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Duisburg Röttgersbach, 23. April
ОглавлениеEs musste geregnet haben. Als Knoop am Präsidium in seinen Audi A1 gestiegen war, liefen die Tropfen wie Schnüre an den Scheiben herunter. Sie hafteten immer noch an Scheibe und dem blauen Metalliclack als er sich seinem Haus näherte. Es war schon dunkel, als Knoop in die Auffahrt zu einer Garage einbog. Die Scheibenwischer bewegten sich im Unterberechungsmodus. Bei jeder Bewegung über das Glas erschien ein undurchsichtiger Schleier, der sich aber bald auflöste. Dies erinnerte Knoop daran, die Dieselablagerungen auf der Windschutzscheibe langsam doch einmal zu entfernen. Der Wagen seiner Frau Christel parkte in der Garage. Das bedeutete, er musste sein Fahrzeug unter dem Carport abstellen.
Kaum hatte er die Haustüre geöffnet, als seine Tochter auf ihn losstürmte. „Papa, Papa, ich habe das Handy von Oma. Als er sich bückte, um den Begrüßungskuss entgegenzunehmen, hielt sie ihm den Apparat entgegen. Und das so dicht vor seine Augen, dass er überhaupt nichts erkennen konnte. Er nahm AnnaLena auf den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Na, dann zeige mir mal, was man damit so alles machen kann?“
AnnaLena strampelte so in seinen Armen. Er konnte sie nicht festhalten, er musste sie absetzen. „Papa, die kann...“ Wie ein Tropensturm kamen die beschreibenden Worte aus dem Munde der Kleinen. Die Worte kamen zu schnell und waren überhastet, man konnte sie überhaupt nicht verstehen. Knoop jedenfalls begriff nicht alles. Was er begriff, war, wie schnell seine Tochter gelernt hatte, sich Funktionen eines technischen Apparates zu erarbeiten. Ein Teil der Anwendungen war ihm bekannt, denn er benutzte selbst einen solchen Taschencomputer. Aber er musste neidvoll feststellen, AnnaLena konnte auf Apps zurückgreifen, die ihm selbst unbekannt waren.
„Hallo, liebe Familie, ich bin auch noch da!“ Christels Stimme klang vom Wohnzimmer herüber.
Mikael unterbrach die Demonstration seiner Tochter. Als er das Wohnzimmer betrat, bemerkte er die enttäuschten Gesichtszüge seiner Tochter nicht. Christel saß auf dem klappbaren Sessel und drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Vor ihr lag eine Reihe von Prospekten. Als Mikael sich zum Kuss nach unten beugte, sah er, es handelte sich um Reisekataloge.
„Ach, du willst verreisen?“
„Ja, mit dir. Schau mal.“
Ohne auf das Angebot einzugehen, flegelte er sich in die Polstergarnitur. „Was schlägst du vor? AnnaLena, bringst du Papa ein Bier?“ Im Hintergrund der Küche hörte er die Kühlschranktüre und Laute, die für ihn keinen Sinn ergaben.
„Ich habe da drei Sachen zur Auswahl“, meldete sich seine Frau. „ Ich möchte gerne nach Marokko. Da kann man...“
„Wandern?“, unterbrach Knoop sie.
„Das auch, aber ich dachte mehr an einen Strandurlaub. AnnaLena kann dann im Sand...“
„Mama, ich bin doch schon groß. Nur Babys spielen im Sand.“ Sie stellte eine geöffnete Flasche vor ihren Vater ab. Sie verließ den Raum aber nicht. Sie befürchtete, hier könnten Entscheidungen getroffen werden, die sie betraf.
„Zwei gegen Eins. Wir gehen wandern, nicht war AnnaLena.“ Knoop trank einen Schluck.
„Wandern?“ Der Widerwille für diesen Vorschlag stand dem Kind im Gesicht geschrieben. „Ich möchte lieber Shoppen.“
„Einkaufen heißt das“, verbesserte Knoop seine Tochter. „Und wenn du am ersten Tag dein gesamtes Taschengeld auf den Kopf gekloppt hast, dann können wir ja Wandern gehen.“
Der Vermittlungsversuch scheiterte kläglich. „Du hast immer gesagt, ich soll sparsam sein.“ AnnaLena stützte die Hände in ihre Hüften.
Knoop versuchte es anders herum. „Was hältst du davon, wenn wir uns Ausgrabungen anschauen oder Altertümer?“
„Meinst du die Sachen, die du dir immer im Fernsehen anschaust? Ach, nein danke. Solche toten Steine sind Mega langweilig.“
Knoop gab es auf. Er nahm einen gewaltigen Schluck und wandte sich seiner Frau zu. „Ich gehe davon aus, die Vorschläge Zwei und Drei haben auch mit Strand zu tun?“
Christel blätterte in den Prospekten, fand aber nicht, was sie suchte. Unwillig hob sie den Blick. „Was ist schlimm daran, wenn man braun werden will? Ich jedenfalls fühle mich dann besser.“
Knoop stöhnte. „Natürlich bin ich stolz, wenn ich eine schöne Frau habe, aber auch beim Wandern kann man braun werden. Ich...“
„Aber nur Kopf und Hals“, unterbrach Christel ihn. „Der Rest bleibt weiß. Igittigitt!“
„Die Verhandlungen werden an dieser Stelle unterbrochen.“ Knoop erhob sich. „Ich jedenfalls werde mir nun ein Brot schmieren.“
„Du kannst ja am Strand herum laufen oder dich in ein Cafe setzen. Dann kannst du dir ja die netten braunen Dinger anschauen und dir Appetit für die Nacht holen“, sprach Christel gegen den Rücken ihres Mannes.
„Darauf wird es herauslaufen“, murmelte Knoop. Er nahm sich vor, nach einem Buch mit mehr als fünfhundert Seiten Ausschau zu halten.