ihrer Zeit teilten, die übrigens keinen Anstoß daran nahm, sondern sich eher wunderte und es als Schwäche auslegte, wenn einer diese Merkmale nicht aufwies, sollte man nicht von den Söhnen auf die Väter schließen. Antipater war zweifellos ein politisch hoch begabter Mann, der seine Schläue überall geschickt einzusetzen wusste. Er war ehrgeizig, und das leider manchmal übertrieben. Aber ihm lag daran, als loyaler Jude angesehen zu werden: Als solcher unterstützte er Iulius Caesar. Als solcher appellierte er an seine Glaubensbrüder in Pelusion. Sein Judentum wurde oft angezweifelt. Gerade deshalb bemühte er sich, der Konvertit oder Nachkomme eines Konvertiten, die Authentizität seines Glaubens immer und überall unter Beweis zu stellen.
Nach der infamen Ermordung standen Malichos’ Bewaffnete gleich bereit. Im Handumdrehen besetzten sie die ganze Stadt. Der Mörder hatte wohl gehofft, Antipaters Tod werde auf Hyrkan zurückfallen und endgültig einen Keil zwischen den Ethnarchen und die hinterbliebenen Söhne des Getöteten treiben. Damit wäre er, so rechnete sich Malichos aus, der große Gewinner. Aber er sollte sich gründlich täuschen.
Mit Schmerz und Empörung nahmen Antipaters Söhne die Nachricht von der Ermordung ihres Vaters auf, und Herodes schwor sogleich, Rache zu üben.
Malichos leugnete, von ihm zur Rede gestellt, die gemeine Tat. Doch Phasael, zweifellos der Besonnenere der beiden Brüder, riet dringend zur Geduld. Ohnehin gab es nach Antipaters Tod in Jerusalem Unruhen, und die Gefahr eines Bürgerkriegs war groß. Ein solcher aber musste unter allen Umständen vermieden werden, wollte man sich nicht vor allem den Römern gegenüber ins Unrecht und Cassius’ Versprechen, Herodes nach dem Sieg über Octavian und Antonius zum König von Judäa zu machen, leichtfertig aufs Spiel setzen. Phasael empfahl, vorsichtig zu Werke zu gehen und Malichos durch Meuchelmörder beseitigen zu lassen, wie dieser es ja auch mit Antipater getan hatte. Herodes gab nach und nahm Malichos’ Unschuldsbeteuerungen scheinbar zufrieden entgegen. Nach der Bestattung seines Vaters, die mit großem Pomp erfolgte, ging er nach Samaria, das zu seinem Verwaltungsbereich gehörte, um dort ausgebrochene Unruhen niederzuschlagen. Offenbar hatten dort die Gegner des Idumäers seine Abwesenheit genutzt, um sich gegen ihn und seine Sympathisanten zu erheben.
Der nüchterne Antipater hatte sich stets als fähiger Staatsmann und allen Situationen gewachsen erwiesen. Er besaß zudem viel diplomatisches Geschick. Vielleicht kam ihm dabei die Tatsache zugute, dass er kein echter Jude war. Dies hatte ihm den klaren Blick für die Belange aller Bewohner Judäas, auch die der hellenistischen Untertanen, bewahrt. Die aggressive Politik der Hasmonäer gegen die Griechenstädte, die diese jeglicher politischer Bedeutung beraubte, hatte den Hass zwischen Juden und Nichtjuden bis zur Unversöhnlichkeit geschürt. War nicht vorauszusehen, dass die griechischen Mitbewohner des Landes einen Eroberer freudig begrüßen und in jeder Hinsicht tatkräftig unterstützen würden, überhaupt, wenn dieser Eroberer Rom hieß, das dem Hellenismus traditionsgemäß soviel näher stand als das Judentum mit seinem befremdlichen Eingottglauben, zumal sich dieses nicht einmal als besonders zuverlässig erwies? Wer Roms Aufstieg verfolgt hatte, die Überwindung des bäuerlich geprägten Stadtstaates und die sukzessive Einverleibung aller Länder des Mittelmeerraumes, konnte keinen Zweifel hegen, dass eines nicht mehr fernen Tages auch Judäa an der Reihe wäre. Wäre es da nicht mehr als vernünftig gewesen, eine Politik der freiwilligen Unterordnung mit dem Ziel der Aufnahme als socius populi Romani zu verfolgen, zumal man leicht vorhersagen konnte, dass das kleine Land in Vorderasien römischer Waffengewalt nichts entgegenzusetzen hatte als vielleicht den Mut, den Trotz, die Opferbereitschaft und die Leidensfähigkeit seines über Jahrhunderte geschundenen Volkes? Der Einzige, der hierfür genügend politischen Weitblick besaß, scheint Antipater gewesen zu sein, der sich, wie bereits erwähnt, stets als rechte Hand des eingesetzten und von Rom bestätigten Hohepriesters und „Königs“ begriffen und so den gefährlichen Balanceakt zwischen Fügung und größtmöglicher Freiheit gewagt hatte. Einen solchen Mann persönlicher Ressentiments und ehrgeiziger Ziele eines Einzelnen wegen zu töten, wog schwerer als ein Verbrechen. Es war eine Dummheit, für die am Ende nicht nur der Mörder, sondern das ganze Volk der Juden bezahlte.
An eine jüdische Abhängigkeit von Rom in Frieden war nun nicht mehr zu denken. Antipaters Gegner hatten die Unabhängigkeit durch einen verheerenden Krieg gewählt.
