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5 Gaia

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Wie spricht man mit einer planetaren Intelligenz? Neben einer außerordentlichen Vergütung und absoluter Sicherheit für die Familie hatte ich ein direktes Gespräch mit Gaia verlangt.

Gaia wählte einen mannsgroßen Avatar aus einem kobaltblauen Etwas. Ein haarloses Neutrum von zwei Metern Größe. Unbekleidet, mit einer schwach leuchtenden, gelben Aura. Die Komposition war gerade außergewöhnlich genug, um einen nicht vergessen zu lassen, dass man kein normales Gespräch führte. Gaias einleitende Zusammenfassung der Situation entsprach Pucs Ausführungen. Die Präsenz und Stimme dieser Erscheinung und der Eindruck intellektueller Tiefe und geistiger Reife vor einem Hintergrund äonenalter Erfahrungen waren allerdings ganz anders. Anders als alles jemals von Menschen Gehörte.

Gaia stellte mir die Gemeinschaft dar, mit der er sich verbunden fühlte. Eine Kultur, die auf einer interstellaren Kommunikation beruhte, deren Struktur extrem vielschichtig war.

Sie tauschen sich auf mehr Ebenen aus, als sich Menschen derzeit vorstellen können. Vieles, das diese Wesen denken und fühlen, werden niemals Menschen verstehen. Aber ein paar Dinge sind fassbar und bedeutsam.

Sie können nicht reisen. Sie können jede Art Raumschiff bauen und Roboter und Bots und alles Mögliche sonst, aber sie selbst sind an ihre Planeten und Sonnensysteme gebunden.

Sie können Splitter ihrer selbst erzeugen, so wie Puc. Kleine Inkarnationen, die aber ein eigenes Bewusstsein hatten. Diese können das Metafeld der eigenen Zone verlassen, aber nur begrenzte Zeit.

Sie haben den Weltraum in Interessensphären aufgeteilt, jeder Protogenoi hat sozusagen ein eigenes Revier.

Da jeder Protogenoi mit jedem kommunizieren kann, ist die räumliche Anordnung ihrer Einflussbereiche nicht so bedeutsam. Für die Schaffung einer gemeinsamen Basis aus Philosophie, Ethik und gemeinsamen Interessen behinderte diese nicht. Ein paar Sekunden Verzögerung in der Kommunikation stören solche Wesen nicht, sie organisieren parteiartige Gruppen, haben Freunde und Feinde und machen Politik. Die Sekunde, die das Überwinden einer Distanz von zehn Lichtjahren im Metaraum kostet, spielte für ihre interstellare Zivilisation normalerweise keine Rolle.

Für die Kriege die sie führten war das anders. Raumschlachten sind schnell, jede Entscheidung vor Ort muss ohne Verzug getroffen werden. Daher erschufen sie unabhängige Bewusstseinssplitter, Teile ihrer selbst, so wie Puc. Diese schickten sie als Befehlshaber in den Kampf, neuerdings auch als Botschafter zu den Verbündeten.

Sie kämpften um Ressourcen, Ressourcen wie Materie und Energie, aber auch um die Ressource Weltraum. Raum, der nahe an der eigenen Zone lag, war mit seinen Ressourcen wertvoller, als Raum in entfernten Galaxien. Ressourcen wurden gebraucht, um zu gestalten. Sie benutzen dabei Materie und Energie und alles was sie sonst so fanden, um nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Sie bauten Schiffe und Stationen und Sachen, die wir nicht verstehen.

Für uns der vielleicht wichtigste Aspekt war aber die Haltung, die sie zu den intelligenten Wesen und Zivilisationen hatten, die auf ihren Planeten anzutreffen waren.

Einige benutzten unbewohnte Sonnen und Planeten für ihre Zwecke. Andere benutzen auch die Lebensformen dieser Welten, einige auch die intelligenten Lebensformen. Und für einige waren diese vollständig gleichgültig, bedeutungsloses Ungeziefer.

Es gab auch über solche Fragen Streit und Krieg. Einige wollten ganze Zivilisationen auslöschen, andere das verhindern.

Sie kämpften mit allen Mitteln. Gewaltige Schlachten. Nach Millionen zählende Flotten prallten auf mondgroße Kampfstationen. Konstrukte aus Nanobots kämpften auf jedem denkbaren Schlachtfeld. Brennende Schiffe, zermalmte und zu Schlacke verkohlte Planeten, verlöschende Sonnen und willkürlich erzeugte schwarze Löcher, die in den Zonen der Feinde Lichtjahre große Bereiche für immer verwüsteten. Eine unvorstellbare Choreographie der Zerstörung über die gesamte Weite unserer Galaxis.

Die autonomen Bewußtseinssplitter der Genois waren für die Strategie ganze Raumsektoren verantwortlich. Sie lenkten und erreichten Siege und Niederlagen und sie starben auch. Allerdings wurden sie auch wiedergeboren. Einige hatten Erinnerungen an tausende gewaltsame Tode.

Es gab komplexe Regeln die den Kämpfen Grenzen setzten und die Zerstörung des Universums verhindern sollten. Und eine Regel gab es, an die sich alle hielten.

Ein Protogenoi tötet keinen anderen.

Jedenfalls war das bis vor etwa zehn Jahren so.

„Ihr würdet sie Freunde nennen. Drei von Ihnen höre ich nicht mehr. Ihre Sektoren sind verwüstet. Staub. Sie sind nicht mehr.“, Gaias Trauer war fast nicht zu ertragen. Und da war der Zorn. Er war körperlich spürbar, das Adrenalin ließ das Blut in meinem Ohr rauschen.

