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Niedere Sinnlichkeit?
ОглавлениеGeschmäcker sind verschieden. De gustibus non est disputandum. – Über Geschmäcker lässt sich nicht diskutieren und streiten. Vonseiten der Philosophie und der Ästhetik gibt es eine weitgehend negative Einschätzung des Geschmacksinnes. Diese Marginalisierung des Geschmacks in der philosophischen und ästhetischen Tradition war im Wesentlichen dessen Flüchtigkeit und der Verhaftung ins Materielle geschuldet. Riechen und Schmecken wurden von Platon und Aristoteles als „niedrig“ eingestuft.2 Auch Immanuel Kant und Friedrich Hegel teilten diese Ansicht und waren der Meinung, der Geruchssinn sei untauglich für kognitive Erkenntnisse und ästhetische Urteile. Kant verhandelt Geruch und Geschmack als Genusssinne und grenzt diese von den Sinnen der Wahrnehmung ab. Über den Geschmack urteilt er nicht ganz so negativ wie über den Geruch. So schreibt er über seinen „ihm eigentümlichen Vorzug (…), dass dieser die Geselligkeit im Genießen befördert, was der vorige nicht tut.“3 Entscheidend ist für Kant, dass Sinne und Sinnlichkeit für die Begründung der Sittlichkeit keine konstitutive Bedeutung haben. Er fragt zunächst in der Kritik der praktischen Vernunft nach den Bedingungen der Möglichkeit von Sollensaussagen. Nicht die Religion, nicht empirische Praxis oder die Sinnlichkeit können diese Frage beantworten, sondern nur die reine Vernunft. Der Mensch ist ein intelligibles Wesen, d.h. er ist in der Lage, in der Vernunft unabhängig von sinnlichen, auch triebhaften, Einflüssen zu denken und zu entscheiden. Kants Schrift Über Pädagogik4 zielt darauf ab, ganz im Sinne des Aufklärungsideals, Menschen zur geistigen Beweglichkeit zu führen. Es geht um eine Disziplinierung, eine Kultivierung (gegen die Verrohung), eine Zivilisierung (Vermittlung von „Weltklugheit“ als Klugheit im Umgang mit Menschen) und eine Moralisierung im Prozess der Erziehung und Bildung.
Kant hatte Religion auf Moral reduziert. Er begnügte sich mit der Hoffnung, zu der unbegreiflichen und niemals gewissen „Revolution der Gesinnung“ durch „eigene Kraftanwendung“ zu gelangen.5 Freiheit und Liebe nur zum Postulat des Sollens zu erheben, ist aber „selber Bestandstück der Ideologie, welche die Kälte verewigt. Ihm eignet das Zwanghafte, Unterdrückende, das der Liebesfähigkeit entgegenwirkt.“6