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7 Strategie

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In den bekannten und von Protogenoi bewohnten Gebieten des Weltalls waren diese die absolut dominierende Lebensform. Konflikte mit den sogenannten „jüngeren Völker“ gab es eigentlich nicht. Aufgrund der technologischen Überlegenheit der Protogenoi führte keine andere Spezies gegen diese Krieg.

Die Protogenoi untereinander trugen allerdings häufig Konflikte aus. Da die einzigen möglichen Gegner andere Protogenoi waren, hatte jede Konfliktpartei die Mittel zur ultimativen Vernichtung in der Hand. Daher wurden diese Konflikte durch sehr enge Einschränkungen in ihren Auswirkungen begrenzt. Die Genoi führten ihre Kriege, indem sie im Vorfeld sehr genau Rahmenbedingungen vereinbarten. Sie einigten sich im Normalfall auf eine Kampfzone irgendwo zwischen den Sternen ihrer jeweiligen Einflusszonen. Dann legten die Genoi fest, wie der Krieg geführt werden sollte. Nicht immer wurden Sternenfestungen errichtet und Raumflotten zum Einsatz gebracht. Die Genoi kannten viele Formen der militärischen Auseinandersetzung. Es gab Genoi die im leeren Raum ganze Schlachtfelder erschufen und dort gewaltige Armeen jeder Art und Form aufmarschieren ließen. Manchmal wurden künstliche Planeten erschaffen und es mussten ganze Kontinente erobert werden. Es gab Duelle zwischen jeweils nur einem Schiff oder sogar einem Krieger. Die Rahmenbedingungen wurden zwischen den beteiligten Genoi verhandelt, sie legten fest, welche Menge Rohstoffe, welches Energieniveau und wie viele Nanobots jede Konfliktpartei für die Kämpfe bereitstellen durfte. Ebenso wurden die Siegbedingungen im Detail festgelegt. Auch die Dauer des Konfliktes wurde manchmal begrenzt. Es war ein Tabu und ein Verbot, den Konfliktrahmen zu sprengen. Die Gemeinschaft der Protogenoi schien solche Verstöße massiv zu bestrafen, aber darüber schwieg sich Gaia aus.

Die Genoi setzten dabei keine lebenden Truppen, sondern nur ihre Pucs ein. Es wurden natürlich jede Menge Kampfmaschinen gebaut, Schlachtschiffe, Zerstörer und Jäger, gepanzerte Flug- und Fahrzeuge, einzelne golemartige Krieger, riesige Armeen aus künstlichen Soldaten und was den Genoi sonst so in den vergangenen Milliarden von Jahren eingefallen war. Aber es wurden keine anderen Intelligenzwesen in die Kämpfe einbezogen. Nur die Protogenoi und ihre Bewusstseinssplitter lenkten diese ansonsten unbelebten Armeen. Es gab natürlich Computersysteme in den Kampfmaschinen, aber die Protogenoi bauten keine künstliche Intelligenz oder etwas Ähnliches. Wenn man die Spitze der mentalen Evolution darstellt und selbst mehr Rechenleistung hat als messbar ist, dann will man so etwas wohl nicht.

Der Feind schien diese Vorgaben ebenfalls einzuhalten. Bisher hatte er dabei aber immer gewonnen. Er setzte in der Auseinandersetzung nur die vereinbarten Mittel ein, hielt sich an alle Regeln und entschied formal den Kampf für sich. Dann brach er die Regeln und tötete den gegnerischen Protogenoi und zerstörte dessen Lebensraum. Ein bisher unverstandenes Muster.

Die Genoi kämpften immer um irgendetwas, z.B. ein rohstoffreiches Asteroidenfeld oder eine Gaswolke mit hochwertigem Wasserstoff oder seltener auch ein ganzes Sonnensystem. Der Sieger eines Konfliktes erhielt nach Erreichen der vereinbarten Bedingungen diese Beute. Das war bisher der Sinn von Konflikten zwischen Genoi gewesen. Man kannte sich und wusste, was der andere wollte.