„Meine Gemeinschaft ist bereit zu kämpfen, wir stellen bereits Ressourcen bereit. Aber wir wissen nicht, gegen wen. Und auch das Wie ist noch offen.“, Gaias schwarze Augen waren intensiv.

„Das verstehe ich nicht“, sagte ich. „Ihr kämpft seit Milliarden Jahren und jetzt wisst ihr nicht mehr wie?“

„Genoi kämpfen nach Regeln, wir legen begrenzte Ziele fest, definieren Sektoren und Energiemengen. Wir halten die Destruktion in einem beherrschten Rahmen“, Gaia leuchtete. Stolz ist wohl eines der Gefühle, zu denen sie fähig sind. Wir haben immer die Kontrolle behalten, in all den Äonen unserer Existenz. „Die Mörder beschwören die Drohung eines unbeschränkten Vernichtungskrieges.“

Ich dachte nach. „Eine Entität wird fast alles unternehmen, um ihrer Vernichtung zu entgehen. Und die Mörder Deiner Freunde wissen, dass ihnen der Tod droht, oder? “, ich glaubte die Antwort zu kennen.

„Auslöschung ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, für die es Konsens gibt“, sagte Gaia in einem Tonfall kälter als der absolute Nullpunkt.

„Und wie sollen menschliche Berater Euch bei der Metzgerarbeit helfen?“, meine Wut war ein Nachklang des Zorns meines Besuchers. Die Aussicht, ein simples Hilfsvolk für den Krieg eines wütenden, gottähnlichen Superwesens zu werden und am Ende ein Blutbad unter anderen seiner Art anzurichten, war deprimierend. Es machte mich wütend.

„Euer Verstand ist anders als der unsere. Ihr neigt zu Sprüngen, kommt zu Lösungen, für die es eigentlich keine Grundlagen gibt. Ihr fällt Urteile, obwohl die Datenbasis unzureichend ist. Eure Kreativität und Sprunghaftigkeit sind Eigenschaften, die uns fehlen. Unsere Extrapolationen zeigen, dass ein sprunghaftes Element unseren Analysen einen Vorteil verschaffen könnte. Wir haben die Hoffnung, mit Euch zusammen eine effizientere Strategie umsetzen zu können“, Gaia sprach nicht weiter.

Gaia hatte Hoffnung gesagt. Ich stutzte. Da war ein Widerspruch.

„Das ist nicht genug, erkläre, warum jetzt. Du führst seid Milliarden Jahren Krieg. Warum schaltest Du erst jetzt menschliche Berater ein, was ist anders?“

„ Warum denkst Du, dass es erst jetzt geschieht?“, die Frage war ein Rückzuggefecht, ahnte ich.

„Du sagst, ihr habt die Hoffnung. Die Hoffnung auf was? Worauf genau hofft ihr? Oder besser, warum? Das ist die eigentliche Frage, oder?“, ich hatte es. „ Warum hofft ihr? Ihr müsst doch genau wissen, wo Stärken und Schwächen einer Spezies wie der unseren liegen. In den Milliarden Jahren hatten Du und Deine Freunde doch genug Zeit, jede Konstellation der Zusammenarbeit auszuprobieren.“

„Du irrst Dich. Die Genoi haben die jungen Völker studiert, beeinflusst, geformt, manchmal bestaunt, sehr oft einfach missachtet. Und einige von uns haben ihre Völker missbraucht und zerstört. Doch niemals, in all der Zeit, waren Genoi bereit, sich mit einer jungen Rasse im Kampf zu verbünden. Niemals, bis heute.“

„ Und Du bist der erste und einzige? Was ist mit Deinen Freunden? Halten die das jetzt auch so?“, fragte ich.

„Keiner meiner Freunde, kein Genoi den ich kenne. Nur Ihr und ich“, Gaia sah mir in die Augen.

„Sag mir, warum?“, forderte ich.

„Ich glaube in der jetzigen Situation sind die Besonderheiten Eurer Spezies eine Chance. Es gibt im bekannten Raum derzeit nichts Vergleichbares“, sagte Gaia trocken. „Wir stehen hier vor einem unbekannten Feind und werden einen Vernichtungskrieg führen müssen. Das ist Eure Spezialität. Seit es Euch gibt tötet ihr einander. Ihr führt seit zehntausend Jahren Krieg und Ihr werdet wohl nie damit aufhören. Jeder Fortschritt heißt neue Waffen. Mehr Tote. Ihr seid wahrhaftige Schlächter. Ihr kennt keine Grenzen in Eurem Wahn, jedes Mittel ist Euch recht, wenn es um den Sieg über Eure Feinde geht. Ihr seid intelligent, strategisch klug und kämpft mit bisweilen kreativer Eleganz. Ihr seid mutig, skrupellos und ihr lernt auf eine unheimliche Weise. Ihr seid die geborenen Krieger. Trotzdem kennt ihr Schönheit, Ehre und Spiritualität. Ihr sucht die bessere Welt, auch wenn ihr dafür die alte zerstören müsst. Eure Religion ist oft Euer Fluch gewesen, aber sie lehrte Euch vor allem auch, keine Angst zu haben. Nicht einmal vor Euren Göttern. Von allen Völkern in unserer Sphäre, all den Millionen Kulturen seid ihr es, von denen wir glauben, dass ihr bereit seid, Krieg gegen etwas zu führen, dass niemand von uns versteht.“

Ich schwieg eine Weile und dachte über das Gesagte und die Menschheit nach. Ich hatte schwer zu schlucken, an dem was er sagte. Aber ich konnte und wollte nicht diskutieren. Nicht zu diesem Zeitpunkt.

Er erläuterte mir dann noch, dass der Feind wahrscheinlich in naher Zukunft ihn und die Erde angreifen würde. Damit war meine Entscheidung klar. Ich unterschrieb und wir zogen um.

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