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8 Taktik

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Mein Job war es, jetzt eine geschliffene Analyse der Situation zu liefern und kreative Vorschläge zu machen. Die Sachen, die von anderen Beratern im Infonetz verfügbar waren, konnte ich alle lesen. Gaia war kein Freund davon, Informationen zurückzuhalten. Jedenfalls bis auf einige Ausnahmen. Wir bekamen keine genauen Daten über die wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen, die Gaia zur Verfügung standen. Es gab die ungenaue Angabe, dass das heimische Sonnensystem und zwei weitere Systeme zu Gaia gehörten. Aber keine Angaben über Industrie oder Rohstoffe oder Energiequellen. Außerdem hatten wir natürlich keinen Zugriff auf die Metatechnik. Da diese die Ultima Ratio, die höchste Stufe der Protogenoitechnologie darstellte, war das kein Wunder.

Wir sollten Vorschläge für eine Konfliktkonfiguration mit dem Protogenoi in der Nachbarschaft machen, um Durchflugsrechte zu erkämpfen. Dies war der erste von zwei Konflikten, die wir austragen würden, um mit einer Flotte Bellatrix zu erreichen. Gaia würde diese Vorschläge in einem festgelegten Verhandlungsmodus mit seinen Kontrahenten detaillieren und fest vereinbaren. Diese Vereinbarung war bindend, daran bestand kein Zweifel. Es gab Sanktionsmechanismen, die dafür sorgten, dass keine Partei den einmal vereinbarten Rahmen sprengte. Dadurch wurde eine Eskalation verhindert, die Gefahr einer Katastrophe gebannt. Ein unbegrenzter Krieg zwischen Genoi hatte das Potential, große Teile des Universums zu vernichten. Die Gemeinschaft sorgte dafür, dass das nicht passierte. Der Sanktionsmechanismus sah wohl im Wesentlichen einen „Alle auf einen“ Ansatz vor. Auch hierüber bekamen wir keine genauen Daten.

Natürlich wurde das Netz in der Stadt nun mit Vorschlägen, Ideen und ausgefeilten Strategien überschüttet. Die anwesenden Militärs beanspruchten dabei, wenig überraschend, die alleinige strategische Autorität. Allerdings waren die meisten anderen Berater davon gänzlich unbeeindruckt. Es gab eine riesige Menge von Vorschlägen für den Kampf mit Raumschiffen, Strahlenwaffen und jeder Art von Science Fiction Fantasie. Die Berater jagten genaue Schlachtpläne durchs Netz, wie man mit gigantischen Flotten interstellaren Krieg zu führen hätte. Vorschläge für gewaltige Bauprogramme und die Ideen für immer neue Superwaffen überholten sich. Angriffe mit Schwärmen aus Antimateriebomben und Schwarzen Löchern, mondgroße Raumschiffe und nach Milliarden zählende Truppenstärken waren dabei üblich. Irgendwann hörte ich auf mitzulesen. Einzig die Strategiepapiere einiger weniger Militärs fanden noch meine Aufmerksamkeit. Die Phantasielosigkeit war zwar bemerkenswert. Aber es war zumindest eine gewisse logische Argumentation und professionelle Genauigkeit erkennbar. Zunächst für mich überraschend, hatten sich die anwesenden Militärbers schnell zu einer strikt hierarchischen Gemeinschaft zusammengeschlossen, die gemeinsam Strategiepapiere erarbeitete. Vielleicht auch doch nicht so überraschend, wenn man bedachte, wie die Ausbildung und Karriere dieser Leute verlaufen war. Es gab jedenfalls jetzt einen „Oberkommandierenden der Unterstützungsstreitkräfte Gaia“. Er empfahl den Angriff mit Flugzeugträgern und eine amphibische Landung. Natürlich war er Amerikaner, Admiral der US Navy. Er und seine Leute blieben natürlich streng in bekannten Gefilden, ein bei Militärs nicht selten anzutreffendes Phänomen. Ich stellte die Frage, wie eine solche Taktik vor dem Hintergrund eines Zufallsszenarios tragfähig wäre, wenn z.B. Wüstengebiete das Schlachtfeld bilden würden. Ich bekam keine Antwort. Aber das Militär veränderte sein Zentraldokument in eine „Adaption zufälliger Kriegsschauplätze unter Berücksichtigung amphibischer Potentiale und seegestützter Feuerkraft.“ Ich sagte mir, dass irgendjemand das Problem vielleicht systematischer, offener und unter Ausnutzung der bekannten Informationen und Regeln angehen würde. Leider fand ich niemanden. Die Militärs waren ein monolithischer Block, dominiert durch die wenig hilfreichen "Navy und Marines" Strategien. Sogar die deutschen Militärs trauten sich nicht, abweichende Vorstellungen zu äußern. Ich hatte mir von diesen normalerweise intelligenten und kühlen Köpfen mehr erwartet. Die russischen und chinesischen Militärs waren scheinbar das selbständige Denken gar nicht gewohnt. Es kam hier kein einziger kreativer Ansatz. Man verlangte stets nach einer klaren politischen Vorgabe und zweifelte die Autorität der anderen Militärs an.

