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Der »Führer« war kein »Ficker«

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So überzeugend Lothar Machtan in seinem Buch Hitlers Geheimnis die homosexuelle Orientierung Adolf Hitlers freigelegt hat, der Historiker bleibt für Hitler 2 die Akte schuldig. (Machtan, zweite Buch) Damit befindet er sich in bester Gesellschaft mit der Hetero-Mehrheitsfraktion der Hitler-Biografik, die auch nicht belegen kann, dass Hitler ein geschlechtsaktiver, erst recht nicht, dass er ein phallisch-vaginal penetrativ-friktiv agierender Frauenliebhaber gewesen war.

Im Gegenteil: Es wimmelt von Statements aus der Hitler-umgebenden Nazi-Szene, sexuell habe der »Führer« nicht richtig getickt. Alle Äußerungen auf einen Nenner gebracht: Der »Führer« war kein »Ficker«. Sogar dem Verhältnis Hitlers zu seiner »Geliebten« und Lebensgefährtin Eva Braun wurde immer wieder die Plakette »platonisch« verpasst.

Wie sich am Schluss der Verhandlung zu Hitlers nicht-existenter Heterosexualität herausstellen wird, hielten mit sehr unterschiedlichen Schilderungen schließlich an die 40 seiner Nahen aus nächster Nähe den Daumen nach unten. Die zu Unrecht vergessenen Görlitz/Quint hatten 1952 schon alles zu Hitler 1 durchschaut: »Neben den natürlichen Beziehungen zum anderen Geschlecht fehlte [bei Hitler 1] eine zweite Beziehung zur Umwelt gleichfalls völlig, so natürlich und mächtig sie in den großen imperialen Militärstaaten Europas in diesen Jahrzehnten auch war, der Militärdienst.« (Görlitz/Quint, S. 71, 468 ff.) Das Phallische im Weichen wie im Harten war nicht Sache von Hitler 1.

1.–6. Zeuge:

Heinrich Hoffmann, Franz Xaver Schwarz, Christa Schroeder, Ernst Hanfstaengl, Herbert Döhring und Heinz Linge sprachen Hitler glattweg die Potenz gegenüber seiner Teilzeitgefährtin Eva Braun ab.

1. Allen voran der Stifter dieses Verhältnisses, Hitlers Münchener Leibfotograf Heinrich Hoffmann, der den vier Jahre lang fotoscheuen Hitler 2 erstmals 1922/23 vor seine Kamera gebracht hatte und ihm später dutzende Male ihn konterfeiend zuleibe rücken durfte, sodass einem solch fotoanalytischen Auge auf den politischen Star-Redner der extremen bayerischen Rechten auch ein Gucken durch den Hosenschlitz Hitlers zuzutrauen ist.

Hoffmanns erste Aussage über seine Einschätzung des Verhältnisses Braun-Hitler machte er am 1. Juli 1949 bei seinem Verhör in der öffentlichen Sitzung vor der Spruchkammer München: »Hitler hat sie alle Vierteljahr mal gesehen. Erst Jahre später hat er mir gegenüber geschildert, dass Fräulein Braun ihm sehr angenehm sei. Ich meine, Hitlers Verhältnis zu Eva Braun war immer ein platonisches. – Hitler ist ab 1930 öfters in meinem Geschäft gewesen und hat bei solchen Gelegenheiten die Braun bei mir kennengelernt und sie öfters gesehen.« (Hoffmann 49, S. 434)

In Hoffmanns Buch von 1974, Hitler wie ich ihn sah, kommt der Stabbruch über die Sexualität zwischen Braun und Hitler nicht expressis verbis vor. Doch Hoffmann erreicht sein Urteil über das Trockengebiet Braun-Hitler auf andere Weise. Er beschreibt einen Hitler bar jeder sexuellen Zündung gegenüber Braun: »Hitler lernte Eva Braun in meinem Geschäft kennen, wie eben jeden anderen Angestellten auch. Er sprach mit ihr über völlig unpersönliche Dinge. Nur manchmal ging er aus seiner Zurückhaltung heraus und machte ihr auf seine Art harmlose kleine Komplimente. Weder ich noch sonst irgend jemand merkte ihm intensiveres Interesse an … Er dachte nicht daran, mit Eva eine engere Bindung einzugehen.« (Hoffmann 74, S. 136)

