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Ignatius von Loyola: Erfahrungen und Reflexionen

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Ein oberflächlicher Blick in das Exerzitienbuch und in die darauf aufbauende Ordensregel der Jesuiten – die Konstitutionen – scheint nicht viele Erkenntnisse zu zölibatärer Sexualität und Spiritualität zu bieten. Im Exerzitienbuch kommt „zölibatäre Sexualität“ explizit überhaupt nicht vor. In den Konstitutionen sagt Ignatius, dass das Gelübde der Keuschheit „keine Deutung erfordert, da feststeht, wie vollkommen sie beobachtet werden muss, indem man sich bemüht, in ihr durch die Reinheit des Leibes und des Geistes die Lauterkeit der Engel nachzuahmen“.3 „Der Satz klingt merkwürdig, weil Engel ja keinen Leib haben, der doch offenkundig bei der Sexualität eine nicht unwichtige Rolle spielt“, bemerkt Vitus Seibel dazu.4 Erst die 34. Generalkongregation der Jesuiten im Jahre 1995 hat in ihrem Dekret über die Keuschheit differenzierte Leitlinien zu verschiedenen Aspekten entwickelt.

Nun kann man sicher darüber spekulieren, warum Ignatius sich so kurzgefasst hat und welche Rücksichten oder innerpsychischen Abwehrmechanismen ihn dabei geleitet haben mögen. In jungen Jahren war er ein Sportfanatiker und Frauenheld. Gerichtsakten sprechen von „sehr großen Vergehen, nächtlichem Unfug, bestimmten Verbrechen, absichtlich und heimtückisch begangen“.5 Seine Gefährten haben nicht verschwiegen, dass der junge Iñigo „versucht und besiegt wurde“.6 Zudem wird in der heutigen Ignatiusforschung diskutiert, ob Ignatius der leibliche Vater einer Tochter Maria Villarreal de Loyola gewesen ist.7 Jedenfalls kannte er aus eigener Erfahrung die Dynamiken männlicher Sexualität einschließlich ihrer zerstörerischen Potentiale.

Weitere Spekulationen mögen vielleicht den eigenen Voyeurismus befriedigen, führen aber in der Fragestellung nicht weiter. Aus der ignatianischen Spiritualität scheint mir stattdessen für das äußere Verhalten wie für die innere Einstellung die geistliche Übung der „dritten Weise der Demut“ hilfreich und weiterführend zu sein. Sie steht im Exerzitienbuch in der so genannten „zweiten Woche“, in der es um die Nachfolge Christi geht.

Geist & Leben 1/2022

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