Einige Söldner waren in der Lage, gezielte Fragen zu stellen und ich hoffte hier eigentlich auch auf Kreativität. Aber es kamen nur Pläne für kleinere Einheiten heraus, keine Ideen zu einer Kriegführung mit ganzen Armeen. Außerdem forderten diese Leute ständig mehr Geld, was den Umgang zu einer ermüdenden Angelegenheit machte.

Die meisten Wissenschaftler hielten sich aus den Niederungen der Kriegsführung heraus. Die politischen Berater schrieben viel über die Verquickung von militärischer, industrieller und politischer Strategie, waren dabei aber nicht sehr konkret. Die kreativen Köpfe, die von Gaia bewusst ins Spiel gebracht wurden, hatten sich alle irgendwo zwischen „Krieg der Sterne“ und „Armageddon mit schwarzen Löchern“ verloren.

Also begann ich mit grundlegenden Überlegungen:

1 Die Konfliktregelungen lassen fast beliebigen Spielraum für die Kampfbedingungen. Man musste keine Raumschlachten entfesseln. Gaia und die Protogenoi neigten stark zu wesentlich Ressourcen schonenderen Kämpfen. Also wäre der Einsatz von wenig Energie und Material zu begrüßen, da wir so schneller zu einer Einigung mit unseren Gegnern kommen würden.

2 Wir würden schnell sein müssen, wir mussten kurze Kämpfe führen, die schnell zu Entscheidungen führten

3 Der Gegner hatte viel Erfahrung mit dieser Art Konflikt, neigte aber zu starren Lösungsmustern.

4 Der strategische Vorteil, den Gaia mitbrachte, waren die Menschen. Die Genoi setzten üblicherweise ihre jungen Spezies nicht als Soldaten ein. Das war nicht verboten, eher ein Tabu, extrem unüblich und die Beziehungen zwischen den Protogenoi und den Spezies in ihrem Gebiet ermöglichten ein solches Vorgehen normalerweise nicht.

5 Die ersten Gegner sind bekannt und aufgrund der bekannten Geschichte in gewisser Weise vorhersehbar.

Dann fragte ich Gaia um Daten. Ich wollte Aufzeichnungen der Kämpfe, die bereits mit den Nachbarn geschlagen worden waren.

„Es hat mich schon gewundert, dass niemand das wollte“, Gaia sprach über meinen Puc. „Du kannst alle Aufzeichnungen ansehen, in 3D, als Holo in Echtzeit oder wie Du willst. Es gibt vollständige Datensätze aller Kämpfe. Mit dem nächsten Nachbarn, er heißt Tarkan, führe ich seit zwei Milliarden Jahren Konflikte um die Ressourcen der Umgebung.“

