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c) Empfehlungen aus eigener Erfahrung: Episteln 1,7; 1,17 und 1,18

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Die Freundschaft zu Maecenas wird auch für das erste Buch der Episteln gleich zu Beginn als bestimmendes Thema eingeführt, indem Maecenas nicht nur als Widmungsadressat, sondern als Anfang und Ende von Horaz’ Muse apostrophiert wird (prima dicte mihi, summa dicende Camena, epist. 1,1) – selbst wenn diese Rolle Maecenas nicht in jeder Epistel zukommt.Horazepist. 1,1

Gerade in dieser ersten Epistel überrascht Horaz den Maecenas allerdings mit einer Absage. Nicht sofort wird deutlich, was Horaz meint, denn er spricht metaphorisch: Maecenas fordert ihn zum antiquus ludus auf. Doch Horaz fühlt sich wie ein Gladiator, der die ehrenvolle Entlassung erreicht hat (donatum iam rude quaeris?, 2); er will nicht mehr in die Arena zurück.1 Ist das eine Absage an die Dichtung überhaupt? Auch das nächste Bild suggeriert das: Ein alterndes Pferd sollte nicht mehr zum Rennen antreten (‘solve senescentem mature sanus equum, ne | peccet ad extremum ridendus et ilia ducat.’ 8f.). In Vers 10 spricht er es endlich aus: Er legt den Vers und alle anderen ludicra beiseite – und gibt eine Alternative an: Die philosophischen Grundfragen nach dem verum atque decens2 sind es, die ihn stattdessen bewegen.

Doch das alles sagt der Horaz-Sprecher in Versen. Er will damit also vor allem signalisieren, dass es ihm thematisch auf den philosophischen Gehalt seiner Briefe ankommt. Auch die Sermones hat er in dieser Weise einerseits abgewertet, andererseits aber gerade im Vergleich mit Lucilius seinen gestalterischen Anspruch verdeutlicht (sat. 1,5; 1,10). Es ist zu erwarten, dass auch hier die Kunst der Diskretion angewandt wird. Zugleich signalisiert Horaz aber mit diesem ersten Absatz ein Thema, das ihm in seiner Beziehung zu Maecenas wichtig ist: die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit. Er möchte dichten können, wenn ihm danach ist, nicht wenn jemand anderes (sein ‚Mäzen‘) will, dass er dichtet. Und er will thematisch das behandeln, was ihm wichtig ist, nicht das, was andere von ihm erwarten.Horazsat. 1,5Horazsat. 1,10

Was dieses Philosophieren für Horaz bedeutet, macht er dem Leser nicht nur in dieser ersten Epistel, sondern sukzessive auch in den folgenden Episteln deutlich. Die zweite Epistel,Horazepist. 1,2 die an den jungen Lollius adressiert ist, exemplifiziert das Verhältnis von Philosophie und Dichtung, das Horaz im Blick hat: Homers Epen sind für ihn eine lehrreichere Moralphilosophie als die moralphilosophischen Werke der Spitzenphilosophen der Stoa (Chrysipp) und der Akademie (Krantor): Die fabula der Ilias zeige richtiges und falsches Verhalten überdeutlich, der Held der Odyssee sei das Modell für virtus und sapientia.3 Die Leser der Episteln werden allmählich dazu angeleitet, auch in dem scheinbar harmlosen Florus-Brief (epist. 1,3)Horazepist. 1,3 oder den Einladungsbriefen 1,4 und 1,5 an Albius (Tibullus)Horazepist. 1,4Horazepist. 1,5 und Torquatus mehr zu sehen: Die bescheidene Zurückgezogenheit wird als fortuna (epist. 1,5,12) und Voraussetzung zum Genuss wahrer Freundschaft erklärt. In epist. 1,6 präsentiert der Sprecher seinem Adressaten Numicus die in diesem Rahmen garantierte Ataraxie als einzigen Weg zur beatitudo (nil admirari prope res est una, Numici, | solaque, quae possit facere et servare beatum, epist. 1,6,1f.).Horazepist. 1,6 Doch die Auseinandersetzung mit der Problematik der Abhängigkeit vom Gönner und Freund wird bald thematisch aufgegriffen. In dem an Maecenas adressierten Brief 1,7Horazepist. 1,7 kommen nämlich die mit den patronus-cliens-Diensten assoziierten Stadtprobleme wieder zur Sprache,4 und zwar als Grund, warum sich der Dichter aufs Land zurückgezogen hat. Offen als ruris amator wird sich der Horaz-Sprecher in der dem Fuscus gewidmeten epist. 1,10Horazepist. 1,10 demjenigen entgegensetzen, der das anstrengende Stadtleben vorzieht. Doch gleichzeitig sind die Vorteile des Verhältnisses zu einem (einfluss-)reichen Gönner für den Sprecher von einer so großen Bedeutung, dass er sie für empfehlenswert hält: In den jeweils an Scaeva und Lollius adressierten epist. 1,17 und 1,18 werden praktische und ethische Warnungen davor ausgesprochen, dass jemand von einem Abhängigkeitsverhältnis profitieren will, insbesondere als Dichterklient. Werden die Widmungen an Maecenas (1,1 und 1,19)Horazepist. 1,19 und an Lollius (1,2 und 1,18) als Hinweise auf die Gliederung des Epistelbuchs wahrgenommen, so bilden diese Gedichte einen thematischen Bezugsrahmen,5 der als Klammer die ganze Sammlung einfasst: die dialektische Spannung zwischen der Suche nach innerer Freiheit und den Vorteilen einer gewissen Abhängigkeit von einem mächtigen Gönner.

Damit wird evident, dass der Leser einen tieferen Einblick in die Problematik des patronus-cliens-Verhältnisses erhält, vor allem in den Episteln, in denen sich der Ich-Sprecher als schon reifer und erfahrener Dichterklient inszeniert, dem es dank der Förderung des Maecenas möglich ist, endlich die so begehrte Ruhe zu genießen. Dabei sind vor allem die epist. 1,7; 1,17 und 1,18 von zentraler Bedeutung. Dort betont der Sprecher die Vor- und Nachteile der amicitia (bzw. des Abhängigkeitsverhältnisses) zu mächtigen Gönnern/amici, indem er sich sogar in einer didaktischen Rolle dem jüngeren Unerfahrenen gegenüber positioniert. Das Ganze wird aber durch Stilbrüche an bestimmten Stellen relativiert, so dass sich die cultura potentis amici (epist. 1,18,86) zwar immer noch als problematische und gefährliche Kunst erweist, doch gleichzeitig über die positiven Aspekte als nutzbringende und empfehlenswerte Tätigkeit betont wird6 – dabei spielen die Kontraste zwischen Land- und Stadtleben sowie innerer und äußerer Freiheit, ähnlich wie in Epode 2 und Satire 2,6, eine wichtige Rolle.

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