2. Der Schatzmeister der NSDAP Franz Xaver Schwarz tutete in dasselbe Horn: »Die Beziehung« Hitlers zu Braun sei »rein platonisch« gewesen, vermeldete Schwarz am 26. Oktober 1945 den Interviewern der U. S. Army Interrogation Division beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg. (Schwarz, S. 9)

Schwarz war als Duz-Freund und oberster, nie entthronter Finanzmann der Partei Hitler so nah, dass sich ihm über Hitlers Verhältnis zu Eva Braun das Essentielle vermittelt hat – vor allem auch deshalb, weil Eva Braun bei Schwarz zu Hause verkehrte. Aus solch einem nahen Umgang ebenfalls mit der »Beteiligten« sind erst recht Schlüsse aus dem Privaten des befreundeten Paares zu ziehen.


6Eva Braun mit Wahleltern Schwarz 1930er

Brauns Biograf Nerin E. Gun publizierte ein Foto aus dem Hause Schwarz. (Gun 68 I, S. 80, B. 2) Es zeigt Schwarz mit seiner Frau an einem Tisch sitzend. Zwischen und zugleich über ihnen auf einer Mauer thront Braun und umarmt beide, die zufrieden lächeln. (B. 6)

Frei nach Goethe kann die Stimmung zwischen Eva und den Schwarzens beschrieben werden: »Hier ist sie Mensch, hier darf sie’s sein.« – Wehmütig-glücklich schaut sie in die Kamera – ihr gesamtkörperlicher Gestus zeigt ein vollständiges Vertrauen gegenüber ihren Wahleltern. Die Charakteristik von Wahlverwandtschaften: Es sind Wahr-Verwandtschaften, in denen alles zur Person des seelisch adoptierten Kindes herauskommen darf und herauskommt.

Franz Xaver Schwarz hat sich deshalb über die a-sexuelle Eigenart der Braun-Hitler-Beziehung nichts eingebildet.

3. Hitlers Sekretärin Christa Schroeder hielt in ihren zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Notizen über Hitler fest, Eva Braun habe deren Friseuse anvertraut: Kein Sex mit Hitler! Schroeder summierte über Hitlers Trockengebiet: »Er brauchte Erotik, aber keinen Sex.«

Ein unglaublicher Satz, dessen Inhalt wegen seiner Kürze blindgängerhaft nicht richtig hochgehen kann, um das Ungebührliche Erkenntnis-wirksam in die Gegend zu streuen. Sekretärin Schroeder hielt fest: Hitler »brauchte keinen Sex«! Ja, wenn das so war, dann hat Hitler auch keinen interpersonellen Sex agiert! Denn das machen nur Menschen, die ihn brauchen.

Schroeder dekretierte Hitlers sämtliche Beziehungen zu Frauen in die Sterilität. Alle seine Verhältnisse mit Frauen seien »platonisch« gewesen und das zu Eva Braun ein »Scheinverhältnis«! (Schroeder 99, S. 152 f., 155 f.)

4. Die Einschätzung von Hitlers Sexualität durch einen seiner ersten politischen »Liebhaber«, den anglophilen Intellektuellen Ernst Hanfstaengl, gibt den Grundsatz zu Hitlers sexuellen Bedingungen preis: Hitler sei »ein absolutes Neutrum« gewesen, »aber kein Mann, trotz seines dauernden Schmachtens«, wie Hanfstaengls Frau Helene ihren Mann »Putzi« beruhigt hatte, der beinahe in einen Kniefall Hitlers vor Helene im Wohnzimmer des Ehepaars hineingeplatzt war. (Hanfstaengl 70, S. 61)

Doch »so richtig vom Leder« gegen Hitlers sexuelle »Untüchtigkeit« zieht Hanfstaengl erst in seinen unbearbeiteten Erinnerungen: Hitler sei »im medizinischen Sinn des Wortes impotent« gewesen und habe »in einem sexuellen Niemandsland« ohne »normales Geschlechtsleben« dahinvegetiert. (Hanfstaengl BSB, S. 3, 42)

Das sind die schärfst denkbaren Ausformulierungen des etwas einsilbig wirkenden Diktums von Sekretärin Schroeder: »Hitler brauchte keinen Sex«. Hanfstaengls Beschreibung von Hitler als »sexuellem Niemandsland«, das »im medizinischen Sinn des Wortes impotent« war, muss Hitler-Forscher in allen Ländern so verschreckt haben, dass Hanfstaengls »Geheim«-Erinnerungen von ihnen bis heute nicht herausgegeben wurden und unpubliziert in der Bayerischen Staatsbibliothek in München vor sich hin modern.

