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Die Präsentation

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Der Alte war Joseph Bachmüller Dieters direkter Vorgesetzter, den Dieter, wenn er bezüglich Herrn Bachmüller positiv gestimmt war gerne als Arschloch titulierte, wobei diese Bezeichnung die charakterlichen Eigenschaften von Herrn Bachmüller wohl am trefflichsten wiedergab. Das einzige was Dieter an Herrn Bachmüller mochte war dessen Unsportlichkeit die er fast schon provokativ in Form eines enormen Hüftumfanges zu Schau trug. Ansonsten war er herrschsüchtig, ungehobelt, ungerecht, und eben das besagte Arschloch. Dieters Problem war, dass die Gefühle die Herr Bachmüller im gegenüber hegte in etwa deckungsgleich mit seinen Gefühlen Herrn Bachmüller gegenüber waren, allerdings und das fand Dieter schicksalsmäßig äußerst ungerecht, hatte Herr Bachmüller bedeutend mehr Möglichkeiten seiner Unsympathie Rechnung zu tragen. Was dieser auch mit großer Genugtuung in Form der Zuteilung von sehr unbeliebten Tätigkeiten praktizierte.

Auf Deutsch gesagt alles wozu keiner in der Abteilung Lust hatte oder was unvermeidlich dazu führte, sich bei den Kollegen und Kolleginnen unbeliebt zu machen landet bei Dieter. Dazu zählten unter anderem, die Terminverfolgung, die Überprüfung der Einhaltung des Budgets, das Sicherstellen der Produktqualität sowie dafür zu sorgen, dass von der Geschäftsleitung mutmaßlich willkürlich eingesetzte Arbeitsrichtlinien, heute kurz Prozesse genannt, in der vorgeschriebenen zeitlichen Reihenfolge eingehalten wurden, sowie die Verfassung von Begründungen wenn dies wie fast immer nicht der Fall gewesen war, und nicht zu vergessen die Erarbeitung von Präsentationen sowie das Vortragen der Selbigen, insbesondere wenn es sich um das Vorstellen von Misserfolgen handelte, was ebenfalls meist der Fall war. Positive Meldungen überbrachte Herr Bachmüller in der Regel persönlich, was allerdings eher selten vorkam. Bei der heutigen Präsentation ging es darum Herrn Müllerstein möglichst schonend beizubringen, dass die Entwicklung der neuesten Generation von Hochspannungsschaltern nicht ganz den gewünschten Erfolg gebracht hatte.

Zum einen vielen die Dinger bereits nach der Hälfte der vorgeschriebenen Schaltzyklen reihenweise aus, zum anderen hetzte man dem vorgegebenen Zeitplan bereits um 4 Monate hinterher, wobei dieser davon ausging, dass das Produkt zu diesem Zeitpunkt voll funktionsfähig war, was nach Dieters Ansicht von einer gewissen Weltfremdheit zeugte, und zu guter Letzt, war das Budget bereits um 600 000 € überschritten.

Es konnte Dieter nur wenig Trösten, dass aufgrund dieser Horrornachrichten das Interesse von Herrn Müllerstein an der Einhaltung der Entwicklungsprozesse nicht mehr allzu groß seine würde, und es ihm so wenigstens erspart blieb, diesem schonend beizubringen warum sich keine Sau abgesehen von der Geschäftsleitung, der er natürlich ohnehin nie als Säue bezeichnen würde, für die Einhaltung der Entwicklungsprozesse interessierte. Während Dieter darauf wartet, dass sein Computer, im Übrigen mit Abstand der Älteste in der ganzen Abteilung, endlich seine Arbeitsbereitschaft signalisierte, kamen Einer nach dem Anderen seine Kollegen und Kolleginnen bei ihm vorbei, um sich zum einen an seinem entstellten Äußeren und zum Anderen seinem panischen Inneren zu ergötzen, da natürlich alle wussten, dass er mit der erfreulichen Aufgabe betraut war Herrn Müllerstein das völlige Versagen der kompletten Abteilung näher zu bringen, wobei es letztlich so war, dass sämtlich nicht erreichte Ziele mutmaßlich in sein Aufgabenfeld fielen, ohne dass er die geringste Möglichkeit hätte, irgendwie zum positiven Gelingen beizutragen, da er unter dem Strich absolut nicht zu melden hatte, und keiner seiner Kollegen und Kolleginnen vielleicht mit Ausnahme von Andreas ihn für voll nahm, was von Herr Bachmüller von ganzem Herzen unterstützt wurde.

