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Viertes Kapitel:

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Obwohl ich tief und fest schlafe, scheint der Partylärm doch an meinem Unterbewusstsein zu kratzen. Ich schlafe unruhig und träume totalen Unsinn. Jungs begrapschen mich, fesseln mich mit meinem eigenen Haar an die Pfosten eines Stockbetts, tun mir unendlich weh.

Von Zeit zu Zeit scheint mir, als werde die Zimmertür geöffnet und geschlossen, Licht fällt kurz auf mein Gesicht, ich höre Thomas‘ Stimme auf dem Flur und zuletzt wieder Ruhe. Am Morgen wache ich auf dem Rücken liegend auf, frisch und erholt. Mein Kopf ist vollkommen leer und entspannt. Nur an meiner linken Schläfe ziept es, das Seidenband hat nicht gehalten und die Haare haben sich komplett aus dem Zopf gelöst.

„Das bedeutet eine halbe Stunde Knoten entwirren“, seufze ich.

Das orange T-Shirt ist ein wenig hochgerutscht und ich fühle eine warme Hand auf meinem Bauch. Ich sehe sie mir genauer an und erstarre: Groß, braun und dunkel behaart. DAS ist eindeutig nicht Nataschas Hand. Und auch der Kopf, der auf meinen Haaren liegt, ist nicht Nataschas. Jetzt bin ich in einem albernen Bauerntheater gelandet. An meiner Seite, bäuchlings, das schlafende Gesicht mit den langen braunen Wimpern in meine Richtung gedreht liegt Kitt. Kitt, der Arbeitskollege meines Bruders, der neue Lover meiner Schwester, schläft mit MIR im Bett meiner anderen Schwester. Das ist unglaublich!

Vorsichtig versuche ich, meine Haare unter seinem Gesicht hervorzuziehen. Natürlich vergeblich.

„Bin schon wach“, murmelt Kitt schlaftrunken und hebt kurz den Kopf an. Schnell setze ich mich auf.

„Du bist hier mit mir: Rebecka. - Nicht bei Tine.“

„Ich weiß.“

„Aber du bist in Nataschas Zimmer.“

„Weiß ich auch“.

Er rollt sich lässig auf den Rücken und streckt die Arme aus, wobei er mit den Gelenken gegen das metallene Kopfende schlägt.

„Autsch!“

Kitt reibt sich die Hände. „Ganz schön kleines Bett.“

„So groß bist du auch nicht.“

Ich bin unfähig, einfach aufzustehen und samt meiner Kleidung hinauszugehen.

„Was machst du hier?“ – Das will ich nun wirklich wissen.

„Die Party war zu Ende, Thomas hatte seine Wohnung schon voll bestückt mit Übernachtungsgästen und hat die Übriggebliebenen oben verteilt. Im Wohnzimmer auf den Sofas und Sesseln, in deinem Zimmer und bei Tine …“

„Wieso bist du nicht bei Tine?“, unterbreche ich ihn. „Sie hat auch einen Futon. Und wo ist Natascha?“

„Natascha habe ich nicht gesehen.“ Er reibt sich das Gesicht. „Bisschen viel Wodka zum Schluss. Kopfschmerzen.“

„Wieso bist du nicht bei Tine?!“, wiederhole ich gereizt. „Ich denke, du bist ihr neuer Freund?“

„Nein, bin ich nicht. Zufrieden mit der Antwort?“

Er sieht mich mit hochgezogener Braue an. Seine Haare sind gar nicht schwarz, sondern dunkelbraun.

Nein, zufrieden stellt mich die Antwort nicht. Habe ich einen Blackout?

„Aber du hast doch gestern mit ihr rumgeknutscht.“

„Habe ich“, er grinst. „Ich bin kein Heiliger. Trotzdem muss ich ja nicht gleich mit ihr schlafen.“

„Aber mit mir“, empöre ich mich. Verdammt, ich sollte Ruhe bewahren.

„Da hast du was falsch verstanden.“

Er beugt sich lächelnd zu mir.

Wir zwei haben nicht miteinander geschlafen. Das hast du vielleicht geträumt.“

„Nein, ich habe nichts geträumt! Ich meine, ich weiß, dass wir nicht … das … das …“

Ich bin ganz verwirrt.

Kitt steigt aus dem Bett, in einem roten O.C.C.-T-Shirt und schwarzen Hipsters. Knackiger Hintern. Oh, verdammt.

Er schlüpft in seine zerrissenen Jeans, wühlt kurz auf Nataschas Schreibtisch und setzt sich wieder zurück zu mir aufs Bett.

„Darf ich?“

Er hält einen Kamm in der Hand.

„Was?“

Dazu fällt mir nichts mehr ein. Durch den Kopf schießt mir in etwa: Nein! Nicht anfassen! Geh raus, geh raus!

Doch ich sage gar nichts und er rutscht vorsichtig näher, als wolle er ein scheues Pferd streicheln. Sanft greift er nach einer Strähne, entwirrt sie mit den Fingern und lässt dann den Kamm hindurch gleiten.