Diese Regeln hatten sich nun verändert. Der Gegner war unbekannt, forderte ohne Motiv heraus, verhandelte die Kampfbedingungen und griff an. Er erhob keinen Anspruch auf eine Ressource, wollte nicht über den Preis des Sieges reden. Da die Protogenoi zu stolz waren, um eine Herausforderung abzulehnen, kämpften sie trotzdem.

Der entscheidende, neue Aspekt war, dass der Verlierer sterben musste.

Nach den Informationen, die Gaia an uns weitergab, waren insgesamt bisher drei Genoi durch den oder die Unbekannten getötet worden. Der letzte Angriff geschah im System Bellatrix, auch als γ Orionis bezeichnet, einer der Schultersterne des Sternbild Orion, nur 240 Lichtjahre von der Erde entfernt. Ein Metaflug von weniger als einer halben Minute, also in fast unmittelbarer Nachbarschaft.

„Im System Bellatrix lebte ein etwas jüngerer Genoi, erst drei Milliarden Jahre alt. Die blaue Sonne hatte nur einen Planeten. Der Genoi nannte sich wie die Sonne seines Systems, also werden wir in ihrer Sprache sinnvoll von Bellatrix sprechen“, der blaue Avatar Gaia´s sprach in einem aktuellen Strategieforum mit einigen führenden Militärberatern.

„Vor nunmehr fünf Monaten sendete er eine allgemeine Information, dass er eine Herausforderung annehmen würde. Er nannte Phanes als den Namen seines Gegners. Es ist in der Gemeinschaft kein Genoi bekannt, der sich so nennt. Bellatrix nannte einige Asteroiden und Staubwolken als Einsatz für diesen Konflikt. Das war soweit nichts Besonderes, es gibt viele Genois, die sich vor der Gemeinschaft verbergen. Auch an der vereinbarten Konfliktkonfiguration war nur bemerkenswert, dass man sich im interstellaren Raum in einem 10E+10/10E+30/10E+6/0 kurz gesprochen 10/30/6/0 Szenario treffen wollte“, der Avatar blickte in die Runde der anwesenden fünf Militärberater. „Ein extrem ressourcenintensiver Kampf.“

Einer der Berater, ich glaube ein Ex-Admiral der US Navy, sprang auf. “Sir, diese Nomenklatur ist mir und wie ich glaube auch einigen anderen Anwesenden unbekannt. Im Sinne einer Verbesserung unserer Zusammenarbeit, könnten Sie bitte ausführen, was Sie darunter verstehen“, er war durchaus respektvoll. Aber wie es schien, völlig unwissend. Diese Nomenklatur war in den Basisschulungen leicht verständlich erklärt worden. Allerdings war zum Verständnis vielleicht mehr wissenschaftliches Grundwissen notwendig, als ich dachte. Oder einfach nur mehr nutzbare intellektuelle Kapazität als hochrangige Vertreter der Streitkräfte so mitbringen.

Die Nomenklatur der Konfliktszenarien beruhte auf einer einfachen Systematik. Die Protogenoi definierten räumlich begrenzte Kriegsgebiete für ihre Konflikte. Innerhalb dieser Gebiete durften die vorhandenen Ressourcen unbegrenzt genutzt werden. Ein Gebiet konnte auch ein Kontinent, ein ganzer Planet oder ein Sonnensystem sein. Sehr häufig war es ein Stück Weltraum. Manchmal war es ein künstlich geschaffenes Areal mit spezifischen Gelände- und Klimabedingungen. Hierfür wurden üblicherweise Zufallsgeneratoren benutzt, so dass die Konfliktparteien flexibel reagieren mussten.

Es wurde manchmal die maximale Dauer eines Konfliktes vereinbart. Dafür gab es keine Einschränkungen, Zeiten von einer Woche aber auch einem Jahr waren nicht unüblich.

Die vier Zahlen bestimmten die Grundkonfiguration des Konfliktes.