Als sein Rechner nach 10 Minuten endlich arbeitsbereit war, und Dieter die entsprechende Datei öffnete, stellte er fest, dass deren Zustand noch erbärmlicher war als er es in Erinnerung hatte. Für eine kurzen Moment verfiel er in eine Arte Schockstarre. Gerade in diesem Moment kam Renate an seinem Platz und musterte ihn breit grinsend.

„Oh das sieht aber gar nicht gut aus“, sagte sie mit einem durchaus ernstzunehmenden Ausdruck von Mitleid in ihrer Stimme.

„Es geht schon, ich habe ein ganz anders Problem.“

„Du meinst die Präsentation nachher. Ich finde es auch nicht gut, dass der Alte versucht dir alles in die Schuhe zu schieben, schließlich haben wir uns alle nicht mit Ruhm bekleckert.“

Dieter sah zu Renate auf, die sich direkt neben ihn gestellt hat und lächelt zu ihr hoch, zumindest versuchte er, dass, war sich aber nicht sicher, ob man seinen verkrampften Gesichtsausdruck tatsächlich als Lächeln interpretieren konnte.

„Das ist lieb von Dir, aber sei mir nicht böse, ich muss versuchen wenigstens halbwegs so etwas wie eine Präsentation hinzubekommen.“

Renate entfernte sich mit einem verständnisvollen Nicken und ließ ihn mit seinen Problemen allein zurück. Dieter entschlosst sich kurzerhand, das Nervenkostüm von Herrn Müllerstein zu schonen, indem er diesen nicht durch die Aufzählung der Dinge, welche nicht ganz nach dessen Vorstellung gelaufen sind, unnötig in Stress versetzte und so Gefahr lief, dessen Lebenserwartung erheblich zu reduzieren. Viel mehr ließ er das Erscheinungsbild der geleisteten Arbeit durch eine geringfügige Manipulation, der Terminvorgabe und der Budgetvorgabe in einem etwas positiveren Licht erscheinen zumal er sicher war, dass Herr Müllerstein ohnehin keinen blassen Schimmer darüber hatte, wie die Vorgaben ursprünglich waren.

Einzig das geringfügige Qualitätsdefizit bereitet ihn noch Sorge was ihn zu dem Entschluss brachte, dieses Thema gar nicht anzusprechen, um Herrn Müllerstein nicht mit für die Geschäftsleitung unwichtigen Detailinformationen zu überfrachten. Als Dieter den Besprechungsraum betrat, war der Raum schon mit Schaulustigen gefüllt. Herr Bachmüller begrüßte ihn mit dem ihm eigenen grimmigen Blick, während der Entwicklungsleiter Herr Müllerstein vorerst gar keine Notiz von ihm nahm. Nervös setze sich Dieter auf dem an der Stirnseite befindlichen Stuhl, der extra für ihn freigehalten wurde.

Unter anderen Umständen wäre dies hier der Ehrenplatz, freigehalten für den ranghöchsten Mitarbeiter, heute ist seltsamerweise keiner scharf darauf hier zu sitzen. Er stellt umständlich seinen Laptop ab, der sich durch sein voluminöses Äußeres von dem der Kollegen und Kolleginnen, die ihren Rechner bereits aufgeklappt vor sich stehen hat, deutlich unterschied.

Ohnehin schien es einen Zusammenhang zwischen der Größe des Notebooks und der Hierarchieebene des Besitzers zu geben, und zwar in der Form, dass das Notebook mit ansteigender Hierarchieebene immer kleiner wird. Dem entsprechend war das Notebook von Herrn Müllerstein nur unwesentlich größer als dessen Handy. Nachdem Dieter endlich das Kabel für dem Beamer gefunden hatte um es umständlich in die Buchse seines Laptop zu stecken, eröffnet Herr Bachmüller die Besprechung mit der kurzen Aufzählung der Agenda um dann direkt das Wort an Dieter zu übergeben, der sich höflich dafür bedankt, nicht ohne Herrn Bachmüller innerlich die Pest an den Hals zu wünschen.

