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Oberhausen Klosterhardt, 24. April

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Metaller hatte die Razzia auf fünf, getrennt liegende Schwerpunkte konzentriert. Er hatte Knoop seiner Gruppe zugeteilt, die sich auf das Gebiet der ehemalige Zeche Jakobi eingesetzt war. Die Zeche Jakobi war einer der ersten Anlagen gewesen, die man infolge der Bergbaukrise hatte schließen müssen. Um die Kosten dieser Liquidierung gering zu halten, hatte man die Gebäude so stehen lassen, wie sie waren. Zwar hatte man die Sachen ausgebaut, die man irgendwo noch brauchen konnte, aber Reparaturen an den Gebäuden unterblieben. So stemmten sich zwar manche Gebäude gegen ihren Zerfall, ohne ihn aber wirklich aufhalten zu können. Nur in Gebäuden, die als Verwaltungsgebäude ihren Dienst versehen hatten, gab es Investoren. Der Zimmerzuschnitt war hier größer als in normalen Wohnhäusern, aber doch begrenzter als in einer Werkhalle.

Das >Palais d´Amour< beherbergte ein solches Gebäude. Das, was hier geboten wurde, war in dieser Umgebung in vielerlei Hinsicht ideal untergebracht. Man störte das sittliche Empfinden der Bürger nicht. Keine Kinder mussten auf dem Schulweg hier vorbei gehen. Die Freier fühlten sich hier unbeobachtet. Die Ehefrauen fürchteten sich, gerade in diese unbeleuchtete Gegend ihren Ehemännern zu folgen. Die Polizei zeigte sich hier kaum. Nur, wenn einer der Freier eins auf die Zähne bekam und sich dann bei der Polizei beschwerte, dann wurde die Ruhe gestört. Da es aber nie Zeugen und keine Beteiligten gab, stellte sich der Frieden wieder schnell ein. Eigentlich hätte alles so bleiben können, wie es war, wenn es die Gewaltstatistik nicht geben hätte. Irgend ein Sachbearbeiter in Düsseldorf hatte festgestellt, auf diesem Gebiet müsste doch eine Verbesserung der Zahlen zu erzielen sein. Die Verantwortung wurde an die Großstädte weiter gereicht. Hier war es am leichtesten, solche Zahlenreihen zu verbessern. Die Verwaltungsbeamten in Oberhausen brauchten nicht lange suchen, wo sie dem Begehren Düsseldorfs am leichtesten entsprechen konnten. In der ehemalige Zeche Jakobi hatte es in letzter Zeit mehrere Vorfälle gegeben. Immer waren sie ergebnislos abgeschlossen worden. Hier konnte man durch eine Razzia endlich vorbeugend tätig werden. Prostitution hielt sich nicht an Verwaltungsgrenzen der Städte. Es war bekannt, Oberhausener Rocker kontrollierten auch Teile Duisburgs. So war Kriminalhauptkommissar Metaller für die Duisburger Seite mit ins Boot genommen worden.

Knoop hatte Laurenzo zu dieser Aktion nicht mitgenommen. Er hielt ihn schlichtweg dafür ungeeignet. Auf jeden Fall bei seinem momentanen Ausbildungsstand. Er wollte nicht vor van Gelderen treten, um zu beichten, wie sich seine Hilfskraft bei einer Razzia verletzt hatte. Der Ablauf der Aktion war stabsgerecht organisiert. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei sperrte weiträumig das gesamte Gebiet ab. Dann drangen einige Gruppen zu strategischen Punkten vor, um den möglichen Aktionsbereich der Kontrollierten einzuengen. Während sich die Sanitätsfahrzeuge im Hintergrund hielten, positionierten sich Instruktionsfahrzeuge an strategischen Punkten. Sie hielten Funkkontakt zueinander und ermöglichten gleichzeitig die elektronische Kontrolle der Durchsuchten. Überaus effektiv wurden die Durchsuchten parzelliert. So wurde das Risiko einer gewalttätigen Zusammenrottung unterbunden. Erst als all diese geplanten Maßnahmen abgelaufen waren, durfte Knoop den >Palais d´Amour< betreten.

Das Bordell sah aus, wie Knoop schon viele gesehen hatte. Viel Plüsch, viel Rot, viel gedämpftes Licht. Knoop interessiert sich wenig um die festgenommenen Nutten und Freier. Ihr Lamentieren füllte zwar die Räume, aber er hielt Ausschau nach den Bewachern. Diese waren notwendig, wollte man Ärger im Handumgehen begegnen. Wenn dieses Freudenhaus zum Einflussbereich der Satan Sons gehörte, dann mussten einige der Mitglieder von denen hier anwesend sein. Aber etwas, was nach Rocker aussah, erblickte er nicht. Sollte er sich getäuscht haben? Knoop atmete tief durch. Er verließ den Wellnessbereich. In den Kontaktzimmern brauchte er nicht zu suchen. Als er ein Treppenhaus betrat, lief ihm ein Staffelleiter über den Weg. Dieser koordinierte den Einsatz mehrerer Beamte, die diesen Teil der Gebäude durchsuchten. Er fragte ihn nach den Wachhunden des Bordells. Der Staffelleiter zeigte sich überrascht.