Beide Hitler-Nahen, Hanfstaengl und Schroeder, brechen auch den Stab über der angeblichen Liebesbeziehung Braun-Hitler: Eva Braun sei »ein Dekorationsstück« gewesen, das Hitler »als Schutzschild gegen alle anderen aufdringlichen Frauen« benutzt hätte. (Hanfstaengl 70, S. 359, Hanfstaengl 05, S. 294, Schroeder in Joachimsthaler 03, S. 454 f)

Nazifrauen-Biografin Anna Maria Sigmund näherte sich 2008 dieser Position, die sie referierte: Hitler habe »seine Freundin, mit der er in biederer Zweisamkeit seine karge Freizeit verbrachte, nur zur Kaschierung seiner sexuellen Abstinenz benutzt«. (Sigmund 08 I, S. 19 f) Mit besagter Einschätzung Hanfstaengls und Schroeders könnte Sigmund ihre Vorstellung vom Funktionieren des sexuellen Verhältnisses zwischen Hitler und Braun überwinden, was sie derart radikal jedoch nicht tut, da sie ihre alte Meinung bis zur jüngsten Ausgabe ihres mehrbändigen Nazifrauen-Konvoluts 2013 in ihrem Braun-Hitler-Beziehungs-Abriss propagiert. (Sigmund 98, S. 166, Sigmund 05/13, S. 245) Und Sigmund selbst war nicht bereit, ihre neue Einstellung gegenüber der Nicht-Sexualität im Verhältnis Braun-Hitler in die jüngste Ausgabe ihrer Bücher Die Frauen der Nazis von 2013 zu übernehmen. (Sigmund 13)

5. Es wird noch deutlicher in Sachen von Hitlers Nicht-Heterosexualität: Nie befleckte Laken decouvrierten die sexuelle Sahara des »Führers«. Das sagte einer, der speziell mit Hitlers Bettwäsche zu tun gehabt hat. Herbert Döhring, der Hausverwalter von Hitlers Landsitz Berghof auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden, hat zwischen Juli 1936 und Februar 1943 für fast sieben Jahre mit seiner Frau die Betttücher in den Braun-Hitler-Zimmern kontrolliert und habe sie immer im Spuren-losen Zustand vorgefunden, wie er noch in einem Interview 2001 zum Besten gab: »[…] meine Frau, extra die Wäsche nachgeschaut, vorm Waschen, wenn Hitler weg war. Nix, nix, nix festgestellt […] auch nirgendwo Tücher oder wie, gab keine Anhaltspunkte, nix.« (Joachimsthaler 03, S. 454, Sigmund 08 I, S. 54, Anm. 110 – [ungekürztes Döhring-Zitat unter 21. »Nein«-Sagerin])

6. Ein weiterer Leibnaher Hitlers, der nach Karl Wilhelm Krause zweite Kammerdiener Heinz Linge (ab 1935), strauchelte in seiner Einschätzung des »Ob oder Nicht«, wenn er die Begegnungsrituale zwischen »Führer« und »Mätresse« darstellen sollte. Zu viel spräche bei den Abläufen der Abende in Hitlers Münchener Privatwohnung am Prinzregentenplatz – meist ohne gemeinsame Nächte und nie in einem gemeinsamen Zimmer – dafür, dass im Verhältnis zwischen Adolf und Eva »Stoß und Drang« fehlten. Linge fasste 1945/46 in seinen Verhören durch die sowjetischen Investigatoren deshalb für das von Stalin beauftragte Buch Hitler seine Erfahrungen zusammen: »Hitlers Verhältnis zu Eva Braun war eindeutig unnormal.« »Als Bettgenossin« war sie »zu einem entsagungsvollen Leben verurteilt«. (Eberle/Uhl, S. 63 f., 102, Sigmund 08 I, S. 19, 21)

Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland

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