Wie in solchen Besprechungen üblich saßen die meisten Kollegen und Kolleginnen hinter ihrem Notebook versteckt, und zollten dem Vorgetragenen nur wenig Aufmerksamkeit. Mit Ausnahme von Herr Müllerstein, dessen Notebook ohnehin nicht die Möglichkeit bot sich dahinter zu verstecken. Dieser folgte mit höchster Aufmerksamkeit den Vortrag von Dieter, der nur hoffen konnte, dass Herrn Müllerstein die geringfügige Manipulation der Fakten zu dessen Besten nicht auffiel. Ebenfalls voll bei der Sache war Herr Bachmüller, der etwas ungläubig auf die Leinwand blickte und irgendwie das Gefühl hatte, dass die Präsentation von Dieter das tatsächliche Bild etwas verschönte, aber nicht dahinterkam, wie Herr Frei das gemacht hatte. Genaugenommen war ihm das auch völlig Wurst, er registrierte, dass Herr Müllerstein das Ganze mit einem gewissen Wohlwollen zur Kenntnis nahm, und war allein aus diesem Grund zufrieden. Nachdem Dieter seinen Vortrag beendet hatte, wollte Herr Müllerstein noch wissen warum er nichts bezüglich der Prozesse erwähnt hatte.

Dieter konnte ihm das an Hand seines lädierten Gesichtes und der daraus resultierenden Krankschreibung welche dazu geführt hat, dass er sich diesem Thema nicht mit der hierfür erforderliche Sorgfalt annehmen konnte, erläutern, und versicherte ihm zugleich, dass allein die stringente Einhaltung der Prozesse einen so positiven Verlauf des Projektes ermöglicht hätte. Daraufhin verabschiedet sich Herr Müllerstein sichtlich zufrieden mit sich und der Welt, hauptsächlich allerdings mit sich, und ging mit Herrn Bachmüller, der ausnahmsweise Dieter mit einem für seine Verhältnisse freundlichen Blick begutachtet in dessen Büro. Beim Hinausgehen kam Andreas an Dieters Seite.

„Sag mal spinnst Du, wenn das rauskommt, bekommst Du aber jede Menge Ärger. Herr Müllerstein ist doch nicht blöd, früher oder später wird er merken, dass Du ihn verarscht hast, und die ursprünglichen Vorgaben verfälscht hast, dann ist er mit Sicherheit stinksauer.“

„Glaube ich nicht, solange ich nicht den Fehler mache, die Präsentation zu verteilen, oder abzulegen, wird in ein paar Wochen keiner mehr wissen, was ich heute vorgestellt habe.“

„Aber der Alte wird wollen, dass Du sie ablegst so wie immer.“

„Das mache ich auch, aber ohne Inhalt, dann ist mir halt ein Fehler unterlaufen oder irgendein Idiot hat sie überschrieben, das kommt doch immer wieder vor. Nachsehen was drin steht wird er die nächste Zeit sowieso nicht, er ist zufrieden, dass Herr Müllerstein den Frosch geschluckt hat und erst einmal Ruhe gibt. Mehr interessiert den doch nicht. Du weißt doch, man ist immer nur so gut, für wie der Chef einen hält, das hat der Bachmüller doch längst begriffen. Wie der seinen Chef dazu bringt ihn für fähig zu halten ist ihm doch völlig Wurst.“

„Die Kröte, es heißt die Kröte geschluckt“, schiss Andreas klug.

„Von mir aus auch die Kröte, Hauptsache das Ding ist weg.“

„Mensch Dieter hätte dir gar nicht zugetraut, dass Du so ein abgebrühter Hund bist, wenn Du damit früher angefangen hättest wärst Du jetzt bestimmt schon Abteilungsleiter und nicht der Fußabtreter vom Alten“, äußert Andreas seinen Anflug von Hochachtung.

„Tja kennst mich ja, ich bin eben kein Karrieretyp, dazu fehlt mir die große Klappe.“

„Hey Dieter, das hast Du gerade noch so hingebogen, hoffentlich geht der Schuss nicht nach hinten los“, rief Markus Schmidt von hinten.

Dieter hob nur die Hand zum Gruß ohne näher auf das Gesagte einzugehen, zudem er Markus für einen arroganten Hund hält, der auf der einen Seite an absoluter Selbstüberschätzung litt, was sich derart äußert, dass er grundsätzlich der Meinung ist, etwas besser als alle anderen zu können oder doch zumindest genauso gut. Gleichzeitig litt er an Minderwertigkeitskomplexen, und fühlte sich von den anderen nicht in dem Maße respektiert wie er es seiner Meinung nach verdient hätte. Fakt ist, dass er von seiner Umgebung genau den Respekt erhielt, den er verdient hat, folglich waren seine Minderwertigkeitskomplexe eigentlich unbegründet. Allerdings geht der ihm entgegengebrachte Respekt im Allgemeinen gegen Null, was seine Ursache in der Kluft zwischen seinen tatsächlichen Fähigkeiten und den von ihm eingebildeten Fähigkeiten lag, was seine Minderwertigkeitskomplexe dann wieder rechtfertigen würde. Verdammt kompliziert das Ganze. Der arme Markus hatte es wirklich nicht leicht, was nichts daran ändert, dass Dieter ihn für einen arroganten Hund hielt, und mit dieser charakterlichen Einschätzung seines Kollegen stand Dieter durchaus nicht allein.