„Die haben wir schon registriert. Sind alle in unserem Rechner. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Das sind die Einzigen, die nicht an Flucht denken. Wir haben die alle in der Küche festgesetzt. Die sind alle friedlich.“ Er schüttelte den Kopf als Knoop vorgab, gerade zu dieser Gruppe zu wollen. Er erklärte Knoop, wie er zur Küche gelangen konnte. Dann sprach er leise Worte in sein Headset.

Knoop fand die Küche auf dem Wege, den man ihm beschrieben hatte. Vor der Türe stand ein Polizist, der sich sichtlich langweilte. Knoop verstand das, denn in diesem Trakt war augenfällig nichts los. Bereitwillig gewährte er dem Kollegen Einlass. Knoop war von der Größe des Raumes überrascht. Ein Bordell, welches eine so geräumige Küche führte? Er hatte keine Ahnung, wie eine solche Essenszubereitung ausgerüstet sein musste. Hier jedenfalls war alles vorhanden, was man brauchte. Ein Vier-Sterne-Hotel war nicht besser ausgerüstet. Dann fiel ihm ein, das Gesundheitsamt war ja auch für solche Lokalitäten zuständig. Ärger mit den Behörden hätte nur den Betrieb gestört. So erfüllte man bereitwillig alle gesetzlichen Vorgaben der Hygienevorschriften.

Es roch nach Essen als er den Raum betrat. Bis zur Razzia war wohl hier gekocht worden. Das Küchenpersonal fehlte gänzlich. Das Geräusch der Abzugshauben ertönte leise im Hintergrund. Die Wände des Raumes waren rundherum mit verchromten oder verzinkten Schränken zugestellt. An der Wand und an Regalen, die über den Anrichten hingen, waren Kochutensilien unterschiedlichster Art befestigt. Auch in der Mitte des Raumes standen zwei Reihen von Edelstahltischen, überwölbt mit weiteren Hängeschränken. Eine über einen Quadratmeter große eingebaute Bratpfanne war das offensichtliche Zentrum dieser Zellen. In der Mitte des Raumes, zur Essensausgabe hin, gab es einen freien Platz, der nicht vom Kochinventar zugestellt war. Hier hatte man Stühle im Kreis aufgestellt. Die Ordnungskräfte des Etablissements, es waren sechs Personen, hatte man hier festgesetzt. Hier war er richtig. Das erkannte er sofort an den Kutten und den Tätowierungen an Kopf und Armen. Die Männer hatten sich unterhalten, unterbrachen aber sofort das Gespräch als Knoop den Raum betrat. Ein Mann, der sowohl auf der Stirn, als auch auf den Wangen tätowiert war, erhob sich, wagte aber nicht, auf Knoop zuzugehen.

„Hey Bulle was willst du? Verpiss dich.“

Ein beifälliges Murmeln unterstützte den Fragenden.

Knoop wollte sich mit den Burschen nicht anlegen. Er hatte ja kürzlich erfahren, wie dreist und ungehalten diese Jungs aufgetreten waren. In der Gruppe fühlten sie sich stark. Nur die wenigsten zeigten beim Verhör ähnliches Verhalten. Er drehte sich um. Nun sah er, warum der Kopftätowierte sich nicht auf ihn gestürzt hatte. Die Wache vor der Türe stand halb im Raum und hielt ein Sprechfunkgerät an den Lippen. Bei der geringsten Aggression hätte eine Hundertschaft die Küche gestürmt und die Einrichtung zurecht gerückt. Knoop kam dieser Mann gerade recht. Er klopfte ihm auf die Schulter und sprach so laut, dass jeder im Raum es verstehen konnte.

„Toll, was, Günter? Das hat sich ja diesmal gelohnt. Der Tipp von den White Sculls ist diesmal Gold wert.“

Er merkte den Widerstand des Beamten, zog ihn aber herum Richtung Türe. Der Polizist runzelte die Stirn. „Wer sind...?“

Knoop fuhr ihm laut über den Mund: „Ich sagte ja, Gold wert!“ Vor der Türe lockerte er die Berührung. „Entschuldigung, ich wollte mich nur für Ihren Schutz bedanken.“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Schon gut. Ich heiße aber Bernd. Wer zum Teufel ist Weit Kulls?“

Knoop lächelte. „Ach, dies sind Freunde von denen. Das ist nicht so wichtig.“

Der Wächter schaute Knoop an als rede dieser Chinesisch. Dann nickte er leicht. „Übrigens ich heiße Klaus, nicht Günter.“

Knoop schmunzelte: „Dann muss ich etwas falsch verstanden haben. Also, dann danke noch mal, Klaus.“ Er winkte mit der Hand, ohne sich umzuschauen. Nun musste er sich wieder Metaller zugesellen. Er fand ihn im Eingangsbereich, wo man diesem die Ergebnisse der Razzia meldete. In einer Pause wandte sich Metaller Knoop zu.

„Na, Herr Kollege, beeindruckt? Also, ich kann Ihnen sagen, die Sache ist ein voller Erfolg.

Kalte Luft strömte von draußen in den Eingangsbereich. Knoop zog die Enden seiner grünen Lederjacke zusammen. „Ich gratuliere Ihnen. Generalstabsmäßige Arbeit.“

Metaller griff nach einem Mantel, der über einen Sessel lag. „Übrigens, ich muss noch zu einer anderen Stelle. Haben Sie Lust? Kommen Sie mit.“ Er winkte auffordernd mit der rechten Hand.

Knoop hatte Lust, noch eine weitere Finte zu platzieren. Warum nicht?

Der Flug des Fasans

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