„Dreh mir mal den Rücken zu“ bittet er. Seine Hände legen sich von hinten auf meine Hüften und schieben mich zum Bettrand. Dann setzt er sich mit gespreizten Beinen hinter mich.

„Solche Haare habe ich noch nie gesehen. Die sind echt der Hammer, aber bestimmt unpraktisch.“

„Bin ich von klein auf gewohnt. Außerdem sind Nataschas und Tines Haare auch nicht kürzer.“

Fast genieße ich seine geschickten Bemühungen. Außer meiner Mutter und meinen Schwestern darf sonst niemand an meinen Kopf. Die Haarspitzen schneiden wir uns gegenseitig, einen Friseursalon habe ich noch nie von innen gesehen.

Er legt sein borstiges Kinn auf meine linke Schulter, um mir ins Gesicht sehen zu können.

„Deren Haare habe ich aber nicht von so Nahem gesehen oder sie angefasst so wie deine jetzt.“

Darauf fallen mir mehrere bissige Antworten ein, die ich ausnahmsweise herunterschlucke.

Stattdessen frage ich: „Wie alt bist du eigentlich? Einen solchen Bart habe ich auch noch nie gesehen.“

„Ein alter, bärtiger Mann bin ich“, witzelt er. Aus seiner Jeans nestelt er seinen Führerschein. Im Februar vierundzwanzig geworden, rechne ich nach.

„Zeig mal“, fordere ich und halte seine Hand mit dem Führerschein fest. „Da hast du ja gar keinen Bart. Und kurze Haare.“

„Das Bild ist ja auch sechs Jahre alt. – Hast du schon mal einen bärtigen Mann geküsst?“

Ich starre ihn wortlos an und auf einmal küsse ich einen bärtigen Mann. Die Berührung fühlt sich ganz anders an als bei den Milchbubis aus der Schule und die Borsten kratzen gar nicht so heftig, wie ich gedacht hätte. Meine Finger rudern unschlüssig durch die Luft, nicht wissend, ob sie seine Schultern berühren sollen, oder besser nicht. Der Druck seiner Lippen gefällt mir. Bevor ich noch weitere Feststellungen treffen könnte, ist es schon wieder vorbei und er dreht meinen Kopf von sich weg.

„So, wir müssen hier noch fertig werden“, sagt Kitt entschlossen.

Der Kamm arbeitet weiter und da höre ich ein Quieken von der Tür her.

Natascha und Kristine stehen im Türrahmen. Die Erste sieht überrascht aus, die andere fuchsteufelswild.

„Wir haben Brötchen geholt“, sagt Natascha.

Fast gleichzeitig zischt Tine: „Mistkerl!“

Dann sind beide verschwunden und die Tür knallt zu. Seelenruhig beendet Kitt sein Werk, zieht sein eigenes Haargummi aus den dunklen Locken und wickelt es um meinen Zopf.

„So, fertig. Ich gehe dann mal.“

Er streift seine Sneakers über die nackten Füße und stopft die Socken in die Hosentaschen.

Auch ich schlüpfe in Nataschas Jogginghosen. Zusammen gehen wir nach unten. In der Küche sitzen neben meinen Geschwistern noch Ingo, zwei Freundinnen und ein Kumpel meiner Schwester. Kitt hebt die Hand im Seemannsgruß zur Stirn.

„Guten Appetit.“

„Na setzt euch.“

Thomas macht eine einladende Geste. Auf Kitts Kopfschütteln: „Wie, du willst schon los? Du kannst doch noch gar nicht fahren.“

„Geht schon“, versichert Kitt und weg ist er.

Wortlos besetze ich den Platz neben Natascha, leider gegenüber von Tine.

„Miststück!“, zischt sie zwischen zwei Bissen. Gut, Mistkerl und Miststück. Passt ja.

„Was ist denn hier los?“, zeigt sich Thomas überrascht.

„Die hinterlistige Kuh hier hat mir den Kerl ausgespannt“, platzt Tine heraus.

Ich rühre teilnahmslos in meinen Müsliflocken. Nach gestern hätte ich eh nicht mit ihr geredet und nachdem, was sie vor fünf Minuten gesehen hat, muss sie ja glauben, zwischen mir und ihrem Schwarm sei was gelaufen.

„Frisieren kann er jedenfalls nicht“, schnippt sie.

„Also Tine, lass sie doch mal erklären. Du weißt ja gar nicht …“, will Natascha schlichten, aber ich lege meine Hand auf ihren Unterarm, um sie zum Schweigen zu bringen.

„Und das will meine Schwester sein“, legt Tine wieder los. Dazu bin ich gerade gar nicht in der Stimmung. Sie hat gut reden. Immerhin ist sie mir gestern in den Rücken gefallen. Trotzdem war das eben mit Kitt keine Retourkutsche. Es war nur … Zufall. Oder … ich weiß auch nicht.

Ein Zustand von Trance ereilt mich. Ich lasse das Essen stehe, verlasse die Küche und komme erst wieder zu mir, als ich mein Fahrrad an die Hauswand von Rikes Eltern gelehnt habe und Sturm bei Familie Müller klingele.


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