„Erst 11:30 Uhr“, sagte Dieter beim Blick auf die Uhr, ich habe schon ziemlich Hunger.“

„Na dann lass uns essen gehen, die Manipulation von Projektdaten scheint hungrig zu machen“, gab Andreas lachend zurück.

„Was heißt hier Manipulation, ich habe lediglich die Vorgaben der Geschäftsführung auf ein realistisches Maß gebracht, du weißt Doch, die von der Geschäftsleitung haben einfach keinen Bezug zum wirklichen Leben.“

Als Dieter und Andreas in der Kantine eintreffen wurde diese gerade geöffnet und die frisch gefüllten Tröge auf Edelstahlrollwaagen zu den Ausgaben gebracht. Wie in vielen Firmen wurde auch hier die Kantine offiziell nicht mehr als Kantine bezeichnet. Nein hier wurde der extrem kreative Name Belegschaftsrestaurant eingeführt, wodurch das servierte Essen nicht wirklich besser geworden war, man aber von Seiten der Geschäftsführung wohl der Meinung war, die eher durchschnittliche Qualität durch eine Verkomplizierung der Namensgebung in den Augen der Belegschaft etwas aufwerten zu können.

Was allerdings nicht wirklich funktionierte, da unter der Belegschaft der Begriff Belegschaftsrestaurant ausschließlich zur Lächerlichkeitspreigebung der Geschäftsführung Anwendung fand, und ansonsten die Kantine einfach Kantine genannt wurde. Wäre die Belegschaft wirklichen so bescheuerte wie sie von der Geschäftsführung im Allgemeinen eingeschätzt wird, stände es schlecht um die heimische Wirtschaft. Bereits nach kurzer Zeit saßen Dieter und Andreas mit ihren schlichten grauen Tabletts, die der Kantine einen Hauch von Belegschaftsschnellrestaurant verliehen, an einem Tisch. Aufgrund von neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde das Belegschaftsrestaurant mit neuen Tischen versehen, an welchen nur jeweils vier Belegschaftsrestaurantbesucher Platz fanden und zwar an jeder Tischseite einer.

Diese Sitzordnung sollte ein familiäres Ambiente verbreiten, was laut neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen den Belegschaftsrestaurantbesuch, wenn er quasi wieder zur ordinären Belegschaft degradiert wurde, zufriedener und natürlich auch leistungsfähiger machen sollte. Des Weiteren soll diese Sitzordnung zum kreativeren Handeln der Belegschaft führen. Die Einführung dieser Neuerung zum Wohle des Einzelnen und der ganzen Firma, löste bei der Belegschaft zu Beginn zwar nicht den erhofften Kreativitätsschub aus, sehr wohl aber Erheiterung, da die vorhandenen Tabletts zu groß waren so dass keine vier davon auf den Tischen Platz fanden. Was genau genommen doch die Kreativität der Belegschaft anregte, zum einen war die Aufgabe zu lösen, wie man es dennoch bewerkstelligen könnte, zu viert am Tisch Platz nehmen zu können um das versprochene familiäres Ambiente erleben zu können, und zum andern durch die Erschaffung hämischer Kommentare, deren Ziel erneut die Lächerlichkeitspreisgebung der Geschäftsleitung war, was wiederum tatsächlich für eine gewissen Befriedigung der Belegschaft sorgte. Kurzum die Einführung war ein voller Erfolg. Nach einigen Tagen wurden an sämtliche Tabletts zwei Ecken in einem Winkel von 45°abgesägt, so dass bei sachkundigen Ausrichtung tatsächlich vier Tabletts auf den Tischen Platz fanden, der Kreativität sei Dank, und da soll noch jemand sagen, dass viele wissenschaftliche Erkenntnisse für die Katz seien, und das hierfür zur Verfügung gestellte Geld reine Verschwendung gewesen sei. Hier wurde auf nahezu grandioser Weise das Gegenteil beweisen.

Amsterdam

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