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Compassion

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Für Papst Franziskus gehört eine elementare Leidempfindlichkeit und Leidenschaft für die Mitwelt zum Humanum.18 Johann B. Metz sieht in der Gerechtigkeit suchenden Compassion ein Schlüsselwort im Zeitalter der Globalisierung. Compassion ist angebracht angesichts der politischen, sozialen und kulturellen Konflikte in der heutigen Welt. Fremdes Leid wahrzunehmen gehört zur Friedenspolitik, zur sozialen Solidarität hinsichtlich des eskalierenden Risses zwischen Arm und Reich. Freiheit ohne Mitleid, ohne Empathie wird zur Tyrannei, Mitleid ohne Macht zur Verdoppelung des Unglücks. Es geht um Empathie, Einfühlungsvermögen und Offenheit, die auch an den Leiden, Ängsten und dem Versagen des Anderen teilnehmen kann.

Allerdings: Manchmal dienen Trauer, Betroffenheit und Leidensdruck nicht nur der Anteilnahme, sondern auch Strategien der Immunisierung eigener Interessen und der Distanzierung von Ansprüchen. In den zwischenmenschlichen Bereichen ist zunehmend eine Teilnahmslosigkeit und Interesselosigkeit zu bemerken, Berührungstabus gegenüber allem, was nach Schmerz, Leid, Trauer, Krankheit, Alter und Tod riecht. Gegen Tränen, die geweint werden müssten, gibt es Tabletten. Gefühlsstimulierungen werden in den Konsumbereich hineinverlagert. Die „Unfähigkeit zu trauern“ (A. Mitscherlich) geht Hand in Hand mit dem Verlust an Sehnsucht und führt zur Reduktion des Menschen auf seine Bedürfnisse und Funktionen. Die Gesellschaft wird zur Erfolgs- und Siegergesellschaft, die in den menschlichen Kontakten verarmt. Letztlich wird die Verdrängung von Trauer mit einem Wirklichkeitsverlust erkauft. Die Tiefen und Abgründe werden dann nicht mehr berührt, in oberflächlichen Beziehungen werden keine Spannungen mehr ausgehalten. Eine falsche Indifferenz erklärt Leid, Mitleid und Trauer als Schwächen einer noch nicht zur Reife gelangten menschlichen Natur.

Johann B. Metz spricht sich gegen Trauer- und Melancholieverbote in der Arbeits-, Leistungs- und Siegergesellschaft aus: „Trauer ist kein Schwächeanfall der Hoffnung, es sei denn, man missverstehe die Hoffnung als eine Spielart von pausbäckigem Optimismus. Trauer ist Hoffnung im Widerstand (…) im Widerstand gegen das Vergessen und gegen jenes Vergessen des Vergessens, das bei uns den Namen ‚Fortschritt‘ und ‚Entwicklung‘ trägt; im Widerstand gegen den Versuch, alles Entschwundene und unwiederbringlich Vergangene zum existentiell Bedeutungslosen herabzustufen, also im Widerstand gegen den Versuch, dem Wissen des Menschen um sich selbst das Vermissen auszutreiben.“19 Bei der Trauer geht es um die Empfänglichkeit für die vergangenen Leiden, also um eine Solidarität nach rückwärts mit den Toten und Besiegten.20

Geist & Leben 1/2022

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