Die erste Zahl definiert die Menge an Grundmasse, die eingesetzt werden durfte. Mit 10E+10 sind zehn hoch zehn Tonnen, also zehn Milliarden Tonnen gemeint. Es besteht freie Auswahl für die Art der Materie, möglich war interstellarer Wasserstoff aber auch jedes anderen Element des Periodensystems oder irgendeine mehr oder weniger komplexe Verbindung. Das Spektrum reichte von exotischen Isotopen zu hochkomplexen organischen Molekülen. Die Auswahl ist eines der entscheidenden Elemente der eigenen Strategie. Jedoch musste jeder Genoi auch bereit sein, diese Ressourcen aufs Spiel zu setzen. Dem Sieger gehörte am Ende üblicherweise das Schlachtfeld mit allen Artefakten.

Die zweite Zahl definierte die Energiemenge, die jeder Genoi zusätzlich für den Konflikt aufbringen durfte. Diese Energie konnte in jeder denkbaren Weise auf das Schlachtfeld gebracht werden. Der Genoi konnte Brennstoffe wie Holz, Öl oder Uran, aber auch Sprengstoffe wie TNT, Plutonium oder Antimaterie auf das Schlachtfeld bringen. Er konnte die Energie mit heißen Gasen oder elektromagnetischen Strahlen transportieren oder einfach schnelle Geschosse hinein sausen lassen. Die Ruhemasse der verwendeten Medien wurde gegen das Grundkontingent also die erste Zahl gerechnet. Man bestimmte dann die Energie, die sich aus der Umwandlung dieser Energieträger gewinnen ließ, diese durfte in der Summe das vorgegebene Limit nicht überschreiten.

Die Energie, die man aus den Ressourcen des Schlachtfeldes freisetzen konnte, gehörte nicht zu dieser Rechnung.

Mit 10E+30 waren dabei zehn hoch dreißig Joule gemeint. Die Konfliktpartner konnten also beispielsweise eine riesige Flotte von Raumschiffen bis fast zur Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und dabei mit Lasern, Plasmawerfern, Railguns und Antimateriebomben feuern. Diese Energiemenge bedeutete den Einsatz aller technologischen Mittel unterhalb des Metaraumniveaus, die den Protogenoi bekannt waren. Man konnte eine Lichtjahre große Raumschlacht damit führen. Was wohl so auch geschehen war.

Die dritte Zahl betraf die standardisierten Nanobots, die die Protogenoi verwendeten. Diese Bots waren in der Lage, Atome zu zerlegen und aus Protonen, Neutronen und Elektronen neue Atome oder Moleküle zu bauen. Allerdings benötigten sie für die Erzeugung von höheren Elementen, also beispielsweise der Herstellung von Eisen aus Wasserstoff, eine Menge Energie, die sie nicht aus dem Metaraum zapfen konnten. Diese umgekehrte Kernspaltung war energetisch zu aufwendig für den Zapfprozess der Bots. Wer Gold aus Blei machen wollte, musste Energie bereitstellen – höllisch viel Energie. Man benötigte ein großes Kraftwerk, wenn man solche Transmutation treiben wollte.

Die Zahl 10E+6 bedeutete, dass jede Partei eine Menge Nanobots in Höhe des zehn hoch Sechsfachen der Avogadro Konstanten einsetzen konnte. Das war genug für eine Million Mol eines beliebigen Stoffes. Am Beispiel Kohlenstoff gerechnet, konnte man also ca. 12000 Tonnen pro Zeiteinheit bearbeiten. Abhängig vom Zielzustand ließ sich damit eine beachtliche Produktion aller möglichen Stoffe erreichen. So konnte man aus den 12000 Tonnen Kohlenstoff zum Beispiel 12000 Tonnen Magnesium machen, hätte dann aber nur noch ungefähr halb so viele Atome. Dabei würde sogar Energie frei, diese wurde in der Regel von den Nanobots verwendet oder abgeleitet. Alle anderen Transformationen waren auch denkbar, ebenso die Bildung komplexer Moleküle oder der Bau von Hightech Produkten. Bei den Transmutationen galt natürlich die Physik, inklusive so alter Vorstellungen wie Masse- und Energieerhaltung. Je nachdem, ob man den Massendefekt erhöhte oder absenkte musste man daher ggf. auch Energie zuführen, das reduzierte dann den eigenen Vorrat. Es ist eine komplizierte Angelegenheit, Elemente umzuwandeln. Und eine extrem energiefressende Sache dazu. Soviel Energie wie man bei der Kernspaltung gewinnen konnte, soviel Energie musste man hier auch wieder investieren.