Die Aufzeichnungen lieferten ca. zwei Millionen Kämpfe. Mit dreidimensionalen Darstellungen, vollständigen Statistiken und Analysen. Man konnte die Schlachten zoomen, drehen und in jeder zeitlichen Darstellung laufen lassen. Die Perspektiven konnten beliebig gewählt werden. Man konnte sich die zugehörigen Auswertungen auf variabel konfigurierbaren Displays anzeigen lassen. Bei einer Raumschlacht konnte ich aus dem Fenster eines Schlachtkreuzers blicken, der eine Breitseite feuerte. Ich konnte aus den Augen des kommandierenden Puc auf das Schlachtfeld blicken, oder mich auf den Kopf einer abgefeuerten Rakete setzen. Die Perspektive aus einer entfernten Position zu den Flotten war die informativste. Der Blick des Bordschützen einer Plasmakanone über die Feuerleitoptik seines Kampfcomputers auf ein brennendes Sternschlachtschiff war der emotionalste. Riesige brennende Schiffe in einem dunklen All, das von glitzernden Strahlenwaffen erleuchtet wird, beeindrucken intelligente Menschen immer wieder.

Wenn man aber wusste, dass nur Roboter kämpften, die alle von einem Puc gesteuert wurden, so ließ die innere Anteilnahme etwas nach. Ein Splitter des Bewusstseins eines Protogenoi kommandierte semiautonome Bots und Kampfmaschinen und fiel dann im Kampf gegen den Splitter eines anderen Protogenoi. Spektakulär anzusehen, aber kein wirklich fühlendes, intelligentes Wesen kam dabei zu Schaden.

Ich wertete diese Daten aus, auf einer abstrahierten, mathematischen Ebene natürlich.

Die meisten Kämpfe waren auf niedrigem energetischem Niveau geführt worden. Man hatte sich eine unbewohnte Welt gesucht oder eine Plattform im Raum geschaffen und dann im Durchschnitt drei Monate gekämpft. Dabei waren die Parteien immer ähnlich vorgegangen. Tarkan und Gaia hatten Energiespeicher und Nanobots an entgegengesetzten Ecken des Schlachtfeldes abgesetzt. Dann hatten sie aus den vorhandenen Ressourcen künstliche Soldaten produziert, die in riesigen Entscheidungsschlachten aufeinander trafen. Wer es zuerst schaffte, den gegnerischen Puc zu vernichten, hatte gewonnen.

In den meisten Kämpfen hatte man nach einer Aufbauphase sehr ähnliche Infanteriegolems gegeneinander antreten lassen. Diese Kunstprodukte waren im Regelfall eine Mischung aus Knetgummi und Frankensteins Monster. Grob geformte Individuen, schwer gepanzert mit einer Art Horn und bewaffnet mit grob geformten Hieb- und Stichwaffen. Gaia variierte seine Taktik stärker als seine Gegner. Es setzte auch besonders schnell laufende Kämpfer ein, die leicht gepanzert waren, um die Flanken des Gegners anzugreifen. Auch eine Art Bogenschütze gehörte zu seinen bevorzugten Einheiten.

Die beiden Protogenoi versuchten, den Gegner mit der schieren Masse der Kämpfer zu erdrücken. Die Nanobots produzierten diese Kunstprodukte in schneller Folge. Ebenso wurden grobe Waffen von diesen Bots hergestellt. Die Produktion wurde durch die Pucs gesteuert.

Jeder Puc musste die vollständige Koordination jedes einzelnen Kämpfers sicherstellen. Das war die Herausforderung in dieser Art Kampf. Ein Puc musste seine Kapazitäten zwischen der Kontrolle der Produktion und der Kontrolle der Kämpfer aufteilen. Die richtige Aufteilung der Kapazitäten, die ein Puc hatte, machte den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus.

Ich wollte unbedingt einen visuellen Eindruck bekommen. „Puc!“, sagte ich deutlich. Mein Puc erschien vor mir. „Ich benötige eine möglichst echte virtuelle Realität mit einer Darstellung dieser Schlacht. Dabei möchte ich einige Zahlen eingespielt bekommen. Gib mir einen Zeitraffer 1:1000 bis zu dieser Stelle, danach Echtzeit“, ich markierte eine prototypische Auseinandersetzung, einige Datenreihen und den Beginn der ersten größeren Kampfhandlungen. Der Puc stellte noch einige Fragen, dann fand ich mich in einer anderen Welt wieder.

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