Читать книгу Amsterdam - Uwe Hammer - Страница 12
Claudette
ОглавлениеAll das ging Dieter durch den Kopf, als er um Sörens Wagen herumlief. Erst jetzt kam ihm die Frage, was das Fahrzeug hier eigentlich zu suchen hatte. Es befiel ihn ein ungutes Gefühl, und er bewegte sich mit einem flauen Gefühl im Magen in Richtung der Haustür. Kaum hatte Dieter der Tür geöffnet und sich wenige Meter ins Innere des Hauses bewegt, drang ein durch sexuelle Erregung inizierter Geräuschpegel in sein Ohr. Anhand der unterschiedlichen Tonlagen konnte Dieter zweifelsohne erkennen, dass mindestens zwei Personen für dieses Geräuschentwicklung verantwortlich zeichneten. Dieter blieb erschrocken stehen und konnte den auf ihn einströmenden Lustgeräuschen einige Wortfetzen entnehmen.
„Ohne Sören“ dann wieder nur völlig unverständliche Stöhnlaute,
„Ohne Claudette“ Stöhnlaute, die letztlich in einem völlig unkontrollierten Orgasmusaufschrei, welcher mit absoluter Sicherheit der Kehle seiner Frau entstammte, gipfelte.
Dieter war schockiert zum Einen darüber, dass es seine Frau tatsächlich mit diesem von Intelligenz verschonten Sören trieb, und zum Anderen darüber, dass seine Frau im Stande war Geräusche von sich zu geben, die er ihr nie zugetraut hätte, und die sie all die Jahre vor ihm verheimlicht hatte. Dieter drehte sich um und verließ fluchtartig das Haus. Vor der Tür stehend vergrub er das zweite Mal an diesem Tag sein Gesicht in den Händen und zum zweiten Mal berührte er seine lädierte Nase zu stark was erneut eine heftige Schmerzwelle auslöste. Und zum zweiten Mal riss ihn dieser Schmerz aus seiner Verzweiflung und half ihm einigermaßen klare Gedanken fassen zu können. Die anfängliche Verzweiflung wurde durch eine Wut verdrängt, die unaufhaltsam in ihm aufstieg. Wut auf Sören, dieser völlig verblödete Modesportakrobat, der sich sicherlich in so gut wie jedem seiner Kurse eine Gespielin auswählt, und der auch noch so verdammt gut aussah, dass es für ihn kein Problem darstellte immer neue Frauen in sein Bett zu zerren, oder wie in diesem Fall sich von selbigen ins Bett zerren zu lassen.
Wie er mit eigenen Ohren erlebt hatte, scheint er in sexuellen Betätigungen eine weitere Stärke zu haben, sodass Dieter fast Verständnis hatte, dass die Frauen seine mangelnde Intelligenz bei all diesen Vorzügen gerne übersahen oder doch zumindest in Kauf nahmen. Im Bett braucht es eben keine Intelligenz dachte Dieter voller Zorn. Diese Wut auf Sören wurde nur noch von der Wut auf seine Frau übertroffen. Was hatte er nicht alles auf sich genommen, um von seiner Frau wenigstens ein klein wenig Respekt zu bekommen, aber all diese Versuche waren fehlgeschlagen. Das musste er sich spätestens jetzt eingestehen, da ihm immer noch das unkontrollierte Lustgeschrei in den Ohren klang. Nach einigen Minuten die er einfach nur an der Haustüre lehnte, stiegen immer mehr Selbstzweifel in ihm hoch. War er überhaupt in der Lage irgendetwas richtig zu machen, und gab es einen Menschen auf dieser Welt, der es gut mit ihm meinte, der sich nicht über ihn lustig machte, ihn verarschte?
Doch plötzliches ging etwas Unerwartetes in ihm vor, denn zum ersten Mal wurde er nicht vom Selbstmitleid zerfressen, sondern es kam etwas in ihm auf, dass er bisher nicht kannte. Trotz, er wollte sich nicht mehr zum Fußabtreter machen lassen, weder von seinen Kollegen und Kolleginnen oder seinem Chef noch von seiner Frau. Zum ersten Mal musste er sich eingestehen, der er seine Frau nicht nur nicht liebte, sie wahrscheinlich auch niemals geliebt hatte, sondern dass er sie verabscheute, vielleicht sogar hasste. Sie die ihn dazu gebracht hat sich über Jahre selbst zu verleugnen, sich über Jahre zum Trottel zu machen, indem er Dinge tat, die er nicht wollte, es wenn er ehrlich war auch nicht konnte. Ich werde es euch allen zeigen, dachte Dieter bei sich, ihr werdet mich kennenlernen, so wie ihr mich noch nie erlebt habt, und ihr werdet euch wünschen, dass ihr es nie hättet erleben müssen. Dieters finsterer Blick wurde unerwartet von einem Lächeln durchkreuzt, als dieser eher zufällig auf den Wagen von Sören fiel. Es war kein freundliches Lächeln, ehre ein hämisches, ein Lächeln der Schadenfreund, aber für Dieter war es ein befreiendes Lächeln, ein Lächeln der inneren Stärke.
„Und mit Dir fange ich an“, sprach Dieter laut in Richtung des Autos.
Er begab sich in seine Garage um den Werkzeugkoffer zu hohen. Nachdem er eine Weile gekramt hatte, kam er mit einen Hammer und einem großen Nagel in der Hand aus der Garage, begab sich auf die Fahrerseite des völlig herunter gekommen Autos und begann durch kräftige Schläge mit dem Nagel große Löcher in die Fahrertür von Sörens Wagen zu treiben, um gleich darauf an der hinteren Tür mit seiner Arbeit fort zu fahren. Fast ärgerte es Dieter, dass der Wagen so alt und verkommen war, bei einem neuen Wagen hätte es sicherlich noch mehr Spaß gemacht. Aber auch so erfüllte ihn seine Tätigkeit mit großer Genugtuung. Nach wenigen Minuten hatte er sein Werk vollbracht. Er trat einige Schritte zurück, um sein Werk von einer etwas größeren Entfernung besser betrachten zu können. In vollster Zufriedenheit stellt er fest, dass man das Wort Aschloch, dass er in die beiden Türen der Fahrerseite gelocht hatte, sehr gut lesen konnte.
Dass er in seinem Eifer das „R“ vergessen hatte störte ihn unterdessen nicht sonderlich, zumal er sicher war, dass dies Sören gar nicht auffallen werde. Der Erfolg seiner Arbeit schaffte ihm jedoch nur relativ kurze Zeit eine innerliche Befriedigung, zumal schnell die Frage aufkam, wo er jetzt hin gehen sollte. Nach Hause zu seiner Frau konnte und wollte er nicht. Genaugenommen hatte er nicht viel Auswahl, eigentlich kam sogar nur Matthias sein alter Freund den er noch aus Kindheitstagen kannte in Frage. Wie lange kannte er Matthias schon? Fast 30 Jahre eine unglaublich lange Zeit. Sie waren nie so etwas wie dicke Kumpel gewesen, die abends loszogen um Frauen aufzureißen, was ohnehin erfolglos geblieben wäre, da beide zum Einen Frauen gegenüber sehr schüchtern waren und zum Anderen nicht gerade das waren was man einen Frauenschwarm nannte.
Heute würde man sie wohl als „Nerd“ bezeichnen, ein Begriff der zu ihrer Zeit aber noch nicht gebräuchlich war, so wurden sie in der Regel mit dem ebenfalls aus den englischen entliehenen Begriff „looser“ tituliert, was ihre Chancen bei den Frauen aber nicht wirklich erhöhte.