Читать книгу Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland - Volker Elis Pilgrim - Страница 22

Geschichts-Prozess gegen Zeugen-Auswahl-Diktatur

Оглавление

Die Braun-Biografin Heike Görtemaker ist wie alle ihre Vorläufer und Vorläuferinnen davon überzeugt, dass es zwischen Braun und Hitler sexuell geklappt hat. Anders als mit Otto-und-Ottilie-Normalverbraucher-Kategorien kann bezeichnenderweise bis heute über Eva Braun nicht »Biografie gemacht« werden.

Die Braun(-Teil)-Biografin, die Bearbeiterin aller näheren Beziehungen Hitlers zu Frauen, Anna Maria Sigmund, ist die Einzige, die die Mann-Frau-Aktions-Rinne Braun/Hitler verließ, die sie noch in ihren Nazifrauen-Büchern beschritten hatte. (Sigmund 98–13) Sigmund machte in ihrer Einzelstudie über Sexualität im Dritten Reich eine Kehrtwendung. Sie rückte nun auch Hitlers Sexualität zuleibe und kam zu dem oben schon zitierten Ergebnis: Hitler »benutzte« Eva Braun »nur zur Kaschierung seiner sexuellen Abstinenz«. (Sigmund 08 I, S. 19 f.)

Dieses eiserne Ergebnis von Sigmunds Forschung zur Sexualität bei Hitler und den Seinen wurde prompt von den Hitler-Braunbiografischen sexuellen Verpaarschaftern, der Braun-Biografin Heike Görtemaker und dem Hitler-Biografen Volker Ullrich, umgangen. Sigmunds Expertise wird von Görtemaker und Ullrich weggelassen, damit deren Mann-Frau-Beziehungs-Dreh im Falle Braun-Hitlers leichter vonstatten geht.

Große Teile des kommenden Textes von Hitler 1 und Hitler 2 für die Freilegung der Hitler’schen Sexualität setzen sich mit der Vorgehensweise des zweitjüngsten Hitler-Biografen Volker Ullrich auseinander, um zu zeigen, wie er es erreicht, der deutschen Öffentlichkeit 2013 und der Anglo-Öffentlichkeit 2016 einen hetero-intakten Hitler zu liefern. In viel kürzerer Weise kann bei Heike Görtemaker entblößt werden, wie es ihr gelingt, die Beziehung zwischen Braun und Hitler in ein »Feuchtgebiet« zu verlegen. Görtemaker bringt auf fünf Seiten acht Pro-Bezeugende und schmettert zwei Kontra-Statements mit verschiedenen Mitteln ab. Die fünf Seiten sind durch 130 Zwischenseiten auseinandergerissen, sodass ein Zusammenhang zwischen den zweimal vier »Ja«-Sagenden bei einmaliger Lektüre nicht hergestellt werden kann. Die ersten vier Jas stehen auf den Seiten 41/42 der neuesten englischen Ausgabe ihres Buches von 2011. Görtemaker beschäftigt sich an dieser Stelle mit dem Beginn der Beziehung Braun-Hitler und will sich da schon entscheiden, ob feucht oder trocken. Die übrigen vier Jas treten erst auf, als es um die Präsentation von Meinungen der Leute im Hitler-Umfeld geht, was dieses Umfeld so über Hitlers Verhältnis zu Braun gedacht und davon mitbekommen hat. (Görtemaker 11 I, S. 169 ff.)

Achtmal Ja und zweimal Nein, die als unglaubwürdig hingestellt werden. Das ist ein wahrlich eigenwilliger Umgang mit Zeugen und Zeuginnen. Auch auf die Braun-Biografinnen und -biografen färbt Adolf Hitler noch ab, was ständig mit Ausnahme des meist zu absoluter Distanz befähigten Ian Kershaw beobachtet werden kann.

Es musste gegen jenes diktatorische Verfahren mit Zeitzeugen ein Geschichts-Prozess aufgerollt werden, dessen Ergebnis vorweggenommen wird, um schon jetzt ein Verständnis dafür hervorzulocken, dass mit Hitlers Heterosexualität, so wie Görtemaker und Ullrich es machen, nicht mehr umgegangen werden darf, denn Görtemakers Vorlaufende in der Braun-(Teil)-Biografik, Gun, Charlier/de Launay, Johannes Frank und Angela Lambert, verflüssigten die Beziehung Braun-Hitler mit anderen »unkoscheren« Mitteln und arbeiteten dem Heterosexualisten Werner Maser in die Hände, der seit 1971 bis in die jüngste Gegenwart mit um die hundert Auflagen, Ausgaben und Übersetzungen seiner Bücher Hitler höchst erfolgreich in die Hetero-Schablone gezwängt hat – bis zur Andichtung eines nicht-ehelichen Sohnes.

