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Präzisierungen und Grundannahmen

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Ich schreibe im Hinblick auf Priester der katholischen Kirche, die im Kontext ihrer Lebensentscheidung – wenn sie Diözesanpriester sind – ihrem Bischof bei der Priesterweihe versprochen haben, zölibatär zu leben, bzw. Ordensmänner, die bei der Profess ihrem Ordensoberen das Gelübde der Keuschheit abgelegt haben. Anders gesagt: Ich habe jene Priester im Blick, die sich zu einem authentischen zölibatären Leben berufen erleben, nicht diejenigen, die den Zölibat sozusagen „in Kauf nehmen“.

Im Folgenden geht es um spirituelle Hilfen und Ermutigungen. Damit will ich nicht sagen, dass – insbesondere in Krisensituationen – psychologische und therapeutische Unterstützungen unwichtig oder zweitrangig wären, im Gegenteil! Sie zu übergehen, wäre grob fahrlässig. Hier ließe sich einiges unter dem Stichwort „Resilienz“ aufzählen. Resilienz ist die Fähigkeit, sich abzeichnende Krisen durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen.1 Wenn ich mich auf die ignatianische Spiritualität beziehe und damit auch beschränke, dann bedeutet das nicht, dass ich diese Spiritualität für die am besten geeignete halte oder den ignatianischen Übungsweg als für alle zölibatär Lebenden am besten passend ansähe. Allerdings zeigt sich dieser Zugang immer schon besonders geeignet für ein „Leben in der Welt“; und nicht wenige Spirituale in den Priesterseminaren waren und sind Jesuiten. Meine Leitfrage ist angesichts der derzeitigen aufgeheizten Diskussion um Priesterbild und Zölibat ganz einfach diese: Was kann aus dieser Spiritualität heraus zu einem authentischen Leben des Keuschheitsversprechens gesagt werden?

Das ist keine theoretische Erörterung, sondern ein höchst lebenspraktisches Unterfangen. Baumann und Büssing untersuchen den Zusammenhang von Zölibat und geistlicher Trockenheit. Sie kommen zu dem Ergebnis: Knapp die Hälfte der Priester, die kaum oder nicht fähig sind, allein zu sein, äußert auch ausdrücklich Probleme mit der eigenen Sexualität. Je weniger jemand fähig ist, allein zu sein, desto weniger ist für ihn der Zölibat eine geeignete Lebensform im Hinblick auf ein wirksames Apostolat, innere Freiheit und ein gelingendes geistliches Leben.2 Bei den folgenden Überlegungen gehe ich von drei Grundannahmen aus:

Katholische Priester sind wie alle Menschen weder Tiere noch Engel. Sie sind zwar vernunftbegabt und richten ihr Leben und Handeln auf Werte aus. Zugleich aber sind sie lebenslang – was Freud schon vor 120 Jahren beschrieben hat – von ihren Triebdynamiken beeinflusst. Sie müssen – wie jeder andere Mensch auch – Affektregulierung und Impulskontrolle erst lernen und dann lebenslang üben. „Abtötung“ nannte man das in der aszetischen Literatur bis etwa in die 1960er-Jahre. Das Wort hat heute keinen guten Klang und ist wegen der damit assoziierten Missverständnisse im deutschen Sprachraum aus der spirituellen Literatur fast völlig verschwunden. Auch der frömmste Priester hat nicht nur in der ersten Lebenshälfte erotische Phantasien gegenüber anderen Frauen oder Männern – und Todeswünsche genauso.

Erotik, Zärtlichkeit und Sexualität sind gute Gaben Gottes zur Freude am Leben und für ein „Leben in Fülle“ (Joh 10,10). Wenn man sie von Gott fernhält, holt sie sich der Teufel, so wie er sich – im Bild gesagt – alles holt, was man nicht mit Gott in Berührung bringt! Sie gehören konstitutiv zum Menschsein, egal ob man die darinliegenden Möglichkeiten aktualisiert oder um des Wertes der eigenen Berufung willen auf die Realisierung verzichtet. Werden sie nicht akzeptiert und deshalb als etwas Böses und Fremdartiges abgespalten, dann ist die Gefahr nur allzu groß, dass sie als Ich-fremde Dämonen mit enormen Energien immer wieder nachdrängen und sie sich buchstäblich „der Teufel holt“, wovon die Missbrauchsskandale der Vergangenheit ja ein beredtes Zeugnis ablegen. Schon Freud wusste, dass die „Dämonen“ unsere bösen, verworfenen Wünsche sind, Abkömmlinge abgewiesener, verdrängter Triebregungen.

Priester sollen – und wollen hoffentlich – einen menschenfreundlichen Gott verkünden, einen zugewandten Jesus repräsentieren und von einem lebensspendenden Heiligen Geist erfüllt sein. Deswegen ist es richtig oder zumindest wünschenswert, dass niemand sich und seine Mitmenschen vorrangig unter dem Aspekt der Gefahr ansieht. Ich sehe vielmehr mein Gegenüber als jemand, der/die mein Leben bereichert und dessen Leben ich bereichern kann. Das prägt meinen Umgang mit anderen Männern und Frauen. Ich werde mich eher bemühen, gelingende Beziehungen – asymmetrische und symmetrische – zu entwickeln und zu gestalten, als ängstlich darauf achten, eventuelles Scheitern zu vermeiden. „Wir wissen, dass unser Glaube jede Dunkelheit überwinden, dass unsere Hoffnung Brücken bauen und dass unsere Liebe heilen kann“, sagte die 36. Generalkongregation des Jesuitenordens im Jahr 2016 an die Adresse der Jesuiten. Daran dürfen sich natürlich auch andere (Ordens-)Priester orientieren.

Geist & Leben 1/2022

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