Wer in einem industriellen Maßstab höhere Elemente herstellen wollte, würde ein Kraftwerk mit einer Leistung mindestens im Terrawattbereich benötigen.

Man konnte natürlich auch aus den Ausgangsstoffen komplexe Anlagen, z.B. Waffen, bauen. Bei Raumschlachten mit Raumschiffen setzten die Protogenoi die Nanobots üblicherweise für Reparaturarbeiten ein.

Die vierte Zahl definierte die Siegbedingungen. Die Null bedeutete, dass der Sieger den kommandierenden Puc des Gegners eliminieren musste. Sieg durch Tod des feindlichen Oberbefehlshabers, eine einfache Sache. Und dem Sieger gehört die Beute auf dem Schlachtfeld. Die Protogenoi sind in diesen Dingen unkompliziert. Es gab weitere 100 Siegbedingungen, die in einer Liste codiert waren. Aber Gaia erklärte uns, es wäre in dieser Zeit absolut unüblich eine andere als die Null zu wählen.

„In diesem Kampf unterlag Bellatrix, müssen wir annehmen“, sagte Gaia. „Der Herausforderer beging dann das unbegreifliche Verbrechen. Er tötete Bellatrix, wahrscheinlich indem er seinen Planeten mittels eines Tannhäuser Tores in ein schwarzes Loch verwandelte. Danach verschwand er wieder spurlos.“ Gaia´s Wut war spürbar. „Ich habe nur die Möglichkeiten, die meine Fernortung bietet. Um eine optimale Spurensicherung zu ermöglichen, muss ich eine Flotte in das Gebiet bringen. Ein Puc als Befehlshaber wird von einem menschlichen Kontingent begleitet werden. Ihr seid mein Joker.“

Gaia schaffte es irgendwie allen gleichzeitig direkt in die Augen zu schauen.

„Sir, haben wir Unterstützung von weiteren Flotten der Protogenoi? Wir sollten sicherstellen, dass wir dem Feind mit strategisch überlegenen Kräften gegenüberstehen“, der fragende General kam aus Deutschland.

Tatsächlich schmunzelte Gaia. “Die Gemeinschaft ist sich zum großen Teil einig, dass der Täter den Tod verdient. Sie ist sich aber über die Vorgehensweise nicht wirklich einig. Das ist sie nie. Ich habe die Garantie von über eintausend anderen meiner Art, dass sie Ressourcen stellen werden, wenn ich sie brauche. Genügt das?“

Der General nickte und bedankte sich.

„Auf dem Weg zur Bellatrix müssen wir das Gebiet von zwei anderen Genoi durchqueren. Unglücklicherweise teilen beide unseren Standpunkt nicht ganz. Sie sind beide schon alte Genoi und der Ansicht, jeder soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Das Kooperationskonzept meiner Gruppe ist ihnen fremd. Allerdings sind sie auch zweifelsfrei Feinde unseres Gegners. Aber wir werden uns das Wegerecht erstreiten müssen.“

Gaia ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit.

„Wir werden bald kämpfen müssen, bereitet Euch vor. Wir müssen antreten und wir müssen gewinnen. Ich erhoffe mir, dass ihr Euch als Gamechanger offenbart. Ich brauche Strategien, die jetzt zwingende Siege ermöglichen. Wir haben keine Zeit für Niederlagen und auch nicht für Unentschieden. Ich muss die Flotte zum Bellatrix bringen, bevor alle Spuren verschwunden sind“, sagte er abschließend

Abgesehen vielleicht von den Militärberatern wusste wohl niemand, was das bedeuten sollte. Und diese hatten da so ganz falsche Vorstellungen.

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