Freilich vermag niemand zu sagen, wie sich die Geschichte Judäas weiterentwickelt hätte, wäre Antipater am Leben geblieben. Es wäre aber denkbar, „dass Herodes niemals den Thron bestiegen hätte: das Haus des Hyrkanos hätte, bei faktischer Machtausübung des Antipatros, seine Herrschaft fortgeführt, und damit wäre zwischen Judäa und Rom jener modus vivendi zustande gekommen, der Caesar vorschwebte, als er in seinem Ernennungsdekret an Hyrkanos zum Ethnarchen sagte, diese Würde sollte ihm und seinen Nachkommen zukommen“7.
Die Lage sah nun aber leider anders aus. Im Herbst 43 v. Chr. entschloss sich Herodes, nach der Vorschrift der Bibel8 zum Laubhüttenfest, der Feier der herbstlichen Ernte, nach Jerusalem zu pilgern. Er wurde, wie gewöhnlich, von einer starken Leibwache begleitet. Malichos fühlte sich bedroht. Er überredete Hyrkan, Herodes den Zutritt zum Tempel zu verbieten. Ein Vorwand war rasch gefunden: In Herodes’ Begleitung dienten auch Nichtjuden. Sie sollten, so das Argument, das Volk, das sich im Zustand ritueller Reinheit befände, nicht stören.
Herodes indes kümmerte sich nicht um das Verbot. Nachts, aber keineswegs heimlich, betrat er die Stadt. Er sorgte dafür, dass sein Widersacher von seiner Ankunft erfuhr. Seine Soldaten lagerten vor den Toren.
Malichos fürchtete sich jetzt sehr und verstärkte seine „Trauer“ um Antipater. Gleichzeitig legte auch er sich eine Schutztruppe zu. Mit betonter Liebenswürdigkeit begegnete ihm Antipaters Sohn, der wusste, dass sein Feind in der Falle saß. Malichos spielte seine Rolle, die des Arglosen und Überzeugten, so gut, dass man in Jerusalem bald tatsächlich an seine Unschuld glaubte. Aber Herodes vergaß keinen Augenblick, dass der Tod seines Vaters gesühnt werden musste, ehe er weitere Entscheidungen treffen konnte. Der Mörder musste sterben. Soviel stand fest. Doch man durfte ebenso davon ausgehen, dass nach dessen Tod Unruhen ausbrechen würden. Deswegen brauchte Herodes die Unterstützung Roms.
Schriftlich wandte er sich an Cassius, der gerade Dolabella vernichtend geschlagen und in den Selbstmord getrieben hatte. Er berichtete von der Ermordung seines Vaters und ließ wohl auch durchblicken, dass es sich dabei gleichzeitig um einen Anschlag gegen Rom handelte. Der Mörder musste als Todfeind der römischen Herrschaft in Judäa hingestellt werden.
Der Name Hyrkans fiel in diesem Zusammenhang nicht, obwohl Herodes davon überzeugt gewesen sein muss, dass auch er in das Attentat auf Antipater verwickelt war. Durfte er aber als Idumäer den hasmonäischen Hohepriester seines Amtes entheben lassen, ohne den Zorn der Juden auf sich zu ziehen? Hätte eine entsprechende Anschuldigung nicht ausgesehen, als strebten die Brüder selbst nach der Herrschaft? Herodes war klug genug zu erkennen, dass dafür die Zeit noch nicht reif war. Im Übrigen hätte ein derartiges Vorgreifen auch wie eine Auflehnung gegen Roms Pläne ausgesehen. Der Beschluss, den Caesar zu Gunsten Hyrkans erlassen hatte, war ja nach dessen Tod vom römischen Senat noch einmal ausdrücklich bestätigt worden. Vorerst musste also Malichos als alleiniger Bösewicht herhalten. Alles Andere würde sich fügen.
Cassius war sogleich auf Herodes’ Seite, erklärte Malichos zum römischen Staatsfeind und wies seine Tribunen an, Herodes bei dem Vergeltungsanschlag zu unterstützen.
Der letzte Akt der Tragödie um Antipaters Ermordung spielte sich jedoch nicht in Jerusalem, sondern im phönizischen Tyros ab. Dort hielt Cassius nach seinem Sieg über Dolabella Hof, um die Glückwünsche und Geschenke und sicherlich auch Bestechungsgelder der Vornehmen Syriens entgegenzunehmen. Auch Herodes, Hyrkan und Malichos kamen, um dem derzeit ranghöchsten Römer zu huldigen. Malichos’ Erscheinen aber hatte noch einen anderen Zweck: Sein Sohn war aus nicht näher bekannten Gründen in römische Gefangenschaft geraten und wurde in Tyros als Geisel festgehalten. Vielleicht wollte ihn der besorgte Vater befreien oder ihm zur Flucht verhelfen. Oder plante er gar, den bereits altersschwachen Hyrkan zu stürzen und sich gegen Rom zu erheben? Flavius Josephus hält alle diese Motive für denkbar.9
Unter dem Vorwand, Freunde zu einem Festmahl zu empfangen, hatte Herodes auch Malichos und Hyrkan eingeladen. Auf sie warteten aber schon die römischen Soldaten mit gezückten Dolchen. Malichos wurde niedergestochen. Hyrkan schwanden vor Schreck die Sinne. Als er aus seiner tiefen Ohnmacht wieder zu sich kam, erkundigte er sich, wer seinen Begleiter ermordet habe: „Ein Befehl des Cassius“, bekam er zur Antwort. Da rief der König geistesgegenwärtig aus: „So ist Cassius mein und meines Vaterlandes Retter, indem er den aus dem Weg schaffen ließ, der beiden gefährlich war.“ Doch selbst Flavius Josephus war sich nicht sicher, ob Hyrkan „wirklich so dachte oder nur aus Furcht seine Worte dem Vorfall entsprechend einrichtete“10.