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Duisburg Röttgersbach, 28. April

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Mikael hatte vorgehabt, ein ruhiges Wochenende zu verleben. Es kam aber alles ganz anders als er es sich gedacht hatte. Die Absichten begannen schon am Samstag morgen aus dem Ruder zu laufen. AnnaLena weckte ihn bereits um kurz nach sieben. Weiß der Teufel, wie die Kleine selbstständig so früh den Weg aus ihrem Bett gefunden hatte. Nach einigen Sätzen war ihm klar, an Weiterschlafen war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. Sie brauchte eine Fahrgelegenheit, um mit einer Freundin zu einer Veranstaltung der Jazz-and-Modern-Dance-Mannschaft gebracht zu werden. Die elterliche Begleitung war nicht gefragt, sondern nur der Transport. Üblicherweise übernahm seine Frau einen solchen Transport. Aber Christel hatte schlecht geschlafen und klagte wohl über Migräne. So war er ins Spiel gekommen.

Mikael konnte ein ungutes Gefühl nicht unterdrücken, denn er war zum ersten Male nicht als Berater gefragt. Seine Rolle als Dienstleister war deutlich erkennbar. Das war sicherlich eines der Zeichen dafür, seine Tochter begann älter und selbstständiger zu werden. Auf der Rückfahrt nach Hause kaufte er bei einem Bäcker frische Brötchen ein. Damit konnte er sich bei Christel beliebt machen. Aber auch das Frühstück verlief ganz anders als er sich das gedacht hatte. Sicherlich, die Brötchen waren willkommen, aber seine Frau stopfte sich das Backwerk ziemlich eilig in ihren Mund. Sie hatte eine Verabredung mit ihrer Saunagruppe. Die Migräne hatte sich wohl erledigt. Die Frauengruppe wollte sich in einem Outlet-Center einen schönen Tag machen. Bevor er protestieren konnte, wurde ihm Zweierlei mitgeteilt. Erstens: „Du bist ja samstags sowieso nicht da.“ Und zweitens: „Ich habe dir schon letzte Woche davon erzählt.“ Er konnte sich daran zwar nicht erinnern, aber er konnte nicht wirklich ausschließen, so etwas überhört zu haben. Er fühlte sich seit einiger Zeit im Stress. Nachdem der den restlichen Kaffee getrunken, die Zeitung von vorne bis hinten gelesen hatte, ein Kreuzworträtsel und ein Sudoku gelöst hatte, überfiel ihn die Langeweile. Keiner hatte eine Arbeit für ihn. Er überlegte und beschloss, aufzuräumen. Aufräumen war eine Tätigkeit, die Mikael überhaupt nicht liebte. Aber es fiel ihm nichts anderes ein. Aufräumen war dann doch die bessere Wahl als Langeweile.

Es kam so, wie es immer kam, und seine Aversion gegen diese Tätigkeit bestätigte sich ziemlich schnell. Die Kartons, die auf dem Boden eines Kellerraumes standen, störten ihn schon lange. Als er den dritten Karton wegräumen wollte, fiel ihm ein, eigentlich brauchte er dazu ja ein Regal. Dieses wartete aber schon geraume Zeit darauf, aufgebaut zu werden. Er ließ Kartons, Kartons sein und suchte nach dem notwendigen Werkzeug dafür. Mikael fluchte, als ihm bei der Suche nach dem Imbusschlüssel einfiel, dass er diesen schon letztes Mal bereits erfolglos gesucht hatte. Wo zum Teufel hatte er dieses Scheißding denn hingelegt? Was hatte er zuletzt montieren wollen oder müssen? So sehr er auch nachdachte, er wusste nicht, bei welcher Arbeit er den Schlüssel gebraucht hatte. Nun, ja. Jetzt hatte er ja Zeit. Er vermutete als möglichen Fundort die Garage. Mist! Auch hier könnte man ruhig mal aufräumen. Zuerst schob er die Dinge einfach beiseite. Aber der Imbusschlüssel tauchte trotzdem nicht auf. Er stellte Nagel- und Schraubenpackungen in den Schrank. Einzelne Holzschrauben und Nägel hatte er einfachheithalber in eine Ecke geschoben. So hatte sich inzwischen ein ansehnlicher Haufen gebildet. Mikael begann Schrauben und Nägel der Länge nach zu sortieren und diese dann in die entsprechenden Plastikschachteln zu legen. Als er den Haufen abgearbeitet hatte, schaute er auf seine Uhr. Oh, es war schon fast zwei Uhr. Eigentlich hatte er bis jetzt noch nichts geschafft. Der Schlüssel musste bis heute Nachmittag warten.

In der Küche schob er ein Fertigmenü in die Mikrowelle. Rinderroulade mit Rotkohl. Etwas anderes war nicht aufzutreiben. Schließlich schlang er die Roulade samt Beilagen tapfer herunter. Das Fleisch war weich, der Geschmack gewöhnungsbedürftig. Das Nachwürzen verringerte das Geschmacksdefizit. Nach dem Essen fühlte er sich müde. Er legte eine CD von Brian Adams in den Rekorder und legte sich im Wohnzimmer auf die Couch. Als er wach wurde kochte er sich einen Tee. Der Imbusschlüssel wartete immer noch darauf, gefunden zu werden. Bald ahnte Mikael, das Objekt seines Suchens könnte möglicherweise doch nicht in der Garage sein. Er tröstete sich aber mit der Feststellung, seine Garage sah schon viel aufgeräumter aus. Bevor er sich weitere Gedanken machte, wo dieses verflixte Werkzeug wohl sein könnte, sagte ihm seine Armbanduhr, es war Zeit für die Sportschau. In einem Wandschrank entdeckte er Chips und Schokolade. Damit zog er sich ins Wohnzimmer zurück. Er nahm sich vor, in der nächsten Woche einen Imbusschlüssel zu kaufen.

Das Wochenende dauerte aber nur bis Samstag Abend. Um neun Uhr Abend erreichte ihn der Anruf, der mit ihm nicht nur die gesamte Duisburger Polizei mobilisierte, sondern wohl auch die von Oberhausen. Die Rockergruppen in beiden Bereichen lieferten sich eine Schlacht. Er informierte seine Schwiegermutter über seinen unerwarteten Einsatz. Oma Moni erklärte sich bereit, AnnaLena von Turnierort abzuholen. Das Enkelkind konnte bei ihr bleiben, bis ihre Tochter zurück war.

Der Flug des Fasans

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