»So kann es nicht bleiben!«, lautet Heinrich Manns berühmter Refrain in seinem Roman Die Jugend des Königs Henri IV. Hitler-Biograf Werner Maser hat mit Volker Ullrich einen kompetenten Nachfolger erhalten, der weiter an der Verheterosexualisierung Hitlers werkelte, ja zu dichten anfing, wenn Hitler stattdessen endlich hätten die Hosen runtergezogen werden müssen.

Für die Zeitzeugen-»Verhöre« werden erst einmal 23 Hitler-Nahe angeführt, die ihn als heterosexuell inaktiv beschreiben werden. Demgegenüber werden von zwölf Voten pro Hitlers heterosexuelle Funktionstüchtigkeit nach einem intensiven »Kreuzverhör« nur vier als ernstzunehmende Aussagen übrig bleiben. Während der Behandlung der Pros und Kons wird die Zahl der Neins gegenüber Hitlers heterosexueller Ausdruckskraft auf 40 anwachsen, also fast das Doppelte der fürs Erste vorgestellten 23. Am Schluss wird es ein Verhältnis zwischen vier Jas und 40 Neins geben = eine 1-zu-10-Gegenüberstel-lung. In Ansehung der einzelnen Pro-und Kontra-Zeugen wird auf die Argumentationsweise Görtemakers zu ihrem spärlichen »Häuflein der acht Aufrechten« noch eingegangen werden, was jetzt ohne ausführliche Darstellung eines Zeugen nicht überzeugend genug wäre. Eine Ausnahme wird jedoch sogleich gemacht – betreffend Görtemakers Abschmetterung der 3. Nein-Sagerin, der Hitler-Sekretärin Christa Schroeder.

Görtemaker versucht, Christa Schroeders Wahrnehmung von Hitlers Gesamt-Verhalten gegenüber Frauen zu konterkarieren, indem sie die Bemerkung Schroeders zu Hitlers (Hetero)Sexualtod – nämlich alle Verhältnisse mit Frauen wären bei Hitler unfleischlich gewesen – gegen eine Antwort Schroeders in deren erstem Verhör durch die Amerikaner nach April 1945 ausspielt. (Görtemaker 11 I, S. 169 f.)

US-Offiziers-Frage: »Sah Hitler Fräulein Braun als seine Ehefrau an?« – Antwort Schroeders: »So behandelte er sie!« – Nachfassende Frage: »Hat er sie wirklich so gesehen?« – Verstärkende Antwort: »Ja, natürlich!« (Schroeder 45, S. 3)

In diesem Schlagabtausch kommt nur Äußeres zur Sprache, wie »als Ehefrau ansehen« und »so behandeln«. All das wird zum genauen Verständnis auch noch einmal wiederholt: Es geht um ein Rollen-mäßiges Ansehen und Behandeln. Die darunter liegende, ja lauernde Frage des gemeinsam Schleimhaut-berührend gestalteten nächtlichen Bettes zwischen Hitler und Braun wird nicht angesprochen, von Schroeder deshalb weder bejaht noch verneint.

Niemand kann jemals bestreiten, dass Hitler »das Fräulein Braun« als »Ausdruck« seines »Eheweibes« im Juli 1936 auf seinen zum Berghof umgebauten Landsitz Haus Wachenfeld auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden mitgenommen und dort positionell Ehe-ähnlich installiert hat – als ein lebendes Inventar, das rituell dem nahen Umkreis gezeigt und gleichzeitig vor dem ganzen deutschen Volk verheimlicht wurde. Mehr weiß bis heute niemand.

Durch solche uneindringlichen, weil ins Sexuell-Eigentliche nicht einsteigenden Frage-und-Antwort-Hin-und-Hers wird die sexuelle Frage noch nicht einmal berührt, geschweige denn beantwortet. Im Verhör Schroeders 1945 wurde nur von der sozialen Seite des Ehe-ähnlichen Verhältnisses zwischen Braun und Hitler gesprochen = zusammen wohnen und sich bis in die tiefste Nacht hinein zusammen darstellen, wovon alle Hitler-Nahen mehrfach beredtes Zeugnis abgelegt haben.

Doch die Lampe über ein gemeinsames nächtliches Lager zwischen Braun und Hitler hat auch von den damals Nahen niemand gehalten. Das muss die Geschichsschreibung nun mit anderen Beleuchtungen unternehmen.

Hitler 1 und Hitler 2. Das sexuelle Niemandsland

Подняться наверх