Читать книгу Herbstgesummse - Uwe Wedemeyer - Страница 10
ОглавлениеKapitel 7
Maria von Hückenberg beim Einkauf
„Sie müssen mit dem Rollator Randsteine und Schwellen immer schräg anfahren, um ein Rad nach dem anderen über das Hindernis zu schieben“, hatte der Verkäufer derart lautstark in ihr Ohr gebrüllt, als ginge er davon aus, dass dies die einzige Art und Weise sei, mit älteren Kunden umzugehen. Sie zuckte regelrecht zusammen und taumelte einen Schritt zurück. Noch jetzt dröhnte es in ihrem rechten Ohr.
Ha! Das muss er mir erstmal vormachen, dachte Maria im vollen Lauf, während die Griffe des Rollators schmerzhaft in ihre Rippen stießen, als der Scheiß Rollator gegen den Bordstein prallte und abrupt zum Stehen kam. Fast wäre sie kopfüber hinein geschlagen. Schnell blickte sie über die Schulter. Gott sei Dank, sie hatte den Verkäufer abgehängt – aber sicher war sicher und trotz schmerzenden Rippen hastete sie weiter. Einige Autofahrer blickten verdutzt hinter ihr her, als sie im Laufschritt, den Rollator vor sich herschiebend, an den stehenden Autos vorbeihastete.
„He, Oma“, brüllte einer aus dem offenen Fenster hinter ihr her. „Pass auf, dass du nicht heiß läufst! Trainierst wohl für Olympia?“ Seine dreckige Lache klang jetzt noch in ihren Ohren. Nur wegen der Anrede „Oma“ hätte sie ihm schon einen Tritt verpassen können. Na gut, sie hatte sich heute besonders alt zurecht gemacht. Ihre roten Haare hatte sie unter einer billigen grauen Perücke verborgen, ihre Augen hinter einer riesigen Sonnenbrille.
Mit einer Strickjacke, auch in Grau, hatte sie den Laden betreten und so getan, als interessiere sie sich für die ausgestellten Rollatoren. Das Geschäft war natürlich ein anderes als beim ersten Mal.
Der Verkäufer ließ nicht lange auf sich warten. Der Mann humpelte ein wenig, wie sie feststellte, sah zudem auch ein bisschen unsportlich aus. „Unser bester Rollator“, begann er seinen Verkaufssermon in voller Lautstärke und ohne gefragt worden zu sein, so dass sie augenblicklich zusammen zuckte.
„Zwei Vollgummigriffe an den ergonomisch geformten Festhaltepunkten. Leicht zu betätigende Bremsen und Feststellbremsen. Höhen- und breitenverstellbar. Nur acht Kilo schwer. Vollgummireifen. Stockhalterung. Faltbar ist er selbstverständlich auch. Und das zu diesem Sensationspreis von nur dreihundertneunundneunzig Euro.“
„Am Geld soll es nicht scheitern“, sagte sie mit verstellter dünner Stimme und beugte sich hinunter zu dem Gefährt, um so zu tun, als interessieren sie weitere technische Details. „Und hier kann man sitzen?“, fragte sie und klopfte auf das Tablett.
„Ja, genau“, grinste der Mann. „Das Gefährt zeichnet sich als äußerst belastbar aus, da können Sie noch ein paar Kilo zulegen.“
„Habe ich nicht vor“, erwiderte sie etwas pikiert, um dann sogleich die Masterfrage zu stellen. „Ich müsste ihn aber mal probeschieben, bevor ich mich entscheide.“
„Kein Problem“, antwortete er. „Wir haben im Nebenraum eine kleine Teststrecke aufgebaut. Wenn Sie mir bitte folgen…“
Den Rest hörte sie schon nicht mehr, da sie bereits aus der Tür war und Fersengeld gab. Erst, als sie an Gerties uraltem Panda ankam, verfluchte sie sich, dass sie nicht gefragt hatte, wie man den Rollator zusammenklappen konnte. Jetzt musste sie sich was einfallen lassen, damit sie pünktlich nach Zell-Weierbach kam.