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Dimensionen von Zärtlichkeit

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Papst Franziskus spricht in seiner Enzyklika Laudato sí von einer universalen Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit. Gleichgültigkeit oder Grausamkeit gegenüber den anderen Geschöpfen dieser Welt spiegeln viel von dem wider, wie wir die anderen Menschen behandeln. Die „gleiche Erbärmlichkeit, die dazu führt, ein Tier zu misshandeln, zeigt sich unverzüglich auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Jegliche Grausamkeit gegenüber irgendeinem Geschöpf widerspricht der Würde des Menschen. (…) Alles ist aufeinander bezogen, und alle Menschen sind als Brüder und Schwestern gemeinsam auf einer wunderbaren Pilgerschaft, miteinander verflochten durch die Liebe, die Gott für jedes seiner Geschöpfe hegt und die uns auch in zärtlicher Liebe mit Bruder Sonne, Schwester Mond, Bruder Fluss und Mutter Erde vereint.“ (LS 92) Der Dialog zwischen den Religionen, mit der Wissenschaft und zwischen den Ökologiebewegungen muss „auf die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit ausgerichtet sein. (…) Die Schwere der ökologischen Krise verlangt von uns allen, an das Gemeinwohl zu denken und auf einem Weg des Dialogs voranzugehen, der Geduld, Askese und Großherzigkeit erfordert.“ (LS 201)

Ihren zentralen Ort hat die Zärtlichkeit für Papst Franziskus in der interpersonalen Liebe. Vor allen kasuistischen Fragen des Sollens, Müssens oder Nicht-Dürfens steht im nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia24 die Zärtlichkeit im Fokus: „Liebe ist (…) Respekt: Liebe hütet das Bild des/der anderen mit Feingefühl.“ (AL 122) Liebe wird geradezu durch respektvolle Zärtlichkeit charakterisiert (vgl. AL 283). „Am Horizont der Liebe, die in der christlichen Erfahrung der Ehe und der Familie im Mittelpunkt steht, zeichnet sich auch noch eine andere Tugend ab, die in diesen Zeiten hektischer und oberflächlicher Beziehungen etwas ausgeklammert wird: die Zärtlichkeit.“ (AL 28) Mit Ps 131; Ex 4,22; Jes 49,15 und Ps 27,10 beschreibt der Papst die Verbindung zwischen Gott und Mensch mit Wesenszügen der Vater- oder der Mutterliebe. Es ist „die zarte und sanfte Vertrautheit, die zwischen der Mutter und ihrem Kind, einem Neugeborenen, besteht, das in den Armen seiner Mutter schläft, nachdem es gestillt worden ist.“ (ebd.) Der Prophet Hosea legt Gott als Vater die bewegenden Worte in den Mund: „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb (…). Ich war es, der Efraim gehen lehrte, ich nahm ihn bei der Hand (…). Mit menschlichen Fesseln zog ich sie an mich, mit den Ketten der Liebe. Ich war da für sie wie die [Eltern], die den Säugling an ihre Wangen heben. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen (11,1.3–4).“ (vgl. ebd.)

Überraschend situiert Papst Franziskus die Zärtlichkeit auch in der Politik: Es geht um eine universale Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft, um eine Liebe, die nah und konkret ist. „Auch in der Politik gibt es Raum, um mit Zärtlichkeit zu lieben. ‚Was ist die Zärtlichkeit? Sie ist die Liebe, die nah und konkret wird. Sie ist eine Bewegung, die vom Herzen ausgeht und zu den Augen, den Ohren, den Händen gelangt. (…) Die Zärtlichkeit ist der Weg, den die mutigsten Männer und Frauen beschritten haben.‘ Inmitten der politischen Tätigkeit ‚müssen die Bedürftigen, die Schwachen, die Armen unser Herz berühren: Sie haben das Recht, uns die Seele und das Herz zu nehmen. Ja, sie sind unsere Brüder, und als solche müssen wir sie lieben und behandeln.‘“25

Geist & Leben 1/2022

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